Kapitel 68 - Wahnwitz - Teil 1

415 62 1
                                    

„Also ich bin für einen strategischen Rückzug", durchbrach Bewen mit seiner dümmlichen Leichtfertigkeit die Stille.

„Dir hat man doch ins Hirn geschissen oder? Wir sind hier im Tutorial!", regte sich Nolen sofort wieder auf. „Wie oft sollen wir noch daran scheitern?"

„Aber es stimmt schon", meinte Tera. „Allein der Vielfraßgigant war schon heftig. Was soll denn da sonst noch kommen?"

„Hört sich nach Wölfen an", vermutete Bahe, als das Geheule erneut durch die Festung schallte. „Und der Ausbilder hat ja gesagt, dass der Schwierigkeitsgrad erhöht wurde."

„Hey, stimmt ja! Wo sind diese verblödeten Zwillinge?", klatschte sich Bewen eine Hand vor die Stirn, als sei ihm soeben die Erkenntnis des Jahrhunderts gekommen.

Tera und Bahe schauten sich nur stumm an. Musste ausgerechnet Bewen von Verblödung sprechen?

„Vermutlich verreckt", zuckte Nolen mit der Schulter. „Die Beiden waren die Ersten, die Reißaus genommen haben, als diese Luchskreatur aufgetaucht ist."

„Apropos Luchs! Danach der Bär, dann der Vielfraß und jetzt die Wölfe, das sind die großen Raubtiere Europas", erklärte Bewen enthusiastisch.

„Woher weißt du denn sowas?", fragte Tera mit hochgezogenen Brauen.

„Auf was spielst du an?", argwöhnte Bewen.

„Nun... du siehst einfach nicht wie jemand aus, der sowas weiß."

„Hey, hältst du mich für dumm oder was?", ereiferte sich Bewen.

„Nicht nur ich", zwinkerte Tera ihm nur verschlagen zu und wandte sich ab.

„Nolen, könntest du ihr bitte erklären, dass dem mit Sicherheit nicht so ist?", wandte sich Bewen an seinen Freund.

„Ich kann ihr nur zustimmen."

„Haha, das ist mein Kumpel. Da hörst du... Hey, was?!", begann Bewen siegessicher, ehe er fassungslos Nolen anschaute.

„Anael, mein Freund, du stehst doch sicherlich auf meiner Seite, nicht wahr?", sprach er Bahe hoffnungsvoll an.

Bahe grinste nur über Bewens Gehabe und sagte: „Wenn Bewen mit seiner Vermutung recht hat, dann sollten die Wölfe die letzte Angriffswelle sein. Besser wir überlegen uns, wie wir uns gegen sie erwehren können."

„Ach, kommt schon!" regte sich Bewen auf und stiefelte missgelaunt zum Kadaver des Vielfraßgiganten, um daran seinem angestauten Frust auszulassen.

„Die Gänge des Labyrinths bieten keinerlei Deckung", meinte Tera. „Besser wir bleiben hier."

„Ich sehe das genauso", schloss sich Nolen an. „Wir könnten uns in einem dieser Festungsverschläge verschanzen. Die Löcher bieten ideale Möglichkeiten Pfeile aus der Deckung heraus abzuschießen oder mit unseren Speeren zuzustoßen."

„Hört sich gut an", nickte Bahe. „Fragt sich nur welchen Verschlag wir nehmen..."

„Haha! Da hast du's du verfickter Vielfraß!", zog Bewen plötzlich wieder die Aufmerksam auf sich, als er wie wahnsinnig geworden auf den Körper des Vielfraßgiganten einstach und äußerst merkwürdige Laute von sich gab. „Ey, ey, ey, ey, ey!"

Irgendwie erinnerte es stark an eine Szene aus einem schlechten Kong Fu-Film, in der ein Hauptcharakter gerade die Speerkunst erlernen sollte...

„...", etwas verstört schauten Bahe und Tera auf Nolens Kumpel, der seinem Verhalten gerade die Krone aufsetzte.

„Bitte, sagt nichts...", meinte Nolen nur peinlich berührt.

„..."

„..."

„Ok... das macht es auch nicht besser...", gab Nolen zu.

Ein Heulen, dass plötzlich sehr viel näher klang, riss ihre Gedanken abrupt von diesem Spektakel los.

„Wir sollten uns beeilen", rief Tera leicht panisch und zeigte auf einen Verschlag, der sich noch im halbwegs akzeptablen Zustand befand. „Der da sieht gut aus."

„Ja, nichts wie hin!", stimmte Nolen zu und Bahe folgte.

Hastig legten sie die zwanzig Meter zurück und stürmten in den Festungsverschlag. Mit ein paar schnellen Tritten schoben sie den gröbsten Schutt hinaus, um sich einen sicheren Stand zu schaffen und bemühten sich anschließend darum die alte Holztür zu schließen.

„Verdammt, dieses Ding klemmt", ächzte Tera und Bahe kam ihr sogleich zur Hilfe.

„Wo ist Bewen?", fragte Nolen verwirrt und gemeinsam schauten sie zum Kadaver des Vielfraßgiganten, an dem Bewen noch immer seine Wut ausließ.

„Du Vollidiot! Beweg deinen Arsch gefälligst hier rein, bevor die Wölfe dich zerfleischen. Ich werde das Tutorial kein weiteres Mal mehr mit dir absolvieren, wenn du wegen deiner eigenen Blödheit verreckst!", schrie Nolen aus Leibeskräften.

„Hä, was?", kam Bewen zu sich, ehe er plötzlich kreidebleich wurde und die Beine in die Hand nahm.

Mit wütendem Gekläffe und Geheule kamen fast im gleichen Moment die ersten Wölfe auf die Freifläche der Festung gerannt und Tera rief panisch: „Wir müssen diese Tür zu kriegen!"

„Oh scheiße, fast vergessen", fluchte Bahe diesmal und Nolen und er beeilten sich es ihr gleich zu tun und an der Tür zu ziehen.

Die Scharniere waren verrostet und es kostete sie ihre gesamten Kraftreserven die Tür nach und nach ein Stück zu bewegen. Als sie die Hälfte geschafft hatten, sprang Bewen herein und rief panisch: „Worauf wartet ihr noch? Macht die Tür zu!"

„Ich schwöre dir, irgendwann bringst du uns mit deinem Schwachsinn noch um!", brachte Nolen seine Wut zum Ausdruck, während Bahe die Tür mit Stößen seiner Schulter schloss und erleichtert aufatmete.

Keine Sekunde später krachte etwas dumpf von außen gegen die Tür und wütendes Knurren war zu vernehmen. Die Tür hatte sich glatt wieder einen Spalt geöffnet und Bahe warf sich schnell ein weiteres Mal mit Wucht dagegen, um den Wölfen keinerlei Möglichkeiten zu geben ins Innere zu kommen.

„Legt schon los und schlachtet diese Wölfe ab. Ich kümmere mich um die Tür", sagte Bahe zu den Anderen und musste sogleich dem nächsten Aufprall standhalten.

Nolen und Tera nickten und begannen durch die Nischen und kleinen Löcher der Mauern ihre Waffen einzusetzen. Bewen hingegen, stand einfach nur da.

Als Nolen sah, wie sein Kumpel Löcher in die Luft starrte, platzte ihm der Kragen: „Was ist denn jetzt schon wieder los? Hilf uns endlich!"

„Aber ich bin doch so dumm... ich weiß gar nicht wie...", meinte Bewen schlicht und zuckte mit den Schultern, während er ein besonders dümmliches Grinsen aufsetzte und sich auf seinen Speer stützte.

Tera und Nolen waren sprachlos.

Während Bahe, ob der Wahnwitzigkeit ihrer Situation, fast lachen musste. Mit einem Grinsen sagte er schnell: „Aber wir brauchen doch unbedingt ein so weltbewegendes Genie wie dich! Die Beiden haben sich doch nur über dich lustig machen wollen, weil sie neben deiner Intelligenz wie dumme Urzeitmenschen aussehen."

„Ist das wahr?", fragte Bewen mit gespielter Überraschung und hob seine Augenbrauen.

„Selbstverständlich, ich bin der reinste Neandertaler!", nickte Nolen eifrig, während Tera es ihm gleich tat und sagte: „Verzeih uns bitte unsere Unwürdigkeit."

„Haha! Wieso habt ihr das nicht gleich gesagt?", lachte Bewen und sagte mit einem breitem Grinsen. „Keine Sorge, ich verzeihe euch euer beschämendes Verhalten. Worauf warten wir noch! Töten wir ein paar Wölfe!"

„..."

„..."

„..."


Teil 2/3!   Bis Sonntag!

RiBBoN

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 1 + 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt