Wie jeden Tag beobachten Ben und ich diesen merkwürdigen schwarzen Vogel der uns täglich besucht, mittlerweile haben wir ihm sogar Körner besorgt, die er dankend aufpickt! Ben und ich haben ihm schon einen Namen gegeben, eher ich, aber Ben weiß jetzt schon genau wenn ich Peanuts sage, ist unser Vogel gemeint. Warum gerade dieser Name, Peanuts bringt uns immer wieder Erdnüsse vorbei und stellt sie auf dem Tisch der Terrasse ab. Ich vermutet er pickt sie von einer anderen Stelle auf und da er sie nicht mag, schenkt er sie uns. Regelmäßig sind auf unserem Tisch Erdnüsse die ich dann nehme und wegschmeiße, Peanuts muss glauben das ich sie esse, warum sollte er sonst für täglichen Nachschub sorgen.
Während Ben mittags schläft, gehe ich meinem täglichen Reinigungs Ritual durch, irgendwie beruhigt mich das und ich schrubbe täglich meine Wohnung auf Hochglanz, als ich gerade die Schränke vom Staub entferne, klingelt mein Telefon, eine unbekannte Nummer ruft mich an.
Tilla: Wagner
Frau: guten Tag ich bin Frau Sturm von der Allianz Versicherung, spreche ich mit Frau Tilla Wagner?
Tilla: am Apparat!
Frau: hallo Frau Wagner, als erstes möchtet ich im Namen der Versicherung Ihnen unseren Beileid ausrichten.
Tilla: vielen Dank, aber wie kann ich Ihnen weiterhelfen?
Frau: es geht um eine Lebensversicherung
Tilla: Frau Sturm, ich habe kein Interesse an einer Versicherung und es ist wirklich kein guter Zeitpunkt um für sowas anzurufen.
Frau: sie verstehen mich falsch, ich wollte Ihnen keine Versicherung anbieten! Es geht um die Lebensversicherung von Herr Schulz!
Tilla: was für eine Versicherung?
Frau: die Lebensversicherung die er abgeschlossen hat und für die er, sie und ihren Sohn als begünstigter eingetragen lassen hat.
Tilla: ich weiß von keiner Versicherung!
Frau: er hat im letzten Jahr eine Versicherung abgeschlossen, damit sie im Falle seines Todes abgesichert sind.
Tilla: er hat was?
Frau: er hat es Ihnen also nicht gesagt! Wir müssen einiges klären und würden gerne mit Ihnen einen Termin vereinbaren, um Details zu klären.
Tilla: was für Detail?
Frau; das wird Ihnen unser Kollege dann mitteilen! Wann wäre es Ihnen recht?
Tilla: keine Ahnung, ich bin gerade etwas überfordert.
Frau: das verstehe ich und es tut mir auch leid das ich sie gerade überrumpelt habe. Ich schlage vor, mein Kollege ruft sie kurzfristig an, wenn es Ihnen recht ist.
Tilla: von mir aus.
Nach ein paar Details später lege ich auf und starre sprachlos auf mein Handy. Alex hatte eine Lebensversicherung von der ich nichts wusste, warum hat er nie was davon erwähnt? Oder hatte er einfach keine Zeit mehr? Aber warum sagt Frau Sturm er hat es vor einigen Monaten abgeschlossen, Zeit genug hatte er was zu sagen. Ich rufe sofort seine Eltern an um diese zu fragen und ob Alex Ihnen was davon erwähnt hat, nach einem langen Gespräch mit Ihnen, erfahre ich das er mal was erwähnt hat, dass er es vor hat, aber das er es schon abgeschlossen hatte, wussten sie auch nicht! Sein Vater hat nur gesagt „er wollte euch bestimmt absichern, vielleicht hat er irgendwie schon gespürt, das er nicht mehr lange hat". Nach langem überlegen und grübeln, ist mir so einiges klar, seit Monaten war Alex verpicht alles aufzunehmen, für Ben Erinnerungen festzuhalten, diese tausend Bilder, Videos und Briefe die er verfasst hat, alles um nicht vergessen zu werden! Er hat Filme zusammengeschnitten, er hat Ben eine Art Tagebuch gemacht, inclusive Videos von sich mit Ratschlägen an ihn, er sagte immer „es ist ein Spaß" um zu sehen, wie wir und unsere Denkweise sich verändert. Es war kein Spaß, es war eine vorausdenkende Tat, er muss es unbewusst gespürt haben. Ich hätte nie an sowas geglaubt, nie das Menschen es vorher irgendwie erahnen würden, auch jetzt wird mir erst bewusst, dass er mir viel öfter als vorher gesagt hat, das er mich liebt. Ich sagte ihm immer wieder, ich wisse es und ich dachte einfach es liegt an der Tatsache der Geburt von Ben, die uns auf eine wundervolle Art noch enger zusammengeschweißt hat. Ich denke es lag bestimmt auch daran, aber auch daran, das ich es immer in Erinnerung behalten sollte, durch diese Absicherung die er uns ermöglicht, diese finanzielle Sorglosigkeit zeigt einmal mehr, wie sehr er uns geliebt hat. Geld ist nicht wichtig für eine Liebe, aber es vereinfacht die Sorgen die es mit sich trägt! Ich hole mir den Stapel Briefe von ihm von der Kommode und setzte mich an den Esszimmertisch, ein Brief nach dem anderen wird geöffnet, jetzt wird mir erst bewusst, das es so viel gibt um die ich mich kümmern muss. Ich habe den letzten Monat einfach alles schleifen lassen, ich muss Konten und Verträge kündigen, Versicherungen und Mitgliedschaften kündigen. Ich muss zu einem Alltag zurückfinden, ich darf mich nicht verkriechen, ich darf meine Augen nicht verschließen und hoffen das alle Probleme sich in Luft auflösen. Wenn ich es nicht für mich mache, dann für Ben, es wird nicht einfach, es wird Momente geben in denen ich keine Kraft dafür haben werde, aber ich habe keine andere Wahl! Ich fange an herumzutelefonieren und E-Mails zu schreiben, ich begleiche einige Rechnungen von ihm die noch offen waren. Einen kleinen Moment habe ich einfach das Gefühl, seine Sekretärin zu sein, in seinem Namen das zu klären, aber nach jedem Gespräch und die Aufforderung die Sterbeurkunde zu verschicken, weiß ich wieder, wir sprechen über eine leblose und nicht mehr vorhandene Person, die trotzdem noch Pflichten hat.
Irgendwann wird Ben wach und schreit um sein Leben, ich verstehe seine plötzlichen schreiattacken nicht, er war doch sonst nicht so. Ich renne sofort zu ihm, sein Kopf ist feuerrot vom schreien und er beruhigt sich auch nicht nachdem ich ihn hochgehoben habe. Nach langen und verschiedenen versuchen irgendwas zu machen, wird er ruhiger und ist bereit was zu Essen. Ich schaue meinem Sohn an, der total aufgequollene Augen vom weinen hat, ich überlege was hätte Alex gemacht wenn Ben so schreit, er wusste immer sofort eine Lösung und bei ihm hat das beruhigen immer schneller funktioniert als bei mir, es war eine ganz besondere Beziehung zwischen Ihnen. Ben lächelt mich plötzlich an, als könnte er meine Gedanken lesen und mich beruhigen, das ich es auch nicht schlecht mache, nur er manchmal nicht so möchte! Nach seiner Mahlzeit wickele ich meinem Sohn und spiele mit ihm auf seinem Wickeltisch, als er dann weit seinen Mund öffnet ,sehe ich plötzlich was in seinem Mund schimmern. Ich beuge mich hinunter zu ihm und fühle mit einem Finger in seinem Mund und als ich was spitzes fühle, ist mir sofort klar, Ben hat sein erstes Zähnchen bekommen und ist aus diesem Grund die letzten Tage so unleidlich. Ich die Amateurin habe es nicht mitbekommen und habe die ganze Zeit nicht verstanden, warum er ist wie er im Moment ist. Aus diesem Grund sabberte er die letzten Tage viel, manchmal war er warm, hatte aber kein Fieber, er muss wirkliche Schmerzen gehabt haben und ich habe die Anzeichen nicht erkannt, wie Blind muss ich gewesen sein? Ich setzte Ben auf und küsse ihn weil es mir leid tut, er krallt sich in meinen Haaren fest und drückt mein Kopf gegen sich um meine Entschuldigung anzunehmen, zumindest hoffe ich das er sie annimmt. „Wir gehen heute Papa besuchen und erzählen ihm von deinem Zahn" entschließe ich kurzfristig und Ben freut sich, auch wenn er sicher nicht verstanden hat, was ich ihm gesagt habe.
Ich ziehe mich um und dann Ben, zum Friedhof fahren wir sehr oft, ich erzähle dann immer Alex was wir so machen und wie es uns geht, damit er sich keine Sorgen um uns machen muss und er seinem Sohn regelmäßig sieht. Sicher spukt Alex den ganzen Tag um uns herum und beobachtet uns vierundzwanzig Stunden, aber hier fühle ich mich ihm ganz besonders nah. Dick eingemummelt laufen ich mit Ben im Kinderwagen zu Alex an seinen Grab, wie immer haben wir eine Kerze dabei und wie immer bin ich nicht die einzige Personen, die ihn regelmäßig besucht. Seine Eltern kommen fast täglich und immer brennt schon eine Kerze wenn ich dort ankomme. Ich hebe Ben aus seinem Kinderwagen und stell mich mit ihm vors Grab, ich erzähl ihm wie immer, das was er bestimmt gerne hören möchte und ich bedanke mich bei ihm für seine Fürsorge die er uns gegenüber hatte. Ben sein Zahn wird erwähnt und das ich mir sicher bin, das Alex es vorher erkannt hätte. Ich muss immer weinen während ich ihm all das erzähle und keine Antwort erhalte. Es wird kalt und langsam düster, so das wir gehen müssen, dann drehe ich mich noch einmal zu ihm rüber „Alex, Roman hat mich besucht, aber sicher weißt du das schon" sag ich ihm und gehe.
Ben und ich fahren durch die Gegend, irgendwie ist mir nicht nach nachhause fahren, der ganze Tag geht mir durch den Kopf, alles was ich erfahren habe, Alex seine Post und Ben sein erster Zahn. Ben ist mittlerweile hinten eingeschlafen und ich stehe plötzlich vor unserem Haus und weiß nicht wie ich hier angekommen bin. Meine Hände fest angekrallt am Lenkrad und nicht fähig loszulassen, beobachte ich meinem Sohn vom Rückspiegel, wie sich seine Brust auf und ab hebt. Er liegt da harmlos und nicht registrierend wo wir heute waren, für ihn wird es irgendwie immer normal sein seinen Vater am Friedhof zu besuchen, auch wenn Alex was von sich, für ihn hinterlassen hat, wird er niemals erfahren wie sein Vater gerochen hat oder wie sich seine Umarmungen angefühlt haben. Ich spüre wie dieses Gefühl, du musst stark sein für Ben und du musst dich zusammenreißen für Ben, was ich heute Mittag noch zu mir selber eingeschworen hatte mir entgleitet und ich schwach werde, so schwach wie die letzten Tage. Plötzlich klopft es an der Autoscheibe und ich drehe mich erschrocken in die Richtung. Die Autotür geht auf und Roman steht wie aus dem Nichts vor mir, ich schnalle mich ab, steige aus dem Auto aus und schmeiß mich in seine Arme und fange an zu weinen. Er hält mich fest, so feste er kann um mein schluchzen aufzufangen, ich spüre ein streichen über mein Rücken „es tut so weh!" flüstere ich ihm schmerzerfüllt in sein Ohr! Er drückt mich noch fester an sich, seine Hände krallt er in mein Rücken, damit ich ihn besser spüren kann „ich weiß!" sagt er mit sanfter Stimme.
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Hold my hand
FanfictionMan weiß nie wo sich unsere Wege hinführen, nicht wie weit wir gehen können! Man glaubt glücklich zu sein, dass nichts mehr schief gehen kann, aber manchmal ist nichts wie es aussieht! Manchmal verändert sich alles von einer auf die andere Sekunde...