Kapitel 21

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Starr vor Angst und wie fixiert stehe ich mitten in der Küche und kann mich nicht bewegen. Ein kleines meckern holt mich zurück, erst jetzt bemerke ich wieder das Ben vor mir in seiner Wippe liegt und mich erschrocken anstarrt. Ich muss was unternehmen, nur was mache ich mit Ben, ich schau zu ihm und dann an die Haustür, in der Hoffnung das dieser Knall Einbildung war und Alex gleich die Tür hineinkommt. Es war aber keine Einbildung, es war deutlich zuhören und so deutlich das die Vibration des Knalles bis in mein Körper hineingdrang. Es muss was schreckliches passiert sein, anders kann es nicht sein, mit zittrigen Beinen laufe ich zu Haustür, öffne sie und laufe die Treppen zu Gisela hoch. Mit geballten Fäusten Knall ich immer wieder gegen ihre Tür und rufe ihren Namen, ich habe das Gefühl erhört werden zu müssen, einer muss doch meine Verzweiflung spüren, erschrocken öffnet sie die Tür „du, du musst auf Ben aufpassen, bitte Gisela, ich muss sofort weg, es ist was schreckliches passiert, ich weiß es genau! Irgendwas muss passiert sein, mein Herz Schmerz, irgendwas ist mir heute aus dem Herz entrissen worden! Verstehst du das?" sie versteht mich natürlich nicht, sie versucht mich zu beruhigen und ich kann mich nicht beruhigen, bevor ich mich nicht vergewissern kann, das es Alex gut geht. Ich laufe wieder ihre Treppen runter, sie mir hinterher, während ich mir meine Schuhe anziehe und meine Schlüssel schnappe, Schrei ich ihr fast entgegen „im Schrank ist Milchpulver für Notfälle" und schon sitzt ich in meinem Auto und starte den Motor, es ist nicht weit weg von hier, einmal um die Ecke und dann müsste ich die Kreuzung sehen, wo Alex entlang gefahren ist. Keine vierhundert Meter später und um die Kurve gefahren, sehe ich blaue Lichter, Sirenen, Krankenwagen und die Polizei. Mein Herz bleibt stehen, ich bin stumm und ertrage diesen Schmerz nicht, diesen Anblick nicht. Ich fahre schneller, als ob ich was an der Situation ändern könnte, wenn ich in seiner Nähe bin. Mitten auf der Straße halte ich an, ich reiße Dir Autotür auf und springe aus dem Auto und laufe so schnell ich kann zum Unfall, als ich an dem Krankenwagen vorbei laufe, sehe ich die Trümmer vor mir. Alex sein Auto ist komplett zerstört, überall liegen die Einzelteile seines Autos und Ben seine Windel, von lauter Polizisten, Feuerwehr und Ärzte umzingelt . Ich bleibe plötzlich stehen, meine Beine sind so schwer wie Blei, jeder Schritt übt schmerzen aus, ich stehe da und um mich herum umhüllt in einem Schleier, ich höre dumpfe Stimmen und Geräusche, meine Seele verlässt ihren Körper und schwebt über mir. Ein plötzlicher Knall von der Seite holt mich zurück, meine Stimme  erlangt wieder sein Ton und ich schreie verzweifelt unter Tränen nach Alex. Ich laufe Richtung Wrack und rufe immer wieder seinen Namen, als ich vor dem Auto stehe und sehe wie ein Tuch hochgehalten wird und Ärzte miteinander reden und versuchen ihn zurückzuholen wird mir schlecht, ich spüre eine Hand an meiner Schulter und eine Frau die stop ruft, ich drehe mich zu ihr, die Polizistin sagt was, was ich aber nicht mehr registriere und  meine Beine sacken zusammen. Einige Minuten später öffne ich meine Augen, eine Ärztin steht vor mir und streichelt meine Hand „was ist mit Alex" frag ich sie unter Tränen „er wurde ins Krankenhaus gebracht!" sofort versuche ich aufzustehen, sie drückt mich zurück „ich muss zu ihm" sag ich ihr. Die Ärztin nickt „wir fahren jetzt zusammen hin, die Polizei hat ihr Auto geparkt, sie können so kein Auto fahren!" es ist mir egal wie, aber ich muss einfach zu Alex.

Im Krankenhaus erfahre ich das er Notoperiert wird und das die Lage sehe ernst ist. Ich bin mir aber sicher das er es schafft, er ist stark, ein Kämpfer, er muss es schaffen, ich brauche ihn und vor allem braucht Ben sein Papa. Ich stehe unten im Wartebereich der OP Säle, als plötzlich Alex seine Eltern und Damian auftauchen, keine Ahnung woher sie das wissen, vor lauter Kummer kam mir nicht die Idee Ihnen Bescheid zugeben. Als ich Alex seine Mama sehe, falle ich ihr in die Arme und weine, ich muss so bitterlich weinen aus Angst und Hoffnungslosigkeit. Die Zeit vergeht und keine Nachrichten von Alex seinem Zustand, mich beunruhigt das. Fred der Vater von Alex beruhigt mich, es ist manchmal gut nichts zuhören, sagt er immer wieder um mich zu beruhigen, aber auch ihn selber. Nach drei Stunden verzweifelndem warten, kommt ein Arzt mit gesenktem Kopf zu uns. Warum steht er nicht da mit voller Selbstsicherheit und stolz ein Leben gerettet zuhaben, warum sind seine Blicke nicht freundlich und vermittelt uns nicht, alles ist gut. Weil nichts gut ist, er hat nichts gutes zu übermitteln, seine Körperhaltung ist geknickt und man sieht ihm sofort an, das unser Leben nicht mehr so sein wird wie es war, das ein Loch gegraben wurde und ich hineinfalle ohne Schutz! Der Arzt stellt sich vor uns und sagt einfach nur „wir haben alles uns mögliche gemacht, sein Körper war zu schwach! Wir konnten nichts mehr für ihn machen, es tut mir leid" ein heißer Lava wird über mich ergossen, mein Körper glüht und ich möchte das alles nicht hören, er kann mich nicht im Stich gelassen haben, er darf uns nicht verlassen, das ist ein schrecklicher Albtraum, ja das muss es sein ein schrecklicher Alptraum, bitte rüttel mich einer, schlagt auf mich ein, lasst mich aufwachen von dieser Hölle. Aber es ist kein Traum, das ist pure Realität, mir wurde der Mann genommen, meinem Kind wurde der Vater genommen! Ich spüre Damian seine starke Arme die mein zitternden Körper festhalten, ich höre Corina schluchzen und Fred bitterlich weinen und Damian laufen die Tränen die Wange hinunter. Ich bin verzweifelt und fühle mich hilflos, es ist nichts mehr wie es war und ich, wie soll ich das nur meinem Kind beibringen, der nicht verstehen wird das sein geliebter Papa nicht mehr kommt, wer soll ihn ab sofort beruhigen, er ist doch ein Papakind. Keiner  kann ihn ersetzen, er konnte sein Papa nicht kennenlernen, wer soll ihm die Sachen beibringen die nur Väter können. Ich krall mich an Damian fest und schluchze in seine Schulter rein „wie soll ich das verkraften, ich möchte Alex zurück, was soll Ben ohne ihn?" ja mein armer Ben, der zuhause mit Gisela ist und wartet das sein Papa nachhause kommt, er sollte doch heute eine extra Kuscheleinheit bekommen! Wie soll ich Ben anschauen und ihn trösten das sein Papa nicht mehr kommen wird? Eine Krankenschwester kommt zu uns und fragt nach ob wir was brauchen, das was wir brauchen kann sie uns aber nicht geben, das einzige was wir gewollt hätten wäre Alex, der aber jetzt hier irgendwo liegt und sein Herz beschlossen hat nicht mehr weiter zuschlagen!

Vor einer Stunde haben wir die schreckliche Nachricht erhalten, was trotzdem noch sehr weit weg scheint, ich habe es nicht realisiert, ich kann es nicht realisieren, weil ich es nicht möchte. Ein Arzt kommt und fragt uns ob wir uns von ihm verabschieden wollen, mein Herz bleibt wieder einmal, wie so oft an diesem Tag stehen. Möchte ich ihn sehen und die Vorwarnung des Arztes ignorieren, das er nicht so aussieht wie wir uns das wünschen würden. Ich muss es sogar, ich möchte ihn noch ein letztes mal sehen und ihm ein letztes Mal sagen, das ich ihn liebe und das er ein wundervoller Vater war oder immer sein wird, weil er so viel hinterlässt, was ewig Ben prägen wird.

Vor mir gehen alle anderen erst rein und verabschieden sich, ich möchte als letzte rein, mich innerlich vorbereiten, sofern das geht. Ich öffne die Tür ganz langsam, in dem Raum ist es kalt und ein Dumpfes Licht beherrscht den Raum, Alex liegt auf einem Bett zugedeckt bis zum Hals, als würde er einfach nur schlafen. Ganz langsam laufe ich rein, spuren des Unfalls haben sich in seinem Gesicht eingebrannt, Schrammen, Ergüsse und Narben, sein Anblick zerstört mich, ein Riesen Kloß befestigt sich in meiner Kehle. Mit meiner Hand Streife ich über ein Tuch was  sein Körper umhüllt. Aus dem Tuch schauen seine Finger heraus, was ich ganz vorsichtig berühre, er ist überhaupt nicht kalt, also kann er doch garnicht tot sein! Ich drücke seine Hand und merke wie er langsam steif ist, ich erschrecke mich kurz und ziehe meine Hand  zurück. Ich beuge mich über sein Gesicht und fange an seine Lippen zu küssen, kein druck, keine Bewegung wie sonst, einfach nur Kälte, blaue Lippen die ich fühle. „ich liebe dich sosehr, das ist einfach unfair und viel zu früh! Warum musst du gehen und uns verlassen? Wir brauchen dich, was soll Ben  machen ohne sein Papa? Wie sollen wir das schaffen?" ich  streiche über sein Gesicht, ich fahre mit meinen Fingern durch sein Haar, dann lächele ich ihn an, er soll mit einem guten Gefühl gehen dürfen er soll sich keine Gedanken machen müssen „ich verspreche dir, es wird ihm gut gehen, er wird dich nie vergessen, er wird immer wissen wer sein Vater ist und wie er war! Er wird immer wissen wie sehr du ihn geliebt hast! Vor allem wird er wissen, das du ihn immer beschützen wirst, egal wo du auch sein wirst! Du darfst gehen mein Geliebter, finde dein Frieden und mach dir keine Sorgen um uns, wir schaffen das!" ich küsse ihn und leg mich zu ihm, mein Körper Schlinge ich um seinen, so wie immer, so wie es immer sein sollte, ich brauche ein letztes Mal das Gefühl von Normalität, bevor ich für ewig Abschied nehmen muss.

Ich öffne mitten in der Nacht meine Haustür, gehe in die Wohnung rein, Gisela kommt sofort zu mir, sie weiß natürlich noch nichts „ich Danke dir fürs aufpassen, du kannst ruhig wieder hoch!" sie schaut mich fragend an „wir haben ihn verloren" sage ich mit kühler Stimme. Gisela weint, drückt mich und ich schicke sie hoch, ich möchte alleine sein. Ich gehe an Ben sein Bettchen, hole mein schlafenden Sohn heraus, drücke ihn an mich und gehe mit ihm in mein Bett, er schläft nichtsahnend und ruhig weiter, ich streiche über sein Köpfchen und weine....

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