Kapitel 25

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Es klopft an der Tür, ich liege mit Ben auf der Couch, er hat gerade sein Fläschchen bekommen und ist am Gähnen. Ich lege Ben in seine Wiege, da er sicher gleich einschlafen wird und gehe zur Tür. Vor der Tür steht Gisela meine gute Seele, die täglich nach uns sieht und sich um uns sorgt und kümmert. Ich bitte Sie rein, bevor sie rein kommt, sagt sie „ich habe Suppe gemacht, ich hast bestimmt noch nichts gegessen" da registriere ich erst, das sie ein Topf in der Hand hält. „Ich habe nichts gegessen, aber richtig Hunger habe ich nicht" versuche ich ihr zu erklären, aber Gisela interessiert es nicht. Ohne weiter was zu sagen, geht sie in die Küche stellt den Topf ab und fängt an den Tisch zudecken, dabei nuschelt sie vor sich hin „Kind du musst essen, so geht das nicht weiter! Denk an dich und dein Kind" apropos Kind, ich gehe ins Wohnzimmer wo Ben seine Wiege steht und schaue nach was mein Baby macht, der allerdings ist schon im siebten Himmel der Träume und schläft. Ich Decke ihn zu und beobachte wie sein Mund noch nuckelt, als hätte er Hunger, Hunger kann es nicht sein, er hat gerade gegessen, er sucht sicher sein Schnuller, was er aber nicht immer haben möchte. Ben ist seit drei Tagen ruhiger, entweder hat er einfach aufgeben nach seinem Papa zu betteln oder er hat vergessen das es ihn gab. Kann ein Baby vergessen das da einer war, der ihn abgöttisch liebte und der ein großer, wichtiger Teil von ihm war? Weiß man sowas überhaupt? Wie weit kann ein Baby das wissen oder fühlen? Jenny hat er auch nach Wochen wiedererkannt und hat sich gefreut, das seine wilde Tante wieder einmal kam! Da wird er wohl seinen Papa nicht vergessen haben! Solche und andere Fragen beschäftigen mich im Moment, alles dreht sich ums vergessen und erinnern! Ich habe Angst irgendwas von Alex zu vergessen, wichtige Details die mir viel bedeuten, das ich eines Tages aufwache und nicht mehr weiß wie es mit ihm war, wie liebevoll er war, sein Lächeln und seine zurückhaltende und verständnisvolle Art! Es gibt natürlich sehr viele Erinnerungen die täglich uns begleiten und vieles was uns nicht vergessen lässt, aber reicht das alles aus? Als ich sein Handy von der Polizei überreicht bekommen habe, konnte ich es nicht anmachen und nachschauen was er alles in diesem gespeichert hat, ich habe es in seine Schublade gelegt, neben seiner Seite des Bettes im Nachttischchen und da liegt es immer noch!

Ich gehe zurück zu Gisela die gerade uns Suppe einschenkt und setzt mich auf ein Stuhl im Esszimmer. Gisela lächelt liebevoll und stellt mir mein Teller hin, ich starre auf die Suppe und mir ist, als könnte ich kein Bissen hinunter bekommen. Gisela streichelt über mein Haar „Komm Tilla du musst was essen" sagt sie bittend und ich nehme mein Löffel und fange an zu essen. Ich schmecke nichts, alles schmeckt nach bleib, ich finde es unfair irgendwas genießen zu können, während Alex leblos in seinem Sarg liegt und nie wieder was empfinden oder genießen kann. Gisela erzählt mir irgendwelche Geschichten und von ihren Tag was eigentlich täglich das gleiche ist, nur um mich auf andere Gedanken zu bringen. Sie fragt mich ob ich heute noch was vor habe und um sie zu beruhigen sag ich ihr, das Ben und ich später einen Spaziergang machen werden. Zufrieden mit meiner Antwort, lächelt sie und hofft dass das Wetter noch anhält und wir einen schönen Mittag genießen können. Nachdem Essen bleibt Gisela noch eine Weile bei mir und irgendwann als sie merkt, das ich gerne wieder alleine wäre, verabschiedet sie sich und geht wieder hoch. Die Momente mit ihr tun mir gut, auch weil ich weiß, dass Alex bestimmt glücklich darüber wäre, weil er weiß das ich immer jemanden in meiner direkten Nähe habe, die für uns da ist. Die Ruhe hält nicht lange an und mein kleiner Schatz wird wach, er meldet sich nicht mit einem weinen oder meckern, er fängt an zu plappern  und erzählt was vor sich hin, es ist die neu entdeckte Art von ihm, die mich trotz Kummer zum Lächeln bringt. Ich stell mich vor seine Wiege und begrüße ihn, ich rede mit ihm und er antwortet mir, ich könnte ihn in solchen Momenten auffressen, so sehr liebe ich ihn und kann meine Liebe nicht beschreiben. Ich hebe Ben hoch und bemerke sofort seine volle Windel die gewechselt werden muss. Wie immer gewappnet angepinkelt zu werden, mache ich seine Windel auf, schaue ganz vorsichtig nach und wie immer kommt ein Strahl auf mich geschossen und ich halte die Windel davor, so das nicht noch mehr Unheil geschieht. Ben lacht mich wie immer aus und ich wünsche mir, das seine Freude niemals vergeht, auch wenn ich dabei immer angepinkelt werden muss! Wie bei Gisela erwähnt, mache ich Ben fertig um eine Runde rauszugehen und die frische klare Luft zu genießen. Ich laufe mit ihm in seinem Kinderwaagen durch den Park und beobachte andere Eltern, Kinder, Jogger, Herrchen mit ihren Hunden und Rentner, bei ihrer Art das Wetter zu genießen. Dann überlege ich mir, was wohl bei jeden einzelnen Personen die sich hier befinden für ein Leben abspielt, keiner kann hinter irgendwelche Fassaden blicken, keiner von uns weiß Bescheid und keiner kann es überhaupt erahnen. Sie sehen nicht unbedingt unglücklich aus, sie wirken nicht gerade als gäbe es irgendwelche Probleme. Trotzdem kann mehr dahinter stecken und man sieht es nicht, Menschen können sich gut verstecken, man möchte ja auch nicht jedem zeigen, das es gerade eine verdammt schwere Phase im Leben ist. Was würde es bringen, was sollen auch andere damit anfangen, nichts außer vielleicht mitleidsvoll einen anstarren. Ben und ich laufen durch den ganzen Park, ich nehme ihn auch mal raus und wir setzten uns auf eine Bank, ich kann ihn beobachten wie er neugierig sein Kopf dreht und seine Augen versuchen alles um sich herum aufzunehmen. Als die Sonne dann langsam verschwindet wird es schlagartig kalt und wir laufen wieder zurück nachhause. Zuhause ziehe ich Ben aus und er rekelt sich auf meinem Bett während ich mich umziehe, meine täglicher Begleiter die Jogginghose und ein Pullover von Alex wird sofort übergezogen. Ben und ich telefonieren noch mit meiner Mutter, die auch täglich anruft und sich nach uns erkundigt, zum Glück geht sie noch arbeiten, sonst hätte ich sie auch noch täglich an der Backe. Meine Schwester Jenny ist zurück in Madrid, diesmal ist sie tatsächlich länger geblieben, nur wegen mir, also muss sie mich wirklich lieben wenn sie nicht wie gewohnt sofort die Flucht ergreift. Ellen kommt alle zwei Tage, am liebsten würde sie täglich kommen, aber das habe ich ihr herausgeredet. Ihre Leben laufen einfach normal weiter, so sollte es auch sein und ich brauche meine Zeit zum trauern, zum verzweifeln und um Hass zu verarbeiten. Aber ich weiß auch
das ich nicht alleine bin und zu jeder Zeit einer kommen würde.

Ben ist gebadet und nun ist Kuschelzeit bis er seine letzte Flasche bekommt, bevor es ins Bett geht. Ich liebe es wenn er gerade gebadet hat und seine Haare total weich sind, seine Backen glühen immer rosa und er riecht dann immer so gut. Wir liegen auf der Couch und ich knutsche gerade seine einzelnen Finger ab, so wie Alex das immer schon bei ihm gemacht hat, als wir ein zaghaftes klopfen hören. Ich denke mir nur, oh Gisela bitte nicht schon wieder, keine Kontrolle mehr ob ich was gegessen habe, natürlich habe ich seitdem nichts mehr gegessen, sie muss es gefühlt haben, aber ich habe einfach keinen Hunger oder Appetit was mich dran erinnern könnte, was zu essen. Ich stehe von meiner Kuschelposition auf, leg Ben in seine Wiege und laufe Richtung Tür. Als ich die Tür öffne geht mein Puls schlagartig nach oben, mein Magen verzieht sich, es ist nicht Gisela die vor mir steht und Essen bringt, es ist Roman der einfach vor mir steht und unsicher mich ansieht. Ich bin sprachlos von seinem unerwartetem kommen und kann es einfach nicht glauben das er vor mir steht. Mir fehlen die Worte und ich bin gerührt, ergriffen das er hier ist und selber keine Worte findet und einfach sein wärme in seinen Augen sprechen lässt. Ein Riesen Kloß befestigt sich in meiner Kehle, ein Schwall von Trauer und Verzweiflung steigt in mir auf um aufgefangen zu werden, ich erinnere much daran warum der Grund seines kommen sein muss, sein Mitleid und Mitgefühl, Tränen schießen in meine Augen und machen sich abwärts meiner Wangen entlang. Roman macht ein Schritt auf mich zu und nimmt mich wortlos in die Arme, ich kann mich fallenlassen und meinem Gefühlen freien Lauf lassen. Ich brauch mich nicht verstecken und so machen als ginge es mir besser, so wie ich es gelernt habe  allen anderen was vorzumachen, damit sie sich keine Sorgen mehr machen müssen. Ich brauch nicht bei ihm sagen, es ist nicht einfach, aber es wird schon. Es würde bei ihm keinen Sinn machen, er weiß wie ich bin, ich könnte ihm nichts vormachen! Er streichelt über mein Haar und lässt mich weinen, ich versinke noch tiefer in seinen Armen. Ich frage ihn nicht woher er weiß wo ich wohne, ich frage ihn nicht was er hier zu suchen hat, denn es ist mir egal, ich bin einfach froh das er hier ist!

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