Kapitel 82

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„Hallo Tilla, seid ihr heute Mittag zuhause? Ich muss mit dir unbedingt reden! Gruß Damian" lese ich Roman laut vor. Wir schauen uns gegenseitig etwas verwirrt an, denn gerade als ich Damian schreiben wollte, ob er heute Zeit für mich hat, kam vorher eine Nachricht von ihm. Aber es trifft sich ja sehr gut, obwohl ich mich schon frage, was er mit mir zu reden hat. Natürlich, so wie ich mich halt kenne, mache ich mir tausend Gedanken darüber und viele Möglichkeiten über was er reden möchte, manches verwirrt mich, manche Gedanken machen mir Angst und manches fühlt sich gut an. Roman beruhigt mich und sagt mir „es ist oft nicht so schlimm wie man denkt. Vielleicht geht es um Ben, vielleicht möchte er einfach nur mehr Zeit mit ihm verbringen. Vielleicht möchte er über Ben sein Geburtstag sprechen" sagt er und streichelt über meine Schulter. Stimmt, bald wird mein kleiner Mann ein Jahr alt, wie schnell die Zeit vergeht und was alles passiert ist. Es scheint alles so unreal, als wäre alles nur geträumt, als müsste ich nur meine Augen schließen und aufmachen, dann würde Ben in meinen Armen liegen und wäre gerade auf die Welt gekommen. Plötzlich habe ich ein Wirrwarr von Gefühlen und man kann nicht deuten, ob es ein gutes oder schlechtes Gefühl ist. Ich leg mein Kopf auf Roman seine Schulter „ich werde jetzt fahren, mein Ben abholen. Ich habe ihn wirklich vermisst! Dann ruf ich Damian an, damit er kommen kann, ich höre mir an was er zu sagen hat und dann erzähl ich ihm von uns. Du kommst heute Abend und hoffentlich sind wir dann befreiter" Roman streicht durch mein Haar, er lächelt sanft und nickt mir zustimmend zu, er sagt aber nichts, er lächelt einfach, ich weiß nicht ob mich das beruhigen oder beunruhigen soll.

Mama öffnet mir die Tür, ohne sie richtig zu beachten, laufe ich ins Haus, ich muss endlich mein Sohn sehen und ihn abknutschen. Als ich in an der Küche vorbeilaufe, sehe ich Ben auf Papas Armen. Er hebt sein Kopf ruckartig hoch und wedelt total ungeduldig mit seinen Armen. Er stammelt „Mama, Mama" und kommt kaum mit seinen Worten mit, vor lauter Freude und verschluckt dabei die Hälfte. Er lässt sich nach vorne kippen, so das mein Vater Schwierigkeiten hat ihn festzuhalten. Er wirft sich in meine Arme, krallt sich fest und legt sein Kopf auf meine Brust. Ich höre ein erleichtertes schnaufen und spüre seinen warmen kleinen Körper an mir. Ich streichle über sein Kopf, küsse seine kleine knuffige Hand und rede mit ihm. Er meckert nicht mit mir, er macht keine Anstalten mir zu zeigen, das er es nicht in Ordnung fand, dass ich ihn nicht abgeholt habe. Ben zeigt mir einfach, das er froh ist, dass ich wieder hier bin und ihn nicht vergessen habe. Während ich mit Ben kuschele, erzählen mir keine Eltern, wie pflegeleicht Ben ist, er zwar ab und zu nach mir gesucht hat, nach Mama gerufen hat und natürlich ein paar kleine Tränchen geflossen sind, aber er hat sich im Großen und Ganzen tapfer gehalten. Ich höre meinen Eltern zu und bin sehr stolz auf meinen kleinen Jungen, der bald Geburtstag hat und Ruck zuck irgendwann mein großer Junge sein wird. Ich berichte meinen Eltern von meinem Plan, Damian alles zu erzählen und das ich endlich mit offenen Karten spielen werde, dass ich keine Lust mehr habe mich zu verstecken. Meine Eltern schauen sich auf eine merkwürdige Weise gegenseitig an, sie kommunizieren mit ihren Blicken, das kann man wohl nach diesen vielen Jahren des Zusammenseins, ich weiß nicht genau, was ihre Blicke zu deuten haben, aber ihre Worte sind deutlich „es wird schwer werden, rechne mit allem!" und ich weiß jetzt nicht, ob es was gutes oder schlechtes ist. Beim gehen drückt mich meine Mutter, sie muss meine plötzliche Unsicherheit gespürt haben „es wurde Zeit Tilla, du wirst die richtigen Worte finden. Ihr habt alle ein Recht weiterzuleben, die Welt bleibt nicht einfach stehen wenn jemand stirbt, sie dreht sich weiter und das ist auch gut so. Du musst niemanden Rechenschaft abliefern! Ich wünsche dir viel Glück mein Schatz" flüstert sie mir ganz leise zu und ich fühle mich wieder sicher.

Ben und ich sind wieder zuhause, er ist ziemlich lebendig und brabbelt mir dauernd was vor. Damian habe ich schon eine Nachricht geschrieben, das wir zuhause sind und er gerne kommen kann. Ich hoffe das Clara nicht mitkommt, auf sie habe ich überhaupt keine Lust, auch wäre es mir lieber wenn ich mit Damian alleine sprechen könnte. Wenn Clara dabei ist, weiß ich jetzt schon was sie sagen wird „das läuft doch schon länger, ihr konntet es doch nicht abwarten, das Alex verstorben ist...." ich mag Clara einfach nicht und konnte sie noch nie richtig leiden. Ihre falsche und hinterhältige Art hat mich schon immer gestört. Bis Damian kommt, kuschele ich mit meinem Sohn. Er ist ziemlich anhänglich, das er wo anders geschlafen hat ohne mich, hat wohl Spuren hinterlassen. Ich werde langsam nervös, meine Aufregung steigt immer mehr, ich gehe in meinem Kopf immer wieder durch, wie ich anfangen könnte, was ich sagen sollte. Was kann ich sagen, damit er es richtig versteht, damit er sich nicht verletzt fühlt und das es für mich und Ben wichtig ist, das sie es wissen und akzeptieren. Natürlich bin ich auch sehr gespannt, was er mir zu sagen hat und ich hoffe sogar, das ich es verknüpfen kann und es dadurch noch leichter wird über alles zu reden.

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