•Kapitel 31•

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Das Gespräch mit seiner Schwester ließ mich nicht mehr los. Auch nicht am Abend, nachdem wir mal wieder unsere Zweisamkeit gefeiert hatten und nun zusammen im Bett lagen. Ich auf dem Bauch und Tae auf meinem Rücken.

Es war so vertraut und liebevoll.

Aber Tianas Worte wollten einfach nicht aus meinen Gedanken verschwinden.

„Bunny, worüber denkst du nach, hm?", fragte mich mein blauhaariger Freund und streichelte dabei über mein rechtes Schulterblatt.

Ich seufzte kurz verträumt, bevor ich seine Frage realisierte. Räuspernd vergrub ich meine Finger ins Bettlaken.

„Willst du wirklich nicht mehr mit deiner Familie reden?", halte ich leise nach.

„Nein.", schnaubte er. „Die können mir für den Rest meines Lebens gestohlen bleiben, meine einzige Familie bist du."

Ich versuchte das unangenehme Ziehen in meiner Brust zu verdrängen und lachte stattdessen ein wenig.

„Und unsere Hyungs."

„Mhm, und Mum.", ergänzte er müde.

Kurz darauf hörte ich ihn auch schon lieblich atmen und rollte ihn von mir herunter, um mich zu ihm zu drehen und ihn in meine Arme zu ziehen.

Schweigend betrachtete ich sein Gesicht. Tiana und er sahen sich so ähnlich, ich fragte mich wie ihre Eltern sein mochten.

Die zwei Geschwister hatten wirklich kein schönes Leben miteinander. Ich glaubte Tae. Ich vertraute darauf, dass er nicht übertrieb und die Wahrheit sagte.

Aber es gab dabei ein Problem.

Ich erkannte dieses Ziehen in meiner Brust wieder. Es war dieses ganz bestimmte, wenn jemand schlecht über seine Familie sprach. Wenn jemand meinte nichts mehr mit ihr tun haben zu wollen.

Es erinnerte mich an meinen Vater. An den Unfall, der unsere Familie letztendlich noch mehr in Stücke riss. Damit meinte ich nicht meine Brüder oder unsere Mutter, sondern Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen. Natürlich auch noch die Großeltern.

Und das machte mich traurig.

Wir begehen alle mal Fehler im Leben, doch manche sind noch kein Grund sich vollkommen abzuwenden.

Ich hatte die Hoffnung, dass sich Taes Familienverhältnisse verbessern könnten. Wenigstens mit einem von ihnen.

Dazu musste ich nur ein paar Dinge ins Rollen bringen.

„Tut mir leid, Babe.", murmelte ich in seine Haare und gab ihm dort einen Kuss. „Ich muss das tun."

~•~•~•~•~•~•~•~

Am nächsten Morgen schlich ich mich aus dem Hotel und hinterließ Tae eine Nachricht auf der stand, dass ich joggen wollte.

In Wahrheit aber war ich auf den Weg ins Naturkunde Museum von London.

Es dauerte eine Weile bis ich dort ankam, deswegen hoffte ich, dass Tiana schon da sein würde.

Und als hätte das Schicksal es nicht nur den Tag davor gut mit mir gemeint, dass ich in sie reinlief, saß sie nun hinterm Informationsschalter. (A/N: Let's just say there is some of this stuff.)

Ich versuchte aufgeregt meinen Atem zu kontrollieren, als ich näher Schritt und vor ihr stehen blieb. Sie trug an diesem Tag ein dunkelgrünes Kleid, der Kragen aus Spitze. Ihr blonden Haare waren gewellt und ihr Make-up perfekt wie am Tag zuvor.

Sie beendete ein Gespräch und drehte sich zu mir. „Wie kann ich Ihnen-" Sie stockte, als sie mich erkannte. „Jungkook?"

Ich lächelte leicht. „Hallo."

Sie erwiderte mein Lächeln ebenfalls freundlich und stand auf, um mir die Hand zu reichen. „Hallo. Wie schön dich hier zu sehen. Ist Tae auch dabei?"

Es war mir eigentlich nicht ganz geheuer...diese ganze Situation, aber ich wollte meinem Freund etwas gutes tun.

„Äh nein, er ist im Hotel geblieben. Ich bin alleine her, weil ich dich etwas fragen wollte."

„Was denn fragen?"

Neugierig legte sie ihren Kopf schief. Und ich schwöre euch, so sah Tae auch aus!

„Du hast gesagt, dass eure Familie gerne wieder mit Taehyung reden möchte, richtig?"

„Ja, richtig. Ich hatte gestern auch schon die Hoffnung Nummern mit ihm austauschen zu können oder wenigstens Platz und Zeit zu vereinbaren, damit wir alle zusammenkommen können, um zu reden."

Ich seufzte. Ja...das war keine schlechte Idee.

Nickend presste ich kurz meine Lippen aufeinander. „Okay...ich würde euch wirklich gerne dabei helfen."

„Was? Ehrlich?", fragte sie erstaunt und ich schätzte, dass sie nicht dachte ich würde sie unterstützen, nachdem was Tae mir alles verraten hatte.

Aber es war wichtig. Sie sollten es versuchen. Wenigstens noch einmal. Damals waren alle blind vor Wut und nun konnte es anders kommen.

„Hör zu, ich möchte nicht, dass er ewig schlecht über seine Familie denkt. Wir haben dich getroffen und du warst sofort bereit dazu wieder Kontakt aufzunehmen. Ich bin ja eigentlich nicht gläubig, aber das hat doch wirklich etwas zu bedeuten, oder?"

Nachdenklich nickte sie und lächelte dann. „Ich schätze, du kannst mir am besten dabei helfen."

„Gut.", meinte ich ebenfalls nickend. „Also eure Eltern sind nicht mehr so wie vor ein paar Jahren? Haben sie sich gebessert?"

„In manchen Punkten, ja. Aber so etwas lässt sich nicht von einen auf den anderen Tag ändern."

„Ja..."

Als sie mich mit einem Stirnrunzeln musterte, fragte ich mich was los sei.

„Es gibt jedoch eine Kleinigkeit, die wir beachten müssen.", sagte sie.

„Die da wäre?"

„Unsere Eltern sollten nicht gleich davon wissen, dass Tae mit dir zusammen ist."

Entgeistert starrte ich sie an. „Das ist nicht dein Ernst. Warum denn da-"

„Du bist wirklich lieb, Jungkook. Aber meine Eltern sind da noch nicht ganz dahinter gekommen, dass schwul sein auch nur normal ist."

Das Ding war: ich wusste nicht ob sie es nur so seltsam aussprach oder sie es ernst meinte. Irgendwas war komisch, aber ich achtete nicht weiter darauf.

„Das heißt..."

„Tae und du können offiziell nicht zusammen sein.", beendete sie meinen Satz.

Ich musste schlucken. Den fetten Kloß in meinem Hals loswerden. Mein Herz klopfte viel schneller.

Und das sollte eine Kleinigkeit sein?!

Das konnte ich doch nicht tun, oder? Weder Tae noch mir antun...

„Aber keine Sorge, es wäre nicht für lang. Ich würde mich darum kümmern, dass sie ihn endlich akzeptieren.", lächelte Tiana mir aufmunternd zu. „Überleg was das Beste für ihn ist."

Und damit hatte sie mich.

Das Beste für Tae...es musste einfach Frieden zwischen ihm und seiner Familie herrschen.
Vielleicht mochte ich blind sein, doch dieser Gedanke ließ mich nicht los. Ich wollte ihn helfen...war es das Richtige.

Bevor ich aber weiter darüber nachdenken konnte, nickte ich schon und stimmte stumm für ein Treffen.

Stigma [TAEKOOK]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt