Annabeth
Letztendlich behielt sie tatsächlich recht, es dauerte nicht lange, bis er eingeschlafen war. Gerade einmal fünf Minuten nachdem sich Percy hingelegt hatte, hörte sie, wie seine Atemzüge gleichmäßiger und ruhiger wurden.
Gedankenverloren sah sie auf ihren Freund hinab, gleichzeitig blieb sie aufmerksam und konzentrierte sich auf alles, was um sie herum geschah. Sie durfte keine kommende Gefahr übersehen.
Irgendwann fing sie an, mit seinen Haaren zu spielen und sanft seinen Kopf zu streicheln. Seltsamerweise war sie glücklich. Der Auftrag war gefährlich, aber sie zog ihn der Situation vor drei Wochen tausendmal vor.
Und sie fühlte sich in die alten Zeiten versetzt. Es war wie ihr erster Auftrag gemeinsam mit Percy und Grover, als sie sich mit zwölf Jahren durch die Staaten gekämpft und wie Waisen im Wald gehaust hatten. Götter, wie jung und naiv sie damals noch gewesen waren. Bei diesem Gedanken grinste Annabeth vor sich hin, es hatte nichts Deprimierendes an sich, sondern heiterte sie viel mehr auf.
Vielleicht hatte es immer so kommen sollen und vielleicht mussten sie alles vergessen, was sie jemals gelernt hatten, um gegen Pontos zu siegen. Vielleicht mussten sie bei null anfangen und sich erneut alles erarbeiten, damit sie Erfolg hatten.
Annabeth wusste nicht genau, was sie von dieser Idee halten sollte. Sie wusste auch nicht, warum sie ausgerechnet jetzt an so etwas denken musste. Es machte doch irgendwie keinen Sinn.
Ihre Gedanken wanderten weiter zu Camp Halfblood und Camp Jupiter. Sie hoffte sehr, dass dort alles gut war. Sie vertraute darauf, dass die Anderen alles unter Kontrolle hatten. Nein, sie wusste es. Auch, wenn sie gerne Zuhause wäre, so wusste sie, dass sie sich darum vorerst keine Sorgen machen musste.
Die halbe Nacht verstrich, ohne, dass sich irgendetwas tat. Gegen drei Uhr warf sie einen schnellen Blick auf ihre Armbanduhr, dann legte sie ein paar Holzscheite und Stöcke ins Feuer. Anschließend ließ sie sich wieder neben Percy nieder. In den vergangenen Stunden hatte er sich nicht gerührt, sondern tief und fest geschlafen. Annabeth war klar, dass spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen war, um ihn aufzuwecken, aber sie brachte es einfach nicht über sich.
Also blieb sie wach und Percy schlief seelenruhig weiter. Er sah so entspannt aus.
Gegen fünf Uhr morgens entschloss sich Annabeth, ihn doch zu wecken. Ein- oder zwei Stunden Schlaf benötigte sie doch, da kam sie nicht herum.
Also rüttelte sie an Percys Schulter, um ihn aufzuwecken. Es dauerte ein paar Sekunden, doch dann öffnete er schlaftrunken die Augen und blinzelte sie an. „Bin ich dran?"
„Ja", gab Annabeth zurück. „Weck mich in eineinhalb Stunden auf, ok?"
„Mach' ich.", Percy setzte sich auf und rieb sich die Augen, doch dann hielt er mitten in der Bewegung inne. „Moment, wieviel Uhr ist es?", wollte er wissen.
Annabeth sah ein wenig schuldbewusst zurück. „Fünf Uhr morgens."
Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte Wut in seinen Augen auf, doch genauso schnell, wie sie gekommen war, verschwand sie auch wieder und wurde durch Resignation ersetzt.
„Wir hatten doch abgemacht, dass wir uns die Wache teilen. Ich weiß, dass du es nur gut meinst, aber ich bin fit genug.", sagte er.
„Du hättest das Gleiche getan.", antwortete Annabeth und sah ihn streng an. Und dann, mit einem Grinsen: „Tu' nicht so scheinheilig."
Das entlockte auch ihm ein kleines Lächeln. „Da hast du recht. Aber im Ernst, Annabeth, morgen übernehme ich mindestens eine genauso lange Wache, wie du, wenn nicht sogar länger. Keiner von uns soll während dem Fliegen vom Pegasus fallen."
Nickend stimmte sie ihm zu, dann legte sie sich hin und schloss die Augen. Es kam ihr nur wie Sekunden vor, in denen sie ihre Gedanken schweifen ließ und letztendlich in einen traumlosen Schlaf versank. Es kam ihr nur wie eine sehr kurze Zeitspanne vor, doch irgendwann, viel zu früh, wurde sie wieder geweckt.
Genauso verschlafen, wie Percy vorhin ausgesehen hatte, blinzelte nun Annabeth in das schwache Licht. Sie wollte nur noch zwei Sekunden, um sich zu sammeln- doch da tauchte Percys Gesicht über ihr auf. Seine Augen waren zusammengekniffen, seine Miene konzentriert und vor allem wirkte er hellwach.
Sofort merkte Annabeth, dass etwas nicht stimmte. Blitzschnell setzte sie sich auf. „Was ist los?", wollte sie wissen.„Ich weiß es nicht genau. Aber irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht.", erwiderte er.
Gleich darauf wusste sie auch, was es war. Es war still. Zu still. Kein einziges Geräusch war zu hören, nicht einmal das Rauschen des Windes in den Bäumen. Kein Rascheln der Blätter und Vogelgezwitscher, oder andere Anzeichen, dass der Wald bewohnt war, erst recht nicht.
Annabeth stand auf und sah sich um. Dann, innerhalb kürzester Zeit, fällte sie eine Entscheidung.
„Weck' Blackjack und Guido auf, wir verschwinden von hier. Ich packe unsere Sachen.", sie verlor auch keine Zeit, sondern machte sich sofort ans Werk. Sie stopfte die wenigen Habseligkeiten in die Satteltaschen und schloss diese. Gleichzeitig mit ihr waren auch die Pegasi wach. Schnellen Schrittes trug sie zusammen mit Percy die Taschen zu ihnen und befestigte alles wieder.
Annabeth fand es seltsam, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, doch einen Kampf konnten sie sich nicht leisten.
„Schnell, wir dürfen keine Zeit verlieren.", sagte sie zu Percy. „Im Meer der Ungeheuer kommen noch genügend Kämpfe und bis dahin werden wir jeglicher Gefahr aus dem Weg gehen."
„Ich weiß."Erleichterung durchströmte Annabeth, als sie losflogen und innerhalb von einer halben Minute wieder in ihrer Reisehöhe waren. Und gleichzeitig-... sie wusste, dass sie eine direkte Auseinandersetzung nur verschoben und nicht verhinderten.
Sie sollte recht behalten.
Am zweiten Tag ihrer Reise erreichten sie gegen Abend Savannah. Kurz zog es Annabeth in Erwägung, sich in der Stadt in einem kleinen Motel einzumieten, doch dazu blieb keine Zeit. Sie sehnte sich zwar nach einer heißen Dusche und einem bequemen Bett, im Laufe der Stunden war sie immer müder geworden, aber letztendlich mussten sie auf die Pegasi aufpassen.
Also suchten sie sich auch diesmal ein kleines Waldstück, wo sie ungesehen pausieren konnten. Alles erschien Annabeth so, wie auch am letzten Abend. Um sie herum Bäume und nur Grün, unter ihr Gras und Moos. Es war überraschend bequem, sodass sie es auf der Stelle einigermaßen gemütlich hatte, als sie ihre Jacke zu einem Kissen zusammenknüllte und ihren Kopf darauf bettete. Glücklicherweise war es noch immer mitten im Sommer, sodass es auch in den Nächten warm war. Annabeth fror nicht, stattdessen gab sie dem Verlangen nach Schlaf endlich nach und schloss die Augen.
Beruhigt, weil Percy über sie wachte, schlief sie ein.
Ihre Träume waren wirr, aber keine Albträume. Sie wusste nicht genau, was sie davon halten sollte, doch als sie wieder aufwachte, erinnerte sie sich ohnehin nicht mehr.
Es gab diesen kleinen Moment nach dem Aufwachen, in dem sich Annabeth seltsam sicher fühlte, einfach gut und geborgen. Das hatte sie das letzte Mal in Neu-Rom empfunden, als sie jeden Morgen neben Percy aufgewacht war.
Die zweite Hälfte der Nacht und gleichzeitig Annabeths Wache verlief vollständig ereignislos. Zum Glück. Als die Sonne am nächsten Morgen über den Horizont stieg, befanden sich Percy, Annabeth, Blackjack und Guido ausgeruht wieder in der Luft.
Es lief gut- zu gut. Das wurde Annabeth klar, als siegerade über Jacksonville flogen und sie von irgendetwas so stark am Rückengetroffen wurde, dass sie spürte, wie sie von ihrem Sattel rutschte. Sie hattennicht einmal Zeit, um zu schreien.
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Die Waffe der Meere
FanficPercy hat es geschafft- er ist aus der Vergangenheit zurück. Doch viel Zeit zum Erholen bleibt ihm nicht, denn die Zeit drängt. Die Halbgötter müssen versuchen, Bethanys geheimnisvolle Hinweise zu entschlüsseln und das Versteck des Dolches finden. L...