Kapitel 64 - Renn, Zahnstocher! Renn! - Teil 3

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Bahe lief der Schweiß inzwischen in Strömen vom Gesicht. Tief nach Luft schnaubend nahm er den letzten Pfeil zur Hand, legte ihn an und feuerte ihn ab.

Er traf gerade noch den Bereich der Zielscheibe, der als Erfolg für die Tutorialmission gewertet wurde. Seufzend ließ er den Bogen sinken. Seine Arme zitterten mittlerweile einfach zu sehr, als dass er noch eine gute Treffsicherheit aufweisen konnte.

Die Arme ausschüttelnd ging er rüber zur Zielscheibe, um die Pfeile das vorletzte Mal einzusammeln. Wenn er bei der nächsten Einheit jedes Mal treffen würde, hätte er das verdammte Tutorial endlich bestanden.

„Du schaffst es!"

„Was für ein Vollidiot..."

„Gib nicht auf!"

„Wie viele Schüsse brauchst du noch?"

„Willst du bei uns einsteigen? Hart arbeitende Leute braucht unsere Gilde immer!"

Unzählige Schreie schallten zu ihm herüber, während er die Pfeile aus der Zielscheibe zog. Am Anfang hatte er die ganzen Leute gar nicht bemerkt. Erst bei letzten zweihundert Schüssen war ihm klar geworden, wie viele Zuschauer sich inzwischen angesammelt hatten.

Manche hatten nur kurz zugesehen und waren wieder gegangen, andere feuerten ihn die ganze Zeit ununterbrochen an.

Selbst das Angebot einer Gilde beizutreten wurde ihm in regelmäßigen Abständen zugerufen...

Nur weil er so lange das Gleiche tat?

Hatten diese Verrückten kein Leben?

Welcher halbwegs normale Mensch sah einem Spieler bei so einer stumpfsinnigen Aktion mehr als fünf Minuten am Stück zu?

Bahe konnte sich wahrhaftig keinen Reim auf all die Schaulustigen machen...

Zwischenzeitlich hatte er sogar überlegt, ob es sich bei all den Zuschauern vielleicht nur um NPCs handelte. Doch beim Anblick all der Spielergürtel hatte er die Idee schnell wieder verworfen.

Idioten gab es scheinbar überall. Es brachte nichts, sich weiter darüber Gedanken zu machen.

Eigentlich hatte er zwar weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen, aber er sah nicht ein, nur wegen diesem bekloppten Menschenauflauf, extra seinen Trainingsplatz zu wechseln.

Wieder an seinem Platz angekommen, konzentrierte er sich und blendete alle Geräusche aus. Langsam ein und aus atmend legte er einen der letzten zwanzig Pfeile an und schoss.

Treffer!

„Woooooo!"

„Weiter so!"

„Den Nächst..."

Pfeifen und Geschrei verfolgte inzwischen einen jeden seiner Treffer und rissen ihn kurzzeitig aus seiner Konzentration, ehe alle Geräusche erneut in den Hintergrund traten und Bahe nur noch den Laut seiner Atmung vernahm.

Es war ein seltsames Gefühl, die gleiche Aktion so unglaublich lange zu wiederholen. Er war erschöpft und hatte schon mehrere Pausen einlegen müssen, aber er war tatsächlich besser geworden!

Er bemerkte mittlerweile wie kleine Abweichungen in seiner Haltung das Gesamtergebnis beeinflussten. Wie ein krummer Rücken dafür sorgte, dass er besonders anfällig für einen Gleichgewichtsverlust war. Wie die kleinsten Bewegungen seiner Arme die Richtung der Pfeile störten. Sogar seine Atmung und die Ausdehnung des eigenen Brustkorbs beeinflussten seine Zielsicherheit...

Früher wäre ihm nie die Idee gekommen, dass solche Dinge tatsächlich eine Rolle spielen konnten...

Letztlich folgten die restlichen neunzehn Pfeile dem Ersten und fanden alle ihr Ziel.

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt