Kaiwen stieg erschöpft aus dem Aufzug und betrat das Großraumbüro des Senders, das in letzter Zeit zu ihrem zweiten zu Hause geworden war. Der Raum wurde nur noch stellenweise von den Visualisierungsflächen der letzten Angestellten erleuchtet und verbreitete im Halbdunkeln eine eher triste Stimmung.
Kaiwen legte die letzten Meter zu ihrem Tisch zurück und ließ sich mit einem müden Stöhnen auf ihrem Bürostuhl nieder. Der ganze Tag war umsonst gewesen. Die ursprünglich viel versprechende Story hatte sich nur als plumpe Spinnerei heraus gestellt. Mit der langen Zugfahrt, hin und zurück, hatte sie den ganzen Tag verschwendet. Dabei brauchte sie dringend einen neuen Hit, um ihren wackelig gewordenen Job zu behalten.
PG, war einer der fünf beliebtesten Fernseh-Sender, die sich inzwischen fast ausschließlich mit Computerspielen und deren professionellen Spielern auseinandersetzten. Alle fünf Sender hatten extrem hohe Auswahlkriterien und ignorierten Berufsanfänger üblicherweise. In den meisten Fällen hatte man bei den Sendern frühestens mit fünf Jahren Berufserfahrung eine Chance und die wenigen Plätze die es gab, waren hart umkämpft.
In ihrem Bestreben, sich den Traum zu erfüllen und über die zukünftigen Progamer der beliebtesten Computerspiele berichten zu dürfen, hatte sie etwas Wahnwitziges gewagt und PG ein mögliches Interview mit Li Juan unter die Nase gehalten hatte, sofern der Sender sie einstellte.
Juan war eine Studienkollegin von ihr gewesen, die inzwischen in der Model- und Fernsehbranche Fuß gefasst hatte und in der neusten Realverfilmung des Computerspiels Ret Streets eine Hauptrolle übernehmen würde. Zu Kaiwens großer Freude, hatte sie ihr den Gefallen getan und alle Interview-Angebote ausgeschlagen – mit Ausnahme Kaiwens natürlich.
PG gefiel doch tatsächlich ihre Kaltschnäutzigkeit und hatte sie als Journalistin fest angestellt. Seit ihrer Anstellung waren inzwischen jedoch zwei Monate vergangen und sie hatte keine große neue Story an Land ziehen können.
Angespannt fuhr sie sich mit den Händen über die Augen und schaltete ihren PC ein. Ihr blieb nichts anderes übrig, als in allen möglichen Foren nach etwas Besonderem Ausschau zu halten.
Nachdem sie zwanzig Minuten später immer noch nichts gefunden hatte, öffnete sie resigniert die Dreamworld-Foren, in dem Gedanken danach Schluss zu machen. Doch wer hätte gedacht, dass sie sich vor neuen Threads über die Auktion des Anael-Accounts kaum noch retten konnte!
Verblüfft wühlte sie sich durch die Forenbeiträge und kam schließlich zu dem Schluss, dass sich noch kein Journalist intensiver mit dem Spieler hinter dem Account auseinander gesetzt hatte. Dabei war der Avatar bereits vor mehreren Stunden versteigert worden! Manche Foren-User verlangten sogar explizit nach einen Interview mit dem Spieler und seinen Beweggrund so plötzlich wieder aufzutauchen und den kompletten Account zu verkaufen.
Fieberhaft suchte Kaiwen die Telefonnummer des Spielers im Auktionshaus, musste jedoch feststellen, dass der Account bereits gelöscht war.
„Mist!"
Kurz überlegte sie, ob es die Story wert war, den letzten Gefallen bei ihrem Kontakt in der Herstellungsfirma von Dreamworld einzufordern, entschied sich aber schließlich dafür und wählte sofort die Nummer.
„Wartungsabteilung, Ma Ming Kong am Apparat, was kann ich für Sie tun?"
„Hey Ming Kong, ich bins, Kaiwen-"
„Oh man, ich sehe es schon kommen, was willst du Kaiwen?", wurde sie von einer genervten Stimme unterbrochen.
„Suche mir bitte die Telefon-Nr. vom Spieler des Anael-Accounts raus."
DU LIEST GERADE
Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2
FantasiIn einer nicht all zu fernen Zukunft schuftet sich Bahe jeden Tag ab, um seine Familie unterstützen zu können, die unter enormen Schulden leidet. Doch Monate nach dem Schulabbruch muss Bahe sich eingestehen, dass er an seine Grenzen gelangt ist. In...