•Kapitel 3•

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Taehyung

Das Gesicht dieses Jungen zu betrachten, während er schläft, war für mich eines der Dinge, von denen ich nie erwartet hätte, dass sie einmal wahr werden würden.

Kookie lag neben mir in dem Bett eines Hotelzimmers, in dem ich mit in der Nacht zuvor intim geworden bin. Eine Erinnerung, die sich vielleicht auch als falsch herausstellen würde, sobald mein bester Freund etwas dagegen sagen würde.

Ich versuchte nicht daran zu grübeln wie schmerzhaft es sein würde, wenn er mich verstieß, denn ich hoffte auf eine Lösung das ganzen.

Eine Lösung für meine Gefühle zu ihm?

Ich hasste es, wenn ich es so nannte: eine Lösung. Das klang nicht richtig und vollkommen abwertend.

Aber was ist wenn Kookie es genau so sah? Was wenn er mich nur freundschaftlich mochte und ich sein Starren manchmal einfach nur fehlerhaft interpretierte? Was wenn ich ihm nur als Vorbild oder bewundernswerte Person galt?

Aber nicht einmal das konnte ich mir vorstellen, denn so wie ich meinen Beschützerwahn manchmal spielen ließ, musste es recht lästig sein mich um sich zu haben.

Meine Gefühle aber waren echt. Doch wie sollte ich mich verhalten? Ich wollte ihn nicht verlieren.

Der Körper neben mir rekelte sich ein wenig und kurz darauf war ein verschlafenes Seufzen zu hören, gefolgt von leichtem Schmatzen.

Er war so entzückend, ich musste mich zurück halten ihm keine seiner schwarzen Haarsträhnen zurückzustreichen.

Langsam öffnete Kookie die Augen und blinzelte ein paar Male. Als er mich erkannte, schaute er sich verwundert um, bis er wohl ein paar Erinnerungen an gestern Nacht bekam.

Jetzt konnte selbst ich mir nicht verkneifen rot zu werden.

Ich stützte mich auf und sah ihn vorsichtig an, doch natürlich versuchte er mit mir jeden Augenkontakt zu vermeiden.

Oh, wie gern ich in seine Augen gesehen hätte.

„Kookie...", sprach ich mit meiner rauen Morgenstimme.

Mein Freund presste seine Lippen aufeinander und schloss die Augen, während er nickte. „Mhm?"

Er wusste es und ihm war es peinlich. Vermutlich bereute er es auch schon wieder.

„Das von gestern...", fing ich an, musste aber räuspern, um weiter sprechen zu können. „A-also vielleicht können wir ja darüber reden? Ich meine, wir hatten ganz schön viel Alkohol intus und-"

Er sah mit einem Mal so geknickt aus, jedoch konnte ich nicht mehr nachfragen, denn da unterbrach er mich schon und lenkte auf ein anderes Thema. „Wie sind wir überhaupt auf die Idee gekommen, ein Hotelzimmer zu nehmen?", fragte er mit einem gequälten Lachen, welches ich ignorierte und nicht darauf ansprach, da ich wusste, es würde ihn nur weiter in Verlegenheit bringen.

„Keine Ahnung.", gestand ich ehrlich, denn ich konnte mich auch nicht mehr daran erinnern.

Er gab ein leises „hm" von sich und nickte, untersuchte mit seinem Blick alles, außer das Bett, die verstreuten Klamotten und...mich.

Mir wurde ein wenig unwohl in meiner Haut und ich fühlte mich in dem Moment so, als hätte ich ihn auf irgendeine Art misshandelt. Yoongi würde mir ganz sicher den Kopf abreißen, auch wenn das nicht meine größte Sorge war. Das war meine Furcht um Kookies Verlust.

„Willst du dich vielleicht erstmal anziehen und ich geh derweilen ins Bad?", fragte ich ihn vorsichtig, darauf bedacht ihn nicht mit meiner Stimme zu erschrecken.

Überrascht schaute er mir das erste mal heute in die Augen und ich erkannte einen gewissen Funken Erleichterung und...Traurigkeit?

„Ja, danke.", gab er mir mit einem Nicken leise zur Antwort, weswegen ich aufstand und meine Sachen zusammensuchte.

Es musste so aussehen, als hätte ich ihn gefickt, aber letztendlich hatte ich viel zu großen Respekt vor seiner Unschuld.

Wie konnte jemand nur so perfekt sein? Ich wünschte ich hätte meine Gefühle abschalten können, nur um Kookie weiter um mich zu haben. Ich wusste, dass er schon bald vor mir fliehen würde, wären wir bei dieser distanzierten Haltung geblieben, bei der wir uns immer wieder zu nahe kamen!

Im Bad ankommen lehnte ich mich gegen die Tür und rieb mir mein Nasenbein. Ich musste erst einmal selbst wieder zu verstand kommen, der Alkohol hatte echt richtig reingeknallt. Ein Wunder, dass keiner von uns Kotzen musste oder ein Blackout hatte.

„Tae!", rief Kookie mit einem Mal aus und sofort setzten alle Alarmglocken ein.

Ich riss die Tür auf, nur um von dem Mankae bei Seite gestoßen zu werden, damit er sich über die Kloschüssel beugen konnte.

Richtig, er war nie so Trinkfest gewesen, wie wir anderen.

Zögerlich trat ich auf das jüngere Elend vor mir zu und hockte mich neben ihn. Es war mir egal, dass ihm alles vom Vortag wieder hochkam, ich wollte nur bei ihm sein, auch wenn es ihm unangenehm war. Ich strich ihm sanft über seinen nackten Rücken, da er immer noch nur in seiner Boxershorts war, und versuchte ihn somit zu beruhigen. Natürlich klappte das nicht ganz, da er sich gerade wortwörtlich die Seele aus dem Leibe kotzte.

Ihr mögt vielleicht denken, dass das nicht sehr romantisch wäre, aber ich war froh, ihn in den noch so unbedeutendsten Momenten bei Seite zu stehen und für ihn da zu sein. Er war mir wichtig.

Hustend hörte er langsam auf, blieb jedoch weiterhin über der Toilette gebeugt und versuchte ruhig atmen zu können. Ich strich ihm weiterhin über den Rücken und betrachtete ihn aufmerksam. Ob er etwas brauchte, ob er etwas sagen wollte.

„Tut mir leid, dass du das mit-", fing er schon an, doch unterbrach ich ihn.

„Nein, hör auf. Du musst dich für gar nichts entschuldigen!", meinte ich bestimmt und fuhr ihm sanft durch die Haare.

Er stützte seinen Kopf müde auf einer Hand ab und sah mich an. „Ich hab aber das Gefühl, dass ich es muss, weil du...weil..."

„Weil?"

Herzklopfen. Was würde nun kommen?!

„Weil du schon mit besseren Leuten zu tun hattest, die trinkfester waren als ich...", murmelte er leise vor sich hin und wich meinen Blicken erneut aus.

Ich schaute ihn mit großen Augen an, überrascht, dass er dachte er würde mir peinlich sein.

„Spinnst du?!", fragte ich ihn leicht aufgebracht, jedoch darauf bedacht etwas beherrschter zu sprechen. Erschrocken sah er mich an. „Du bist doch keine Person zum wegwerfen oder zum ignorieren, nur weil du gerade etwas blass aussiehst, weil du vor meinen Augen kotzen musst!"

Auch er machte große Augen und versuchte zu sprechen. „Ich-"

„Du bist mein bester Freund Kookie, ich werde dich niemals im Stich lassen. Wir sind Familie und du bist mir verdammt nochmal wichtig!"

„Okay, aber-"

„Ich lass mit mir da jetzt nicht diskutieren!"

Schnaubend lehnte ich mich an die Wand hinter mir und wartete ab. Das war wohl doch ein wenig zu laut und so musste ich selbst erstmal wieder runterkommen. Eine Weile blieb es still, bis sich dann ein Schmunzeln auf Kookies Gesicht ausbreitete.

„Danke.", sagte er und ich nickte nur.

Was konnte ich auch weiter sagen? Spätestens wenn wir aus dem Bad raus waren, würde ihm wieder einfallen, dass er sich eigentlich von mir fern halten wollte.

Stigma [TAEKOOK]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt