Als Bahe erwachte, brauchte er einen Moment um zu verstehen, dass er sich immer noch im Wartebereich der Klinik befand. Ein Blick an die Wand verriet ihm, dass es bereits früh am Morgen war.
„04:25Uhr...", murmelte er geistesabwesend, während er nach seinen Großeltern Ausschau hielt.
Seine Großmutter saß in einer gegenüberliegenden Sitzreihe und las auf ihrem Smartphone. Sie wurde durch seine Regungen auf ihn aufmerksam und bat ihn, mit einem Zeigefinger über den Lippen, leise zu sein und deutete anschließend auf Bahes Großvater, der unweit von ihnen schlafend auf einer Bank lag.
Bahe nickte und richtete sich langsam auf. Er unterdrückte ein Stöhnen. Verdammt hatte er ungünstig gelegen... Sein ganzer Rücken schmerzte.
„Schläft er schon lange?", fragte Bahe leise, nachdem er seine Schultern ein Bisschen bewegt hatte.
„Etwa seit 2Uhr Morgens...", antwortete seine Großmutter. „Er ließ sich anfangs einfach nicht beruhigen. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis ich ihn soweit hatte, dass er sich endlich hingelegt hat."
„So ist Opa halt", meinte Bahe mit einem Lächeln.
Seine Großmutter nickte zustimmend, meinte aber: „Die ganze Aufregung ist momentan nur einfach nicht gut für ihn."
„Hmmm", stimmte diesmal Bahe zu.
Mit einem Klicken öffnete sich plötzlich die Tür, die zu den Operationssälen führte und gab den Blick auf eine Frau mittleren Alters frei. Sie trug zum Teil noch ihre Operationskleidung und kam geradewegs auf sie zu.
„Frau Ma", begann sie an Bahes Großmutter gewandt.
„Ja!", richtete sich Bahes Großmutter schnell auf und auch Bahe machte schnell ein paar Schritte an ihre Seite.
„Die Operation ihrer Tochter verlief ohne Komplikationen. Wir sind zuversichtlich, dass sie im Laufe des Tages ohne bleibende Schäden aufwacht."
„Dann... dann wird sie wieder gesund...?", fragte Bahes Großmutter mit zittriger Stimme.
„Ja, wir gehen davon aus, dass sie sich wieder komplett erholen wird", nickte die Ärztin mit einem Lächeln.
„Sie... sie... sie wird wieder gesund...", wiederholte Bahes Großmutter die hoffnungsvollen Worte ungläubig, während ihr die Tränen in Strömen über die Wangen liefen.
Bahe hatte auch nicht lange an sich halten können. Glücklich wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht, während er seine Großmutter in den Arm nahm und sich an die Ärztin wandte: „Vielen Dank, dass sie meine Mutter gerettet haben."
Dieser Satz zerbrach irgendwie den letzten Schutzwall, den seine Großmutter um sich aufgebaut hatte. Sie ging schnell noch einen Schritt auf die Ärztin zu, nahm ihre Hand zwischen die Ihren und sagte vor Erleichterung schluchzend: „Vielen Dank... dass... sie meine Tochter... gerettet haben!"
„Wir haben nur unsere Pflicht getan", meinte die Ärztin mit einem Lächeln und zugleich seltsam berührt, ob des plötzlichen Gefühlsausbruchs ihres Gegenübers.
„Ich kann... Ihnen... gar nicht... genug danken...", rang Bahes Großmutter zwischen ihren Schluchzern nach Worten.
Bahe sah die Hilfslosigkeit in den Augen der Ärztin, die nicht so recht wusste, wie sie mit der älteren Dame vor ihr umgehen sollte und nahm seine Großmutter schnell in den Arm, damit sie von der Ärztin abließ.
Die kleinen Hände seiner Großmutter schlossen sich nur zu schnell um seinen Rücken, während sie ihren Kopf in seiner Schulter vergrub.
„Sie wird gesund... Sie wird... wieder gesund...", schluchzte sie weiter, während Bahe sich mit einem verweinten Nicken ein letztes Mal bei der Ärztin bedankte, die sich daraufhin mit einem Lächeln zurückzog und ihnen Privatsphäre gönnte.
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Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2
FantastikIn einer nicht all zu fernen Zukunft schuftet sich Bahe jeden Tag ab, um seine Familie unterstützen zu können, die unter enormen Schulden leidet. Doch Monate nach dem Schulabbruch muss Bahe sich eingestehen, dass er an seine Grenzen gelangt ist. In...