Kapitel 64

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Ben hat die ganze Nacht ziemlich unruhig geschlafen und viel geweint, diesmal konnte ich die Anzeichen besser deuten und wusste, da kommt ein neuer Zahn auf ihn zu. Um sein Fieber zu senken, bekommt er ein Zäpfchen und ich reibe sein Zahnfleisch mit einer Salbe ein, die sein Schmerz lindern soll. Beim einreiben spüre ich schon hinten ein kleinen pikser wo sich sein Zähnchen andeutet. Ben mag ab sechs Uhr nicht mehr schlafen, im Bett herumlungern wollen wir auch nicht, also stehen wir auf um ganz früh in den Tag zu starten. Unser Weg führt erst einmal raus auf die Terrasse, da es noch nicht so warm am frühen Morgen ist, laufe ich mit ihm durch unseren Garten und genießen die Ruhe. Nach einer Weile verspürt Ben Hunger und ich gehe mit ihm in die Küche um sein Fläschchen zuzubereiten, auf dem Küchentisch bemerke ich mein Handy, was ich abends hingelegt hatte und schaue drauf, Roman hat gestern Abend angerufen und er hat mir eine Nachricht geschrieben. Ich lese sie laut vor, weil sie auch an Ben gerichtet ist, eine wohlig, beruhigende Wärme steigt in mir auf, ich hatte das mit Hanna heute Nacht verdrängt, ich wollte eigentlich nichts davon wissen, mit dieser Nachricht zeigt mir Roman, das ich recht hatte
mir keine weiteren Gedanken machen zu müssen.

Guten Morgen ☀️ wir danken dir für deine Nachricht und für deine Worte 🥰🥰 ich wusste gestern schon das ich Dir vertrauen kann und das ich nichts zu befürchten habe! Warum hättest du sonst erwähnt das sie da ist! Wir können uns ein Dasein ohne dich nicht mehr vorstellen, auch du bist was besonderes für uns! Du bist ganz tief in unserem Herzen verankert und wir freuen uns auf viel mehr Zeit mit dir! ❤️❤️Wir sind heute morgen schon zeitig wach, eigentlich haben wir nicht viel geschlafen, ein Zähnchen quält Ben und ich glaube dieser Tag wird eher ein quengeliger Tag. Nach dem Frühstück fahren wir zum Friedhof und dann zu Alex seinen Eltern, heute Mittag überraschen wir Ellen, sie weiß noch nicht dass wir da sind. Vielleicht ruf ich sie einfach auch nur an und sie soll kommen, es kommt auf Ben sein Gemütszustand an. Auf jeden Fall freuen wir uns auf morgen, wenn wir dich Wiedersehen, Ben sucht dich schon die ganze Zeit. Vielleicht kann durch ein Kuss von dir Wunder geschehen und Ben könnte es besser gehen, mir wird es sicher auch gut tun. Wir telefonieren später 😘💕

Ich schick ihm die Nachricht und Ben bekommt sein Frühstück, danach machen wir uns fertig um zu Alex zu fahren.

Es ist immer so, umso näher ich dem Friedhof komme, umso mehr fühle ich eine enge in mir, ich glaube fast dies wird sich nie ändern. Ein Besuch auf dem Friedhof ist immer mit dem Wissen behaftet, egal bei wem es auch sein mag, das man ein Grab besucht, obwohl ich dieses Wort Besuch nicht mit dem Friedhof gerne in Verbindung bringe, da mir kein anderes Wort dafür einfällt, ist es leider ein Besuch, man ist also mit dem Wissen dort, das da jemand liegt, der einen wichtig war und noch ist. Ich hole Ben aus seinem Kindersitz heraus und erzähl ihm „wir gehen jetzt Papa besuchen und er wird bestimmt staunen, wie groß du geworden bist!" ich rede mit Ben die ganze Zeit, bei dem mittlerweile die Mittelchen gegen die Schmerzen helfen und er ruhig ist. Ich rede immer viel auf dem Weg zu Alex seinem Grab, Hauptsache ich registriere nicht die etlichen Gräber um mich herum und die Neuzugänge kann ich überhaupt nicht ertragen, egal wie alt die Verstorbenen sind, sie hinterlassen immer Menschen die trauern und am Boden zerstört sind und ich weiß genau wie sie sich fühlen. Endlich an Alex seinem Grab angekommen, bemerke ich die vielen frischen Blumen und Kerzen die hinterlassen worden sind. Auch sehe ich Nelken die Alex nie mochte, die aber regelmäßig an seinem Grab sind und ich mich nicht traue seiner Familie zu sagen, bitte keine Nelken hinstellen, er hat wie gehasst, weil er sie immer in Verbindung mit dem dem Sterben und des Vergessens brachte. Gestorben ist er, aber vergessen niemals! Ich streiche wie immer als erstes über sein Grabstein, um es vom Staub zu befreien, dann drücke ich wie immer  meine warmen Lippen auf den leblosen Stein. Wie immer setze ich mich auf den Boden und berühre seine Erde und heute möchte Ben das erste mal mit der Erde spielen und er lässt die Erde über seine Finger gleiten, ich lass ihn einfach machen. Aus meiner Tasche hole ich ein paar Muscheln, etwas trockenes Lavendel und eine kleine Flasche, gefüllt mit Sand. Das alles haben wir ihm von unserer Reise mitgebracht, er soll wissen das er immer dabei war, in unserem Herzen und in unseren Gedanken! Ich schau auf die Schrift vom Grab, wo sein Name steht, gehe mit meinem Finger dieser Schrift entlang „du fehlst uns Alex!  Schau wie groß unser Ben geworden ist, er bekommt sein zweites Zähnchen, was ihn ziemlich quält! Aber unser Sonnenschein ist ziemlich tapfer und macht das gut! Ben und ich waren weg, aus diesem Grund konnten wir dich eine Weile nicht besuchen, ich hoffe du bist uns nicht böse. Es war traumhaft, es war entspannend, wir waren auf einem kleinen Bauernhof, wir waren am Meer, wir haben Elche gesehen, wir waren auf einer Fähre, wir waren an verschiedenen Seen und Plätzen. Es war wirklich schön und es war schön Abstand zu gewinnen, von der Trauer. Verstehe mich nicht falsch, wir wollten dich nicht vergessen, haben es auch nicht, nur manchmal haben wir eine Pause gemacht vom nachdenken! Alex, da gibt es noch etwas was ich Dir sagen möchte, Roman war mit uns! Roman hat uns gut getan, er hat uns befreit und er hat uns normal fühlen lassen und Alex,  ich fühle was, was ich gedacht habe nicht mehr fühlen zu können! Ich fühle Geborgenheit, ich fühle Verständnis, ich fühle das ich nicht für alles verantwortlich bin, ich fühle mich als Frau, ich fühle das ich mehr davon haben möchte! Ich fühle auch das da mehr Platz in meinem Herzen ist, du bist nicht verdrängt worden, aber ich fühle du machst ihm Platz! Ich wünschte du wärst bei mir und ich wünschte das ich nur das alles für dich spüren könnte, aber du bist nicht hier und ich weiß, du würdest es wollen. Und nur aus diesem Grund fühl ich mich gut dabei und kann es zulassen und brauch mich nicht schlecht fühlen. Ich werde dich immer lieben und du wirst immer Ben sein Papa sein. Aber bitte wenn du nicht einverstanden bist oder es schmerzhaft für dich ist und ich mich irre, mit meiner Sicherheit das du es in Ordnung finden würdest, Versuch mich zu verstehen!" die letzten Worte sag ich ihm mit einem dicken Kloß im Hals und mit Tränen die mir die Wange herunter kullern. Plötzlich merke ich wie Ben sich an mir hochzieht und das schafft er zum aller erste mal alleine und dann tätschelt er in meinem Gesicht herum, mit seinen Erde verschmierten Fingern. Ich fange an voller stolz ihn abzuknutschen und ich bin glücklich das Alex es auch erleben durfte. Ben und ich bleiben noch lange bei Alex, wir erzählen ihm ab und zu was, manchmal zeigt Ben was er schon alles kann und manchmal erzählt er seinem Papa auch was, manchmal zupfe ich Unkraut was versteckt in einer Ecke wächst und manchmal sind wir still und ich wiege Ben in meinen Armen hin und her, weil er müde wird. Am liebsten würde ich den ganzen Vormittag hier verbringen, aber irgendwann schläft Ben in meinen Armen ein und es wird Zeit sich zu verabschieden, mit dem Versprechen bald wieder zukommen. Außerdem wollten Ben und ich Alex seine Eltern besuchen, worüber ich mich auch schon sehr freue. Sie wissen noch nicht das wir zurück sind und ich bin mir sicher, dass sie erstaunt sein werden wenn sie Ben sehen. Ich fahre kurz zum Floristen um Blumen für Oma Corina zu besorgen.

Wir klingeln an ihrer Haustür und als Fred, Ben sein Opa uns sieht, ruft er sofort Corina an die Tür und Ben erkennt seinen Opa und schmeißt sich in seine Arme. Mich berührt dieses Zusammentreffen sehr und als seine Oma vor Freude und Rührung anfängt zu weinen, ist es um mich geschehen und ich weine mit ihr mit und weiß noch nicht einmal warum. Natürlich muss ich erst einmal alles erzählen und was wir überhaupt gemacht haben und wie es uns ergangen is. Ich erzähle Ihnen fast alles, einige wichtige Details behalte ich für mich, das müssen sie nicht erfahren. Ben wird sofort verwöhnt und geknuddelt, Oma und Opa haben trotz unserer Abwesenheit kleine Dinge für ihn besorgt, damit sie Ben überraschen können. Corina beobachtet Ben und immer wieder höre ich sie sagen „genau wie sein Papa! Alex war als Baby genauso" und wieder merke ich die Wichtigkeit von Ben für sie, dass sie ihn regelmäßig sehen können, um einen kleinen Teil ihres verlorenen Sohnes bei sich haben zu können. Sie fragen mich auch, wann sie Ben wie vor unserer Reise vereinbart, tagsüber nehmen können und da fällt mir ein, ich könnte den Tag mal mit Roman alleine verbringen. Wir vereinbaren das ich Ihnen Bescheid gebe, da ich die verschiedenen Termine die anstehen nicht weiß, aber eigentlich muss ich mich mit Roman absprechen. Ich erfahre das Damian mit Clara im Urlaub sind und sie erst nächste Woche wieder zurückkommen. Mich beruhigt es Damian nicht sehen zu können, weil ich irgendwie vor der Begegnung mit ihm Angst habe, ich habe Angst er könnte sofort bemerken, das sich alles verändert hat und ich habe Angst das er dann denkt, ich hätte Alex verraten. Damian ist wie ein Bruder für mich und ich möchte ihn nicht verletzten, weil ich befürchte das es ihn am meisten treffen würde, wenn er das von mir und Roman erfährt. Corina und Fred lassen uns nicht gehen, trotz Ben seines ungemütlichen quengeln wegen seinem Zahn, mache ich Ihnen den Gefallen und bleibe. Roman versucht mich ein paar mal anzurufen und ich kann nicht abheben, ich schreibe ihm das ich bei Alex seinen Eltern bin und wir erst heute Abend telefonieren können. Er schreibt mir sofort zurück „Okay, aber ich glaube das mit dem telefonieren bekommen wir überhaupt nicht mehr hin, immer kommt was dazwischen! 😫😫 Ich fahre später mit meinen Eltern weg, Probiere es einfach mal. Ich vermisse euch und freue mich auf morgen! 😘❤️

Ich muss gelächelt haben bei der Nachricht, als ich Fred seine Stimme höre „endlich kannst du wieder Lächeln!" ich Blicke zu ihm, leg mein Handy weg und setzte mich zu ihm „mir geht es gut Fred!" sag ich und er schaut von der Seite und sagt „das ist wichtig" ich lächle ihn an und wir beide beobachten wie Ben auf Omas Schoß sitzt und sie ihm was vorliest.

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