„Leute, wenn ihr eine Idee habt, wie wir lebend von hier entkommen können, wäre ich euch sehr dankbar!", wandte sich Bahe hektisch an seine Elementare.
„Dir ist schon klar, dass wir keine Götter sind?", entgegnete Limona auf ihre schnippische Art.
„Gegen das... was kommt... können wir nichts tun...", bemerkte Brocken. „Aber wir können dich... durch die Territorien der Waldbewohner führen... wenn du vorsichtig bist..."
„Das wäre wunderbar", hellte sich Bahes Mine schlagartig auf, der gar nicht damit gerechnet hatte, dass seine Elementare mal nützlich sein konnten.
„Brocken, du darfst es ihm nicht immer zu leicht machen!", beschwerte sich Limona bei ihrem Kameraden.
„Aber ich darf Balu behalten", sagte Brocken bestimmt. „Dafür muss... ich mich bedanken."
„Wie du meinst...", murmelte Limona griesgrämig, zuckte aber beim nächsten Krachen der gewaltigen Schritte im Lungagebirge zusammen.
„Scheinbar wird es höchste Zeit von hier zu verschwinden!", hatte sie es plötzlich selbst äußerst eilig die Lichtung zu verlassen, war jedoch sehr darum bemüht sich ihre Panik nicht anmerken zu lassen.
Bahe musste sich an dieser Stelle sein Grinsen verkneifen. Es fehlte noch, dass Limona seine Gedanken bemerkte und sich aus Trotz querstellte.
„Los Balu!", gab sie dem Bergbären ein Kommando und sorgte dafür, dass er eiligst von der Lichtung trabte.
Der holprige Ritt tat Bahe immer noch weh, aber die Heilsalbe hatte allmählich ihre Wirkung entfaltet. Mit einen kurzen Check seines Charakterprofils hatte er sehen können, dass sich sein Verletzungsstatus von schwer und verkrüppelt auf moderat und erschöpft gewandelt hatte.
Bevor er in Waldenstadt zum Marktplatz aufgebrochen war, hatte er vorsichtshalber noch seine Wildwurzelkaninchen verkauft und den Erlös samt seines restlichen Vermögens in Notversorgung für seinen Jagdausflug gesteckt. Die Heilsalbe, sowie die Verbände hatten ihn ein Vermögen gekostet. Die Hälfte seines ganzen Besitzes war allein für die Heilsalbe drauf gegangen. Und von der anderen Hälfte hatte er sich noch die Verbände kaufen müssen. Viel war nicht übrig geblieben.
Bahe war klar gewesen, dass Heiltränke noch um ein Vielfaches teurer waren, aber als er dann die Preise gesehen hatte, waren ihm fast die Augen ausgefallen. Zehn Goldmünzen pro Trank überstiegen bei weitem seine Möglichkeiten.
Vorsichtig versuchte er sein Bein zu bewegen und konnte feststellen, dass es spürbar leichter wurde, es schmerzfrei zu strecken oder zu beugen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde er wieder problemlos laufen können.
Die Heilsalbe war also nicht vollends nutzlos. Allerdings war sie für eine Kampfsituation eigentlich vollkommen ungeeignet, da der Heilungsprozess viel zu lange brauchte. Für Erkundungen und kleinere Verletzungen war sie hingegen definitiv die bessere Alternative als ein teurer Trank.
Bahe seufzte. Er hatte so viel Geld ausgegeben und nur ein Artefakt des Ranges Gewöhnlich erbeutet. Waren seine Fähigkeiten wirklich so eingerostet?
Vielleicht...
Andererseits... war er jetzt nicht Level 2?
„He he...", amüsierte er sich begeistert über seinen Zuwachs an Erfahrung.
Egal, wie viele Attributpunkte er ohne Levelaufstieg sammeln konnte, es kam einfach nicht mit der Genugtuung gleich, die man beim Levelaufstieg empfand...
Weit oben, an den ersten großen Hängen des Lungagebirges, hallte das Krachen einer gewaltigen Kreatur zwischen den Klippen und den scharfkantigen Felswänden wieder. Der Wind heulte lautstark über das massive Gestein, während die ersten Regentropfen auf den Fels gepeitscht wurden. Der Untergrund und die Bedingungen waren hier so hart, dass sich nur vereinzelt Pflanzen in dieses Terrain vorgewagt hatten.
Doch an einer Klippe, inmitten dieser trostlosen Landschaft, wuchsen plötzlich mehrere Auswüchse eines Dornenstrauchs empor, ehe sie sich oben angekommen verdichteten und nach und nach zu einer Gestalt verschmolzen.
Der Kopf der Gestalt neigte sich gen Tal, in dem ein junger Spieler zwischen einer Vielzahl von Leichnamen auf einem Bergbärenjungen saß.
Es dauerte kaum ein paar Sekunden, ehe eine weitere Fähigkeit Sins dafür sorgte, dass Sin sich ein genaueres Bild von der Sachlage machen konnte.
Als Sin den leblosen Körper einer Granitfelsspinne entdeckte, zitterte Sin vor unterdrückter Wut.
Wegen diesem Idioten war alles schief gelaufen!
Die Spinnenkreatur dort unten war gerade mal ein paar Wochen alt gewesen! Sin hatte sich noch gefreut, als das einzige Jungtier des erwachsenen Exemplars auf spielerische Entdeckungstour ging, da Sin sich so besser in das Nest der Granitfelsspinne hineinschleichen konnte. Doch was passierte?
Irgendwelche Idioten hatten es tatsächlich gewagt dieses Jungtier zu töten?!
Sin war gerade auf halben Weg zu den Schätzen im Nest gewesen, als das gigantische Muttertier vollkommen panisch aus dem Schlaf geschreckt war! Und wen hatte das Viech zuerst entdeckt?
Sin natürlich!
Die ausgewachsene Granitfelsspinne besaß irgendein Level in den dreistelligen Zahlen. Es war einzig Sins ungewöhnlicher Berufsklasse zu verdanken, dass Sin entkommen war. Wobei selbst dies einem Wunder glich. Das über hundert Meter große Muttertier war mit solcher Wucht aus der Nesthöhle gestürmt, dass die massive Felsendecke eingebrochen war und sämtliche Artefakte, inklusive Sin, unter sich begrub.
Ohne Sins besonderen Fähigkeiten wäre jeder andere Person hoffnungslos zermalmt worden!
Nachdem Sin unter den Felsbrocken begraben wurde, hatte sich die Spinne glücklicherweise dazu entschieden nicht länger an Ort und Stelle zu verweilen und Sin so die Möglichkeit gegeben zu entkommen.
Mittlerweile entfernte sich das Geräusch der krachenden Schritte zunehmend von Sin. Das Ziel der Granitfelsspinne war klar. Sie würde sehr bald unten im Tal ankommen.
Währenddessen beobachtete Sin wie der junge Spieler mitsamt seines Bergbärenjungtiers im Wald verschwand.
Sin schnaubte nur verächtlich. Als ob sich der Typ mit solch einem niedrig Level Pet durch Level 20 und Level 30 Monstergründe schlagen könnte...
Geschweige denn schnell genug!
Trotzdem! Ein Tod durch die Spinne war nicht genug, um Sins Rachedurst zu stillen!
Sin war zwar mit dem Leben davon gekommen, aber die Artefakte hatte Sin nicht unter den Felsen bergen können...
Wochenlange Arbeit und alles umsonst...
Sin konzentrierte sich schnell und murmelte: „Blattmarker."
Zur gleichen Zeit, spross tief unten im Tal, plötzlich ein Kletten-Labkraut aus dem Waldboden hervor. Der Bergbär streifte es mitsamt seines Spielers im vorbei traben und ohne bemerkt zu werden, blieb ein Blatt der Klettpflanze am Hosenbein des jungen Spielers hängen.
Wenig später verschwanden der Bergbär und sein Spieler aus der Reichweite Sins magischer Sicht.
Sin grinste nur abfällig.
„Hab ich dich."
Dann löste sich Sins Gestalt wieder in einzelne Stränge eines Dornengestrüpps auf, welches sich ein Weg durch die unwirtliche Berglandschaft bahnte.
Sin dachte gar nicht daran sich zu beeilen. Bislang hatte es noch kein Ziel gegeben, welches Sin entkommen war.
Hoffentlich gefiel euch der Teil. Bis Sonntag ;)
LG RiBBoN
DU LIEST GERADE
Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2
FantasyIn einer nicht all zu fernen Zukunft schuftet sich Bahe jeden Tag ab, um seine Familie unterstützen zu können, die unter enormen Schulden leidet. Doch Monate nach dem Schulabbruch muss Bahe sich eingestehen, dass er an seine Grenzen gelangt ist. In...