Kapitel 80 - Veraltete Technik - Teil 4

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Mehrere Stunden zuvor genoss es Bei En Rui richtig, als sich die Aufzugstüren schlossen und er nicht länger gezwungen war die Maskerade aufrecht zu erhalten.

Sein so oft geübtes Engelslächeln wandelte er schadenfroh zu einem spöttischen Grinsen um und beobachtete zufrieden, wie sich die Haltung des Jungen gleich versteifte. Was die körperliche Präsenz doch für eine Macht in einer Auseinandersetzung hatte...

„Du hast heute einen Fehler begangen, Bahe", sagte er ernst und verlieh seiner Aussage zudem noch einen bedrohlichen Unterton.

Die Wirkung zeigte sich schlagartig. Der Junge war so verunsichert, dass er sogar unbewusst einen Schritt vor ihm zurück wich.

„Ich... ich weiß nicht wovon Sie sprechen", rang der Jugendliche sichtlich mit den Worten.

Amüsiert machte En Rui daraufhin zwei Schritte auf den jungen Ausländer zu und baute sich groß auf, ehe er nicht minder bedrohlich als zuvor sagte: „Glaubst du wirklich, dass du es dir noch länger erlauben kannst, dich so zu verhalten?"

„Weswegen denn nicht?", fragte der Junge mit einem letzten Rest von Willenskraft. „Weil Sie sonst meine Familie bedrohen?"

„Hehe", gab Bei En Rui von sich und meinte kopfschüttelnd: „Was redest du denn da? Sowas würde ich doch nie tun. Unfälle passieren täglich, darauf hat niemand einen Einfluss. Falls sowas jemals deiner Familie zustoßen sollte, musst du mir versprechen, dass du stark bleibst und nicht dir selbst die Schuld gibst, in Ordnung?"

Ein Grinsen umspielte seine Lippen während der ganzen Zeit, da er sich sehr wohl bewusst war, wie die Leichtfertigkeit seiner Worte verstanden werden konnte.

Letztlich kam es im Leben immer nur auf Geld, Status und Beziehungen an. Geld allein war noch nicht Macht. Macht entstand durch alle drei Dinge zusammen. Knöpfe die man drücken konnte, um jemanden springen zu lassen. Entweder naive Idioten, die sich als Freunde verstanden und die man ausnutzen konnte oder Personen in hohen Positionen, deren schmutzigen Geheimnisse man kannte.

Ohne sich die Hände dreckig zu machen, kam keiner nach ganz oben. Aber da wollte er nun mal hin, dass hatte er sich geschworen.

Dieser lächerliche kleine Ausländer hatte ihm mit der Geschichte um seine verzweifelte Familie schon genug Schwierigkeiten bereitet. Es wurde Zeit diesen Wurm in seine Schranken zu verweisen.

Der Junge rang sichtlich mit sich und En Rui konnte all den Zorn erkennen, den er zu unterdrücken versuchte. Wie leicht der Ausländer einfach zu lesen war...

„Ziemlich schwach, findet Ihr nicht?", warf der junge Ausländer ihm schließlich vor.

„Oh?", zog En Rui überrascht die Augenbrauen hoch, sollte das etwa ein letztes Aufbäumen werden?

„Fühlt Ihr Euch wirklich so überlegen?", spie der Junge ihm kurz danach entgegen, offensichtlich darum bemüht, seinen Mut nicht zu verlieren. „Es sieht eher so aus, als ob Ihr Euch nicht einmal traut mir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen! Ihr versteckt Euch hinter diesem Anwaltstitel, obwohl Ihr so viel älter seid und blickt auf mich herab, nur weil das Schicksal es besser mit Euch meinte. Doch was ist hinter dieser Fassade? Ein kleiner Wicht, der Angst hat, sich mit einem fünfzehn Jahre jüngeren Jugendlichen anzulegen? Nur, weil dieser im schlimmsten Fall Eure Schauspielerei aufdecken könnte? Seid Ihr wirklich so feige?"

„Ha...", keuchte der Junge keinen Augenblick später, während er vornüber zusammen klappte.

Nur mit Mühe riss sich En Rui wieder zusammen und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, während er seine andere, zur Faust geballte Hand aus der Magengrube des Jungens löste. Wie konnte dieser Bastard es wagen!

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt