Das ewige Bündnis

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„Benutzen, zur Seite legen, zurückgeben, benutzen, zur Seite legen, zurückgeben."
Seit mehr als einer halben Stunde wägte Remus seine Optionen ab, doch er schien nicht wirklich voranzukommen. Ihn zu benutzen wäre Wahnsinn, insbesondere in Anbetracht dessen, wie Tonks' Eltern reagiert hatten. Zur Seite legen war riskant, falls er ihn irgendwie verlor oder Tonks ihn fand. Und zurückgeben... vorausgesetzt, er würde ihn überhaupt zurückgeben können, schien ihm diese Alternative noch schlechter zu sein. Der Ring war nicht außergewöhnlich, passte aber in tiefer Bedeutung zu ihnen.
Remus raufte sich aufgebracht die Haare. Er kam nicht weiter, wenn er nichts ausschloss. Ihn zurückzugeben war eine schlechtere Option – und damit, so wahnsinnig es ihm vorkam, vom Tisch. Abermals betrachtete er den violetten Stein und stellte sich vor, wie er an Tonks' Finger funkelte.
Mit einem nervösen Lachen schloss Remus die Hand um den Ring und fragte sich zum tausendsten Mal, ob er nicht vollständig von Sinnen war. Aber was sein Herz wollte, war eindeutig.

~
Der Abend verlief angenehm und ruhig, obwohl Tonks den Eindruck hatte, dass Remus einige Male in seine Gedankenwelt abgetaucht war. Nach dem Essen sprang Tonks unter die Dusche. Als sie fertig war, wickelte sie sich in ein Handtuch und genoss das Gefühl der perlenden Wassertropfen, die von ihren Haaren aus ihren Körper hinabrannen. Bei der Vorstellung, wie rot Remus bei diesem Anblick wohl werden würde, musste sie unwillkürlich grinsen. Gut gelaunt zog sie bequeme Alltagskleidung an und lief die Treppen hinab nach unten.
„Remus, wenn du duschen willst, das Bad ist jetzt –" Sie verstummte, als sie das Wohnzimmer betrat. Es war abgedunkelt, keine Lampe brannte und doch war es so schön und einladend, wie Tonks es kaum jemals gesehen hatte. Dutzende Lichtkugeln schwebten frei durch die Luft und erleuchteten das Zimmer in funkelndem Violett. Remus stand inmitten des Raumes, ein seichtes Lächeln auf den Lippen und machte das Bild komplett.
Mit offenem Mund bestaunte Tonks ihr völlig verändertes Wohnzimmer und suchte gerade nach den richtigen Worten, als Remus ihr die Aufgabe abnahm: „Tonks."
Seine Stimme klang ein wenig heiser. Er räusperte sich verhalten und setzte erneut an. „Tonks."
Ihre Aufmerksamkeit galt sofort dem Mann, der inmitten des Lichts wunderbar magisch wirkte. Selbst sein schäbiger Umhang schien hochwertiger geworden zu sein. Tonks schritt lächelnd auf Remus zu und ihr Grinsen wurde noch breiter, als er ihre Hände in die seinen nahm.
„Ich habe eine ganze Zeit lang überlegt, wie ich das angehen möchte. Und nach vielen Stunden, in denen ich meinen Kopf wohl genauso gut permanent gegen eine Wand hätte schlagen können, wurde mir klar, dass ich mir noch so lange den Kopf zerbrechen könnte – für dich wäre es nie gut genug." Er löste eine Hand, um sich am Kopf zu kratzen, ehe er sie mit zärtlichem Blick begutachtete.
Tonks spürte, wie ihr trotz des kühlenden Wassers heiß wurde und ihr eine Gänsehaut über die Arme kroch.
„Was ich gesucht habe, sind die richtigen Worte", fuhr Remus leise fort. „Manche sagen, es seien nur Worte, aber das ist nicht wahr. Wann immer du das Wort an mich richtest, schlägt mein Herz eine Spur höher. Wann immer du mir sagst, dass du mich liebst – ich kann es immer noch nicht glauben – scheine ich vor Glück... vor Glück förmlich zu zerfließen. Es sind mehr als nur Worte, wenn sie von dir kommen, Tonks. Was du mir schenkst, sind Gefühle. Wann immer du bei mir bist, fühle ich mich, als wäre ich mehr wert. Es ist deine bloße Anwesenheit – für manche eine kleine Veränderung, wie diese Lichtkugeln hier, und doch verändert sich so viel, dass ich es kaum beschreiben kann."
Für einen Moment hielt er inne, während Tonks stumm mit den Tränen kämpfte.
„Für mich hast du alles geändert. Mit dir brauche ich keine Feierlichkeiten oder – oder extravaganten Dates – mit dir ist selbst der Alltag so erfüllend, wie ich es in meiner rationalen Denkweise früher wohl nie verstehen konnte. Und ich – ich habe nicht viel zu bieten, aber wenn dir das auch reichen sollte – mit mir zusammen zu sein – würdest du mir so viel mehr schenken, als du glaubst."
Ihre Beine zitterten, als Remus vor ihr auf die Knie fiel und ein samtenes schwarzes Kästchen aus seinem Umhang zog.
„Schon dass du da bist, bedeutet mir alles. Du bist mehr, als ich mir je zu träumen gewagt hätte. Und darum frage ich dich – Tonks... Willst du mich heiraten?"
„Remus", hauchte Tonks und begutachtete kopfschüttelnd das Gesicht, in dem Nervosität und Zärtlichkeit zu einer Einheit verschmolzen. „Ich will! Und wie ich will!"
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Mund aus, während er ihr den funkelnden Ring an den Finger steckte, doch den Kampf gegen die Tränen verlor sie trotzdem. „Dich und niemand anderen", wisperte sie noch, als sie Remus nach oben zog und ihn überglücklich küsste.

~
„Ich kann es immer noch nicht glauben." Tonks lag eng an Remus geschmiegt auf ihrer gemeinsamen Couch, den Kopf in seinen Haaren vergraben. „Wir werden heiraten!"
„Wem sagst du das?", erwiderte Remus und seufzte vor Unglauben und Behagen. „Verlobt. Ich. Jetzt ist schon der nächste Morgen und ich kann es immer noch nicht glauben. Das ist einfach –" Er brach kopfschüttelnd und lachte leise auf.
„– die Realität", ergänzte Tonks zaghaft. „Und nicht du bist verlobt – wir sind es. Lass mich da nicht außen vor! Oder willst du dich selbst heiraten? Lässt sich natürlich auch machen."
Remus grinste. „War zeitlebens mein Plan. Aber tut mir Leid. Kommt nicht wieder vor."
„Macht nix. Ich glaube, im Moment könnte mir praktisch nichts meine Stimmung vermiesen. Nicht mal meine Eltern."
Remus dachte sehnsüchtig an die Reaktionen von den Weasleys und den anderen Hexen und Zauberern, die sie am vergangenen Abend aufgesucht hatten. Sogar Mad-Eyes Grummeln war ihm Willkommen – Andromedas entgleiste Gesichtszüge und Teds Blässe hingegen waren der Beweis dafür, dass nicht alle die Verlobung guthießen.
„Ich muss dann zur Arbeit. Dabei war es hier so schön." Mit einem Geräusch, das jenen von Moodys Misslaunen Konkurrenz gemacht hätte, setzte sich Tonks auf und machte sich für die Arbeit fertig.

~
Die meisten Menschen genossen es wohl, während der Arbeitszeit ein Café besuchen und sich auf Kosten der eigenen Abteilung etwas bestellen zu dürfen, aber Tonks hätte ihren letzten Schokofrosch gegeben, jetzt nicht hier sein zu müssen. Nicht nur, dass sie die Besucher mit Dawlish beschattete, der außerordentlich missmutig gelaunt war, seit er den Ring an Tonks' Finger wahrgenommen hatte – nein, sie saßen auch noch in einem heruntergekommenen Café in der Nokturngasse, bei dem das Schild am Eingang auf widerwärtige Weise verkündete, dass Muggelstämmige nicht erwünscht waren.
Um alle dem die Krone aufzusetzen, mussten Tonks und Dawlish auch noch aussehen, als würden sie sich gut amüsieren – einen auf Salzsäule zu machen und die Zeit abzusitzen wäre einfach zu auffällig. Insbesondere, da Tonks heute als Herr mittleren Alters auftreten und ebenso auffällig unauffällig wie die anderen Kunden wirken musste. Am allermeisten aber hatte es ihr widerstrebt, ihren Ring abnehmen zu müssen, um diese furchtbare Tarnung aufrechtzuerhalten.
So ergriff sie auch die erstbeste Chance, um zu entkommen: „Hey, John, ich hefte mich mal an die Fersen des heißen dunkelhäutigen Typs mit Dreadlocks da. Der hat dauernd so verdächtig auf die Uhr geguckt. Übernimm du das Bezahlen."
Ein weiterer Punkt, der absolut gegen das Beschatten in Cafés sprach – wenn man alleine war, musste man erst noch unauffällig bezahlen, ehe man seiner Zielperson folgen konnte, aber schnell genug, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Immerhin war Dawlish zu irgendetwas gut.
Tonks stand auf und stellte augenblicklich fest, dass das vierte Kuchenstück keine gute Entscheidung gewesen war. Ihr war speiübel und sie sah vermutlich in etwa aus, wie sie sich fühlte. Sie hätte es Dawlish gleichtun und nur ein paar Bissen vom letzten Stück essen sollen. Sie atmete tief durch und verließ das Café. Die Luft draußen allerdings war schmutzig und ekelerregend warm. Statt dass es ihr also wie erhofft besser ging, wurde ihr auch noch schwindelig.
Leise fluchend nahm Tonks die Verfolgung des jungen Mannes auf, der sehr zu ihrem Leidwesen auch noch schnellen Schrittes unterwegs war. Als er aber die Gasse verließ, um in leere, steinige Seitengassen einzubiegen, kämpfte das Adrenalin gegen die steigende Übelkeit. Er war nicht appariert, obwohl er aus der Appariersperre, die aus Diebstahlschützgründen über beinahe allen Einkaufsstraßen lag, hinausgelaufen war. Folglich lag sein Ziel irgendwo in der Gegend – oder aber, er hatte Tonks bemerkt und wollte ihr eine Falle stellen.
Der Fremde beschleunigte seinen Schritt abermals, sodass Tonks zunehmende Probleme hatte, mitzuhalten, zumal er durch seine Hautfarbe mit den schwarzen Schatten der Gassen verschmolz. Etwas in ihr wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er doch appariert wäre. Zum ersten Mal an diesem Tag hoffte sie, Dawlish wäre an ihrer Seite. Sollte der Fremde wirklich ein Todesser sein, hätte sie in diesem Zustand kaum eine Chance und wäre noch mehr in Lebensgefahr als bei gewöhnlichen Duellen.
Ihr Herz schlug heftig in dem männlichen Körper, der nicht der ihre war. Kalter Schweiß rann ihren muskulösen Rücken hinab. Sie wischte sich die nassen Handflächen an ihrer Hose ab und atmete einmal tief durch. Eilends bog sie um die Ecke ab, hinter der der Mann zuletzt verschwunden war, doch die Straße dahinter lag leer und düster vor ihr. Panik überkam Tonks – es war viel beängstigender, den Gegner aus den Augen zu verlieren, als ihn zu verfolgen. Alles in ihr schrie danach, dass es eine Falle war und sie schleunigst Kehrt machen sollte, doch die Pflicht hielt sie zurück.
In einer blitzschnellen Bewegung ließ sie ihren Zauberstab aus dem Umhang in ihre Hand gleiten und hastete die verlassene Gasse entlang, so schnell es ihr Schwindel zuließ. Die vereinzelten Straßenlaternen spendeten nur schwaches Licht und ließen die Atmosphäre noch schauriger erscheinen. Obwohl es Tag war, lagen diese Gassen stets in Finsternis.
Eine Regung in der Ferne. Tonks' Atem beschleunigte sich und etwas in ihr hoffte verzweifelt, Dawlish möge durch den Ortungszauber schnell zu ihr stoßen. Wenn dieser mysteriöse Unbekannte wirklich so darauf aus war, zu verschwinden und so oft auf die Uhr geguckt hatte, schrie das geradezu nach etwas Illegalem. Obwohl es in magischen Duellen nicht entscheidend war, wünschte sich die junge Aurorin, dass der Fremde wenigstens etwas weniger muskulös sein könnte – so würde zumindest ein wenig Angst versiegen.
Mit vor Anstrengung zusammengekniffenen Augen lief Tonks keuchend und schwankend um die Ecke, an der sie die letzte Regung wahrgenommen hatte. Ihr Herz schien für einen Moment auszusetzen, als sie realisierte, dass der Mann direkt dahinter stand und ihr den Zauberstab an den Hals hielt.
„Stab fallenlassen!" Die Stimme des Fremden war tief, doch ganz anders als die Kingsleys. In ihr schwang etwas Bedrohliches mit, das Tonks eine Gänsehaut bereitete. Einen schrecklichen Augenblick hielten die Krallen der Angst Tonks in ihren Fängen. Dann war sie wieder in der Lage, sich zu rühren.
So schnell, wie es ihr Zustand zuließ, entsandte sie einen stummen Schockzauber, doch obwohl sie direkt vor dem Fremden stand, verfehlte er sein Ziel. Etwas in den Augen des Dunkelhäutigens blitzte auf. Er hechtete zur Seite und schickte seinerseits Fluch um Fluch. Tonks schien die Luft auszubleiben. Sie hatte ihre beste Chance auf einen Sieg gerade verwirkt und obwohl sie einige Flüche parieren konnte, wusste sie, dass ein Treffer nur eine Frage der Zeit war. Wenn Dawlish doch nur endlich käme... oder wenn Remus da wäre... Remus...
„Warum. Verfolgen. Sie. Mich?!", rief der Angreifer und schleuderte ihr bei jedem Wort einen Fluch entgegen. Tonks konnte nicht antworten. Sie bekam keine Luft mehr. Ihre Finger zitterten. Mit aller Kraft umklammerte sie ihren Stab, auch wenn sie wusste, wie aussichtslos es war. Sie sank auf die Knie. Die Welt drehte sich. Ein dumpfes Geräusch, mit dem ihr Zauberstab zu Boden gefallen war. Rote Lichtblitze irgendwo. Die erstechende Erkenntnis, dass sie sterben würde. Und dann wurde alles schwarz.

___________________Fragen an EUCH:
1. Wie fandet ihr den Antrag?
2. Was glaubt ihr wird jetzt mit Tonks passieren?


Würde mich über Kommis und Votes sehr freuen!

Weil du mich zum Menschen machstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt