Kapitel 47 - Der Plan - Teil 1

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Genervt verfluchte er die Enge der U-Bahn. Wie er es hasste ein jeden Morgen in dem Gedränge zur Arbeit zu fahren. Sitzplätze waren ein Luxus, die er vielleicht einmal im Monat sein eigen nennen konnte. Meistens beschenkten ihn die Himmel aber eher mit bescheidenem Glück.

So auch heute, was zur Folge hatte, dass er dicht an dicht mit den anderen morgendlichen Pendlern in der Bahn stand. Wie üblich hatte er nicht mal genug Platz, um sich an seinem Rücken zu kratzen, geschweige denn sich irgendwo festzuhalten. Wobei ein Festhalten sowieso sinnlos war, es bestand schließlich überhaupt keine Möglichkeit in irgendeine Richtung umzufallen.

Da er noch zwanzig Minuten in der Bahn zu verweilen hatte, schweiften seine Gedanken mit der Zeit nahezu zwangsläufig ab.

Betrübt dachte er an seine Frau und den Zettel, den er gestern bei seiner Lunchbox gefunden hatte. Morgen war es so weit, dass sie mit ihm sprechen wollte. Der dämliche Privatdetektiv hatte ihm die Ergebnisse auch für morgen versprochen. Han Ning konnte nicht anders als innerlich zu seufzen. War er eigentlich wirklich bereit die Wahrheit zu erfahren? Er machte sich keine Illusionen, aber natürlich fragte er sich ständig, was wenn sie doch keine Affäre hatte?

Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt und mehr als ein Jahrzehnt des Ehelebens ließen sich nicht einfach so vergessen...

Und trotzdem... Morgen dann wirklich vor vollendeten Tatsachen zu stehen... Von Unbehagen im Anbetracht dieser Erwartungen zu sprechen, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts.

Wann war es eigentlich passiert, dass sie sich so auseinander gelebt hatten? Hatte er etwas falsch gemacht? Wahrscheinlich fragte sich das jeder Mann...

Wütend versuchte er seinen Hass auf seine untreue Ehefrau aufrecht zu erhalten. Sie war es schließlich gewesen, die die augenscheinlich einfache Lösung gesucht hatte. Sich einen Liebhaber zu angeln, war für sie mit Sicherheit nicht schwer gewesen. Dafür sah sie einfach zu gut aus, musste Han Ning zähneknirschend zugeben.

Pah, schüttelte Han Ning den Kopf. Früher war er noch stolz darauf gewesen solch ein Glück gehabt zu haben.

Und während sich dieser schleichende Prozess abzeichnete, ackerte er auf der Arbeit... Seitdem Bei En Rui ihm das Leben zur Hölle machte, hatte er zunehmend mehr Zeit im Büro investieren müssen. War das der Grund? Hätte sie ihm nicht einfach sagen können, dass er sich mehr Zeit für die Familie nehmen sollte?

Morgen Abend würde er erfahren was Sache war... Irgendwie war er erleichtert und zugleich vollkommen niedergeschlagen...

Arg... Seine Gedanken drehten sich nur im Kreis.

Angewidert verzog er das Gesicht und suchte nach einer Ablenkung. Der Junge... ja, dieser ausländische Junge von gestern. Das war doch ein gutes Thema!

Zur Selbstbestätigung nickend, wanderten seine Gedanken zu der gestrigen Begegnung in Dazu. Er erinnerte sich noch genau, mit welcher Kreativität er vor den Schlägern gerettet worden war. Im Gespräch hatte der Junge ihm viel offenbart. Wenn jemand niedergeschlagen sein konnte, dann doch wohl dieser arme Kerl und seine Familie.

Er hatte ihm wirklich helfen wollen, auf die Schnelle aber schlicht weg keine Idee gehabt. Die anschließende Verzweiflung des Jungen war so offensichtlich gewesen... Erst hatte er ihm hinterher rennen wollen, es im Nachhinein dann aber doch gelassen. Was hätte er schon sagen können?

Die ganze Rückfahrt hatte er fieberhaft nach einer Lösung für die Probleme des Jungen gesucht und doch war ihm nichts eingefallen. Es gab einfach keinen legalen Weg etwas zu unternehmen, wenn die Eigentümer selbst sämtliche Rechte bezüglich der Verkaufsbedingungen abgab.

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt