Kapitel 73

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Wir sind zuhause und es gibt gerade nur ein Ben und mich, wir zwei als Familie! Merkwürdig ist diese Zweisamkeit irgendwie schon, monatelang haben nur er und ich existiert und plötzlich fühlt es sich wieder falsch an, alleine zu sein. Keine Nebengeräusche wahrzunehmen, keiner der einem eine Tasse Kaffe bring, eine Tasse Kaffe die genau die perfekte Stärke und Wärme hat. Keine Füße die deine Füße in der Nacht berühren, kein Körper der sich egal wie heiss es draußen ist, an dich schmiegt. Ich habe wenigstens Ben bei mir, wie wird sich Roman fühlen?

Nachher kommt Damian uns besuchen, ich freu mich sehr dadrauf, wenn ich mich mit ihm unterhalte, habe ich oft das Gefühl, mich mit Alex zu unterhalten. Damians klang der Stimme und wie er manche Wörter betont, hört sich genauso an, wie bei Alex. Oft schließe ich meine Augen und höre seinen Worten zu, für einige Sekunden ist mir Alex sehr nah! Und immer wieder, auch wie glücklich ich gerade bin, auch wenn ich rundum zufrieden mit allem um mich herum bin, eins kommt immer wieder, dieses Gefühl des vermissens und die tiefe Zuneigung die ich für Alex empfinde und die die große Lücke die er in unserem Leben hinterlässt.

Ben versucht zu krabbeln, er hat nun endlich den Drang sich zu bewegen, es reicht ihm nicht mehr aus, auf mich oder jemand anderen angewiesen zu sein. Ich schaue ihm zu, wie er sich auf sich und seinem Körper konzentriert, ich sehe förmlich in seinen Augen, wie er sich  genau überlegt, was er machen möchte. Mein kleiner Mann macht täglich Fortschritte, gefühlt täglich kann er was neues und irgendwie habe ich Angst nur eine Kleinigkeit zu verpassen oder es nicht richtig zu registrieren. Bevor wir nachhause gefahren sind, waren Ben und ich noch schnell einkaufen, da sein Onkel uns später besucht und ich weiß das er meine Lasagne gerne mag, habe ich vor, für uns eine zu machen. Ich stehe in der Küche und bereite alles vor, Ben spielt mit einer Schüssel und einem Kochlöffel die er unbedingt haben wollte. Damian müsste bald kommen und sicher wird er sich über die Lasagne freuen. Kaum ist die Auflaufform im Backofen und ich gerade dabei bin, den Salat zu putzen, klingelt es schon an der Tür und er ist da. Ich öffne ihm die Tür, er drückt mich herzlich und ich freue mich wirklich ihn wiederzusehen. Als Ben nach viel zu langer Zeit sein Onkel sieht, schlägt er vor Freude mit seinem Kochlöffel um sich und knallt ihn sich, direkt auf sein Kopf. Dicke Tränen kullern seine Wangen hinunter, er weint wie eine Sirene, Damian eilt sofort zur Hilfe und ich hole ein Waschlappen um seine Beule zu kühlen. Damian drückt Ben liebevoll an sich, gibt ihm ein Kuss und redet auf ihn ein, Ben weint und manchmal weiß er nicht, ob er weinen oder sich freuen soll, das sein Onkel da ist. Den Waschlappen zur Kühlung möchte er definitiv nicht und regt sich drüber auf, obwohl die Abkühlung gut für ihn wäre, lass ich es einfach sein, damit er sich nicht noch mehr aufregt. Irgendwann schafft es Damian Ben zu beruhigen und endlich können sie sich richtig begrüßen. Auch hat sich mittlerweile der Duft von der Lasagne ausgebreitet und Damian hat es  mir, mit einem zuzwinkern gedankt. Damian und Ben sitzen auf dem Boden und spielen miteinander, während ich unseren Salat vorbereite und den Tisch Decke. Dabei erzähl ich ihm, in richtiger Kurzfassung, über unser Abenteuer im Wohnwagen. Viel möchte Damian auch nicht erfahren, er möchte nur wissen ob es und gut getan hat und ob wir Spaß hatten. Dann erzählt er von seinem Urlaub mit Clara und ihren gewohnten Eskapaden. Bis heute verstehe ich einfach nicht, wie Damian und Clara zusammen sein können, ich verstehe nicht was Damian an Clara findet. Naja, mir steht es auch nicht zu, irgendwas zu hinterfragen oder zu urteilen, irgendwas muss sie haben, was ich nicht sehe oder in ihr entdecken kann! Man weiß nie was hinter einer Fassade steckt und gerade ich weiß doch, Gefühle kann man nicht beeinflussen! Gefühle sind einfach da und warum dagegen ankämpfen, wenn es doch was kostbares ist!

Ich finde Kommunikation während des Kochens oder beim Essen immer sehr angenehmen, viele Genüsse werden vereinbart, das genießen von dem was man isst. Die vielen Gewürze die sich im Mund verteilen, die verschiedenen Konsistenzen, von dem was man im Mund hat, was oft eine Überraschung mit sich bringt. Ich würze meine Gerichte nie gleich, immer wieder liebe ich es, was anderes auszuprobieren. Manchmal wird was neues hinzugefügt oder das nächste mal, weggelassen.
Die Nahrungsaufnahme kann auch dazu führen, das schwierige Themen die man während des Essens führt, manchmal sich nicht mehr so schwierig anfühlen, weil die meisten es doch lieben zu essen und das Thema anders besprochen wird. Ich liebe es total, andere beim Essen zu beobachten, in zufriedene Gesichter zu schauen und wenn man verliebt ist, ist es wieder was besonderes. Dann ist es auch egal  ob das Essen kalt wird oder es schon längst nicht mehr, nur um das Essen geht. Auch Damian und ich unterhalten uns während wir Essen und zwischendrin plappert Ben rein, um wieder die volle Aufmerksamkeit zubekommen.

Damian: Ben hat sich wirklich rasant entwickelt. Wahnsinn was er schon alles kann, ich muss mir mehr Zeit für ihn nehmen.

Tilla: er würde sich bestimmt freuen!

Damian: was habt ihr eigentlich in Dortmund gemacht?

Tilla: in erster Linie Freunde besucht! Ich hatte doch zwei Jahre dort gelebt! Ich habe Ben meine Lieblingsplätze gezeigt! Wir hatten viel Spaß dort.

Damian: es freut mich das du viel unternimmst, auch das es euch besser geht! Du wirkst verändert Tilla, zufriedener!

Tilla: ich habe verstanden, dass es mir gut gehen muss, damit es Ben gut geht! Nur mit einer zufriedenen Mama, kann er sich weiterentwickeln! Ich habe gelernt das Alex das gewollt hätte und dass ich weiter schauen muss, es bringt niemanden was, wenn ich in meiner Trauer versinke! Ich bin verliebt in Ben, ich bin verliebt in das, wie es gerade läuft! Ich kann es nicht ändern, dass mein Alex nicht mehr bei mir ist, also muss ich irgendwie positiv an alles ran gehen. Der erste Schritt mit dem Urlaub hat mir viel gezeigt, das es trotz Trauer, ein Leben danach gibt!

Damian: ich bin beeindruckt von deiner Art
damit umzugehen. Ich wünschte ich könnte auch so denken, aber es fällt mir sehr schwer!

Tilla: mir ist es auch sehr schwer gefallen, es ist ja auch nicht solange her! Aber es gab da ein Moment in meinem Urlaub, da hat mir Alex ein Zeichen gegeben, das ich leben darf und das es okay für ihn ist! In diesem Moment wusste ich, er hat mich losgelassen, damit ich wieder anfange zu leben!

Damian: das hört sich wirklich gut an und ich bin froh, dass du dich befreit fühlst!

Nach dem Essen räumen wir gemeinsam auf und Ben schmeißt was auf den Boden, dabei entsteht ein Kratzer auf dem Boden. Damian versucht den Kratzer wegzubekommen und schafft es mit einer Politur. Dann dreht er sich zu mir und schaut mich an „hast du noch irgendwas, was repariert werden muss oder wobei ich Dir behilflich sein darf?" fragt er mich, ich lächle und antworte ihm.

Tilla: nein, es ist alles in Ordnung!

Damian: wenn mal irgendwas sein sollte, du kannst dich ruhig melden, ich helfe gerne!

Tilla: ich weiß, aber bevor ich dich rufe, wo du schon kaum Zeit hast, gibt es da noch mein Vater, dein Vater oder Handwerker die kommen können!

Damian: Tilla ich möchte das aber, für euch würde ich mir die Zeit nehmen! Alex hätte das gewollt!

Till: Alex wusste immer wie beschäftigt du bist, er würde es verstehen!

Damian: darf ich Dir was sagen?

Tilla: immer!

Damian: nach seinem Tod, ein paar Wochen später dachte ich mir, Ben hat kein Vater mehr, also muss ich diese Rolle einnehmen! Ich dachte mir, trenn dich von Clara und mach das sich Tilla in dich verliebt und Ben hätte irgendwann kein fremden als Vater. Ich könnte sein Vater sein, ich bin der Bruder von seinem Papa, also gibt es da doch kein Unterschied! Aber ich hatte Angst und wusste, du würdest da nicht mitmachen.

Tilla: Ben braucht dich als Onkel und nicht als Vater! Du liebst doch Clara! Außerdem könnte ich mich nicht in dich verlieben, ich liebe dich als Alex sein Bruder, du bist wie ein Bruder für mich. Ich finde es toll wie du die Verantwortung übernehmen möchtest, aber das brauchst du nicht! Keiner braucht das, es geht uns gut und wir werden niemals alleine sein!

Damian: ich weiß, aber der Gedanke dass du dich irgendwann in ein anderen Mann verlieben könntest und Ben bei ihm aufwachsen könnte, macht mich traurig! Natürlich wird es in der Zukunft so kommen, du wirst nicht immer alleine bleiben, es ist dein gutes Recht, aber trotzdem fühlt es sich befremdlich an!

Tilla: und wenn es so kommt, bist du trotzdem sein Onkel und Alex sein Papa, es wird sich niemals ändern.

Damian seine letzten Worte, seine Gedanken sind so zerstörerisch für mich und wieder wird mir bewusst, es wird nicht einfach werden!. Sie werden enttäuscht sein, traurig und schwer damit klar kommen, ich habe Angst davor und trotzdem muss ich an mich, Ben und Roman denken. Wie ich eben schon sagte, nur mit einer glücklichen Mama, kann es meinem Sohn gut gehen!

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