Kapitel 62

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Wie erwartet wacht Ben kaum das ich im Bett liege auf und hat Hunger, ich mach ihm sein Fläschchen und wir legen uns in mein Bett. Ich glaube er hat in der Nacht nicht registriert das wir wieder zuhause sind, als er am nächsten morgen wach wird, schaut er etwas verwundet durch die Gegend und braucht ziemlich lange, bis ihm bewusst ist, das es nicht sein Schlafplatz der letzten Tage ist. Ich laufe mit ihm durch die Wohnung und er schaut neugierig, immer wieder dreht er sein Köpfchen und lauscht den Geräuschen die von außen nach innen gelangen. Immer wieder schaut er mich an und dann scheint es als würde er was suchen, bis mir bewusst wird was er sucht „er ist nicht hier!" sag ich ihm, natürlich versteht er nicht was ich ihm sage und schaut weiter „er ist nicht hier mein Schatz, er ist zuhause!" wiederhole ich mich. Er hat sich so an die Anwesenheit von Roman gewöhnt, dass er ihn natürlich vermisst und glaubt er könnte ihn täglich sehen. Es tut mir richtig leid für ihn, ich wollte nicht mehr das er jemanden vermissen muss, dann klingelt das Telefon, als ob Roman es gespürt haben muss, ruft er zum richtigen Zeitpunkt an. Ich mache  auf Lautsprecher, das Ben wenigstens seine Stimme hören kann und während des Telefonates versucht er immer das Handy zu sich zu ziehen, lange können wir nicht telefonieren, da Roman schon längst unterwegs ist und er keinen guten Empfang hat, wir verabreden uns für später. Ich mache erst einmal Ben sein Fläschchen fertig, er wird schon langsam ungeduldig. Während wir auf der Terrasse sitzen und ich ihm sein Fläschchen gebe, schaue ich mir die Post an, die sich die ganzen Wochen angesammelt hat. Dazwischen sind unsere unzähligen Postkarten, die wir uns nachhause geschickt haben, diese schaue ich mir als erstes an. Beim durchlesen, kommen die ganzen Erinnerungen wieder hoch, all das was wir gesehen und erlebt haben und plötzlich fühlt es sich an, als wäre es eine Ewigkeit her.

Ben spielt in seinem Laufstall, während ich versuche durch mein Papierchaos durchzublicken, nicht das ich was wichtiges übersehe, danach muss ich unbedingt
alles aus dem Wohnwagen schaffen und ganz viel Wäsche wartet auf mich, einkaufen muss ich auch noch dringend und ganz wichtig, allen Bescheid geben die es wissen sollten, das wir wieder zuhause sind. Leicht überfordert mit meinem Plan und der Aussicht von viel Arbeit vor mir, würde ich am liebsten direkt wieder wegfahren. Aber es geht nicht, ich muss da durch und außerdem möchte ich unbedingt noch zum Friedhof. Plötzlich klopft es an der Tür und ich habe das Gefühl hier kommt meine Rettung, ich öffne sofort meine Tür und unsere Liebe Gisela steht vor mir. Sie kommt rein und drückt mich sofort an sich, von weitem beobachtet uns Ben und Gisela lässt mich los um ihren kleinen Spatz, wie sie immer sagt, zu begrüßen. Gisela und Ben spielen miteinander und ich erzähle ihr in Kurzfassung mein Beschluss mit dem Wohnwagen auszubrechen und die Orte die wir besucht haben, sie hört mir aufmerksam zu und bewundert unseren Entschluss auf reisen zu gehen und sagt mir immer wieder, dass sie froh ist, dass wir unseren Weg zurück gefunden haben. Von Roman erzähl ich ihr nichts, auch wenn sie bestimmt erfreut reagiert hätte, bringe ich es nicht über meine Lippen ihr von seinem zu uns stoßen, um Zeit mit uns zu verbringen, nichts. Sie passt auf Ben auf, während ich alles was im Wohnwagen ist, einfach erst einmal rein hole und im Wohnzimmer ausbreite, vieles hatten Roman und ich schon zusammengeräumt, so das es griffbereit war. Ich gehe nach dem ausräumen zu meinem Nachbarn und teile Ihnen mit, was sie natürlich schon längst mitbekommen haben, dass wir zuhause sind. Ich bestehe darauf ihren Wohnwagen erst morgen offiziell zu übergeben, weil ich noch putzen und tanken möchte.

Am Mittag, gerade als Ben sein Mittagsschlaf macht, ruf ich endlich meine Mutter an, um ihr mitzuteilen das wir zuhause sind, meine Liebe Mama ist total aus dem Häuschen und macht sich sofort auf den Weg zu uns. Keine halbe Stunde später klingelt es an der Tür und ich springe sofort auf um ihr zu öffnen, ich hatte ihr vergessen zu sagen, das Ben schläft. Ihre Enttäuschung ihren Enkel nicht begrüßen zu können ist ziemlich groß und meine Enttäuschung das sie kein Interesse an mir hat auch, was  sie sofort wieder gut macht und mich in ihre Arme nimmt. Ich mache uns einen Kaffe und wir setzten uns auf die Terrasse. Sie fängt sofort an „was ist das für ein Wohnwagen, der in der Einfahrt steht?" fragt sie mich, ich muss lachen „meinem Nachbarn, der so nett war und es uns für ein paar Wochen ausgeliehen hat!" meine Mutter kann kaum fassen was sie da hört und verschluckt sich an ihrem Kaffee. „Tilla um Gotteswillen, was hast du dir dabei gedacht?" fragt sie mich, nachdem sie wieder reden kann, nach ihren Hustenanfall. Ich erkläre meiner Mutter meine  Beweggründe und mein Entschluss, warum es so gekommen ist und warum es so kommen musste, damit ich endlich zur Ruhe komme konnte, was ich hier niemals erhalten hätte. Das es eine tolle Erfahrung war und das es für mich und Ben genau das Richtige war. Ich erzähl ihr was wir erlebt haben und wo wir überall waren, das es mit dem Wohnwagen besser geklappt hat, als ich zuvor gedacht habe. Meine Mutter hört mir zu und sie stellt mir neugierig Fragen, bis sie mich fragt „ihr zwei wart tatsächlich fünf Wochen alleine unterwegs?" okay, bis jetzt gab es keine Frage von ihr, die mich zum schwindeln animiert, aber soll ich meine Mama jetzt tatsächlich anschwindeln? Sie hat wohl bemerkt, dass da mehr dahinter steckt, zu lange habe ich über ihre Frage nachgedacht, so das sie schon längst die Lunte gerochen hat. „Tilla mein Kind, was gibt es da zu überlegen? Wart ihr alleine?" fragt sie mich wieder, ich wende mein Blick in ihre Richtung und sie schaut mich ernst an.

Mutter: sag schon, wer war dabei?

Tilla: also ich war die ersten zwei Wochen alleine.

Mutter: und dann?

Tilla: ich muss Dir erst was dazu erklären?

Mutter: ist das so kompliziert?

Tilla: nein, nur, ich

Mutter: stottere nicht so herum, raus mit der Sprache!

Tilla: ein paar Wochen nach Alex seinem Tod hatte ich Besuch und dann

ich überlege wie ich es am besten erklären soll

Mutter: was und dann, von wem?

Tilla: Roman!

Mutter: unser Roman? Dein Roman?

Tilla: ich kenn nur ein Roman! Er war hier um mir zu sagen, wie leid es ihm das mit Alex tut, dann haben wir uns zwischendurch gesehen, er hat uns besucht, ich konnte mit ihm reden und ich konnte meine Trauer dadurch besser verarbeiten, weil er Alex nie kannte! Ben liebt ihn und sie verstehen sich total gut, du müsstest sie mal zusammen erleben, Ben braucht ihn und ich auch!

Meine Mutter ist still und schaut mich nur an, sie sagt nichts und überlegt. „Das kann doch nicht falsch sein, oder? frage ich meine Mutter, weil ich unbedingt eine Reaktion von ihr brauche. Meine Mama lächelt, nimmt meine Hand „was soll ich dazu sagen Tilla? Du bist eine erwachsene Frau mit einem Sohn, du nimmst Hilfe an die du brauchst, es gibt schlimmeres als gerade von ihm Hilfe anzunehmen! Ich mochte Roman schon immer, er ist ein feiner Kerl, wenn er euch gut tut, dann kann nichts dagegen sprechen!" ein Riesen Brocken fällt von mir ab. Aber das langsam
Gefühle, durch unsere letzte gemeinsame Zeit sich entwickelt haben und wir es probieren wollen, erzähle ich ihr heute noch nicht. Ich möchte nicht dauernd gefragt werden wie der Stand der Dinge ist und ich möchte nicht gefragt werden, wie ich es Alex seinem Eltern erklären werde, nach keinen halben Jahr des Verlustes. Ich möchte erst einmal erforschen und fühlen
was da zwischen uns im Gange ist. Ich erzähl Mama das Ellen Bescheid weiß und meine Schwester, die ziemlich merkwürdig drauf reagiert hat, Mamas Antwort ist ziemlich locker „ach deine Schwester, sie sollte mal ihr Leben besser im Griff haben und nicht dauernd flüchten!" Mama bekommt die Genehmigung es Papa erzählen zu dürfen und als wir ziemlich vertieft uns unterhalten, wird mein Ben wach und ab diesem Zeitpunkt bin ich total vergessen!

Ich sitze mit Ben auf der Couch, er ist frisch gebadet, er hat wohl das Baden ziemlich vermisst, man hat ihm angesehen das er es richtig genossen hat! Er mochte kaum raus aus der Wanne, er wollte unbedingt weiter mit dem Wasser und seiner Ente spielen, aber Mama die Spielverderberin hat ihn trotzdem rausgeholt. Der ganze Tag war ziemlich anstrengend und leider kamen wir weder noch zum einkaufen oder noch zu Alex seinenm Grab, das sind die zwei wichtigen Punkte die wir morgen früh direkt in Angriff nehmen werden. Roman hatte mir gesagt, er wollte sich gegen sieben nochmal melden, weil er es heute Mittag nicht geschafft hatte. Es ist schon nach acht und er hat sich noch nicht gemeldet, weil Ben bestimmt noch gerne Roman seine Stimme hören möchte, bevor er gleich ins Bett geht, rufen wir ihn einfach mal an. Er geht erst nicht ran und gerade als ich auflegen möchte, höre ich seine Stimme. Wie er sich meldet und seine Stimmlage klingt ziemlich merkwürdig, so das es mir schon unangenehm ist, das ich ihn angerufen habe. Ganz vorsichtig frage ich ihn „stören wir?" er räuspert sich und antwortet „ich habe Besuch" dann ist es still und er spricht weiter „Hanna ist hier!" etwas überrascht von dem was er sagt „oh, okay, dann möchten wir nicht weiter stören" sag ich ihm und hoffe das er meine Verwirrung nicht merkt. „Ich melde mich gleich, okay" antwortet er und ich Versuch locker zu antworten „kein Stress, wir gehen bald schlafen" nachdem ich aufgelegt habe, bin ich noch ziemlich verwundert, ich denke mir nur, es ist gerade irgendwie merkwürdig, aber ich möchte mir keine Meinung dazu bilden, wer weiß was dahinter steckt. Also Kuschel ich mich mit Ben auf mein Bett und ich schlafe mit ihm ein.

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