Kapitel 41 - Beziehungen - Teil 1

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Die Wut brodelte in Bahe, während er durch die überfüllten Krankenhausgänge schritt. Seine zornverzerrte Miene und das unterdrückte Zittern lösten sich erst auf, als er sich auf den letzten Metern vor dem Ausgang des Krankenhauses befand.

Zuletzt war er so wütend gewesen, als die Schlägertypen von Mai Ping Lun seine Mutter beschimpften und ihr anboten sich selbst zu verkaufen, um das Geld wieder rein zu holen.

Krampfhaft atmete Bahe ein paar Mal tief durch und trat schließlich auf die Straße vor dem Eingangsbereich. Egal wie wütend er war, er durfte jetzt nicht den Kopf verlieren. Illusionen halfen ihm auch nicht weiter. Shang würde niemals mit sich reden lassen, jetzt, wo es bereits so weit gekommen war.

Was blieb ihm also übrig? Wie könnte er das Anwesen für einen vernünftigen Preis veräußern?

Bahe hatte keine Ahnung.

Missmutig stapfte er einige Meter hin und her und überlegte fieberhaft, wie er seine Familie aus dieser Lage befreien konnte...

Es war wahrlich zum wahnsinnig werden. Sie brauchten unbedingt das Geld, sonst würde das Leben seiner Mutter in den nächsten Monaten zu Ende gehen. Doch mit so einem Gedanken konnte und wollte Bahe sich nicht anfreunden...

Doch es gab einfach keinen Ausweg...

Bahe kannte keinen Menschen der ihm wirklich helfen konnte. Feiyings Großvater würde ihn, im günstigsten Fall, nur belächeln und anschließend raus schmeißen lassen. Eher wahrscheinlich war jedoch, dass dieser ihn an seine Sicherheitskräfte auslieferte, damit diese Bahe anschließend die verschiedensten Knochen brachen. Außerdem würde er seinem besten Freund dadurch nur noch mehr Probleme bereiten.

Somit schied die einzige Person aus, von der er wusste, dass sie die Möglichkeit hatte ihm genügend Geld zur Verfügung zu stellen.

Banken würden ihn und seine Familie keines Blickes würdigen und an Kredithaie wollte er in Anbetracht der Umstände nicht mal im Entferntesten denken.

Was sollte er also tun?

Während er sich zunehmend in eine ausgewachsene Panik hinein steigerte, kam ihm auf einmal ein Gedanke. Shang hatte Bahes Vater eigentlich viel zu verdanken, ganz egal wie wenig Respekt er vor dieser Tatsache hatte. Aber da gab es noch mehr Bekannte seines Vaters mit ähnlichen Umständen und einer war Polizist gewesen. Vielleicht konnte dieser Mann ihm helfen.

Bahe fasste sich geistesabwesend an den Kopf, während er sich das Hirn zermarterte, wie der Name des Mannes noch mal lautete.

Nach zwei Minuten gab er dann jedoch seufzend auf und wandte sich stattdessen zügigen Schritts Richtung U-Bahn. Der Name war ihm nicht mehr eingefallen, aber Bahe hatte sich daran erinnern können, wie er diesem Polizisten vor zwei Jahren mal mit seinem Vater einen Besuch abgestattet hatte. Die Anschrift kannte Bahe nicht, er hatte aber noch die ungefähre Gegend und Straße bildhaft im Kopf. Es sollte zu finden sein.

Letzten Endes brauchte Bahe fast drei Stunden, um die richtige Straße zu finden. Es dämmerte bereits als er schließlich an die Tür des passenden Hauses klopfte.

Zunächst rührte sich nichts und Bahe strich sich seine, inzwischen etwas länger gewordenen, Haare aus dem Gesicht.

Er wollte gerade ein zweites Mal klopfen, als im Raum hinter der Tür das Licht eingeschaltet wurde. Wenig später wurde die Tür von einer Frau mittleren Alters geöffnet.

„Ja?", fragte sie bei Bahes Anblick sichtlich verwirrt.

„Guten Abend, ich heiße Bahe Dragon und suche einen alten Bekannten meines Vaters", stellte Bahe sich vor.

„Ich habe noch nie von einem Herr Dragon gehört, mein Mann erzählt mir für gewöhnlich alles."

„Vielleicht erinnern sie sich nur nicht mehr. Vor zwei Jahren kam mein Vater bei ihnen zu Besuch und nahm mich mit. Es ging..."

„Ach, vor zwei Jahren?", unterbrach die Frau Bahes Ausführungen. „Kein Wunder, du bist hier an der falschen Adresse. Wir sind hier erst vor einem halben Jahr eingezogen."

„Oh... verstehe...", entfuhr es Bahe enttäuscht. „Wissen Sie vielleicht, wo die früheren Besitzer hingezogen sind?"

„Da bin ich mir nicht sicher", zuckte die Frau mit den Schultern. „Aber der Makler meinte damals, dass die frühere Familie auf's Land, an die äußerste Grenze von Dazu gezogen wäre."

„Vielen Dank!", sagte Bahe ernsthaft. „Und bitte verzeihen Sie die Störung."

„Kein Problem", erklärte die Frau noch und schloss die Tür.

Bahe betrat erneut die Straße und machte sich auf den Rückweg zur U-Bahn. Er hatte noch eine lange Rückfahrt bis zu seiner Großmutter vor sich. Bis nach Dazu würde er mehrere Stunden brauchen. Das würde er heute eh nicht mehr schaffen. Ganz zu schweigen davon, dass er erst mal herausfinden musste, wo in Dazu er den Bekannten seines Vaters überhaupt finden konnte.

Manchmal nervte es ihn, wie groß in China alles war... Dazu war zwar nur ein äußerer Stadtbezirk, aber die äußere Grenze war so weit von der Kernstadt entfernt, wie Köln von Hamburg.

Glücklicherweise gab es inzwischen ein umfangreiches Netzwerk an Hochgeschwindig-keitszügen, diese kosteten dann aber natürlich auch mehr. Geschwindigkeiten von 700Km/h waren inzwischen der Alltag auf allen Magnetschwebebahnen des Landes geworden. Die neuen Hoverbahnen schafften noch weit mehr, wurden bisher aber ausschließlich auf einigen geradlinigen Strecken getestet.

Die Geschwindigkeiten waren letztlich nie das Problem gewesen, sondern vielmehr der Fahrkomfort der Passagiere. Die typischen 800-900Km/h die ein Flugzeug schaffte, gingen schließlich auch mit dem dafür typischen ruckartigen Start einher.

Welcher Passagier wollte schon jedes Mal, wenn er in einen Zug einstieg, Druck auf den Ohren verspüren, in den Sitz gepresst werden und eventuell vor lauter Beschleunigungskräfte an seine letzte Mahlzeit erinnert werden?

Während er nach Hause fuhr, recherchierte Bahe mit seinem Smartphone bereits, ob und wenn ja, welche Polizeibeamten im letzten Jahr in die äußeren Bereiche Dazus gezogen waren. Natürlich konnte man die Personalverhältnisse nicht einfach so einsehen. Daher suchte er nach möglichen Polizeipräsidien und speicherte die Nummern ab. Anschließend rief er die Nummern an und erklärte sein Anliegen. Nur wenige Polizeipräsidien rückten allerdings direkt mit den entsprechenden Telefonnummern heraus. Meistens wurde Bahe nur sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass man nicht so willkürlich mit den Daten ihrer Beamten umging.

Die Nummern, die Bahe bekam, erwiesen sich alle als Sackgasse, also blieb ihm nichts anderes übrig, als am nächsten Tag nach Dazu zu fahren.

Inzwischen fragte er sich schon, ob der ganze Aufwand es überhaupt wert war. Würde ein Polizist von hier nicht auch ausreichen? Andererseits... was sollte er dem schon sagen? Letzten Endes war der Vertrag Rechtens... zumindest, soweit er das verstanden hatte.

Er konnte im Grunde nur hoffen, dass der alte Bekannte seines Vaters ihm unter der Hand helfen würde. Die meisten Chinesen machten um das Rechtssystem immer noch einen größtmöglichen Bogen, obwohl es sich in den letzten drei Jahrzehnten von korrupt und parteigeführt zunehmend zu einer selbstregulierenden Institution gewandelt hatte.

Bahes Hoffnung war es, dass allein die Anwesenheit eines höher gestellten Polizeibeamten vielleicht schon ausreichen würde, um diesen Kredithai Mai einzuschüchtern.

Beging er damit eigentlich eine Straftat...?

Bahe schüttelte, sich selbst belächelnd, den Kopf. Von so etwas hatte er erst recht keine Ahnung. Egal was er tat, für den Anfang musste er sich darauf konzentrieren seiner Familie und allen voran seiner Mutter zu helfen. Danach konnte er sich immer noch um die Konsequenzen sorgen.

Mit einem Quietschen nahm die U-Bahn weiter Fahrt auf und Bahe verlor sich in seinen Gedanken.



Sooooo... hier gehts los! Teil 2 folgt am Sonntag :)

Viel Spaß beim Lesen!


Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt