KAPITEL XIV

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Percy

Auf seinem Weg durch das Camp klimperten die Fläschchen in der kleinen Tasche fröhlich vor sich hin. Percy hoffte, dass auf der Reise nichts davon zu Bruch gehen würde.

Schnell war er wieder in seiner Hütte angekommen. Doch kaum hatte er die Tür aufgestoßen, erstarrte er. Seine freie Hand tastete automatisch zu Springflut in seiner Hosentasche. Eine große Gestalt saß im Halbdunkeln auf einem der Betten.

Percy wollte sich schon kampfbereit machen und sein Schwert zücken, doch dann stand die Gestalt auf, trat ins Licht und er erkannte Tyson.

Sein kleiner Bruder war inzwischen alles andere als klein. Er hatte Percy schon immer überragt und das tat er auch nun. Doch er hatte nicht das Gefühl, dass Tyson besonders von seiner Größe her verändert hatte, sondern vielmehr von seinen Gesichtszügen. Früher hatte er zwar eine riesenhafte Gestalt besessen, doch seine Gesichtszüge waren immer kindlich gewesen- so auch sein Charakter. Doch nun? Er sah aus, wie ein Teenager.

„Tyson!", freudig überrascht blicke Percy dem Zyklopen entgegen.

Sein Bruder verlor gar nicht viel Zeit, sondern sprang auf und stürmte ihm entgegen, um ihn in die Arme zu schließen. Da Percy die Umarmungen von Tyson kannte, brachte er schnell seine kleine Tasche in Sicherheit- er wollte nicht, dass irgendeine der Fläschchen zu Bruch ging.

Eine kleine Ewigkeit drückte Tyson ihn fest an sich, bis Percy ihn daran erinnern musste, dass er Luft zum Atmen brauchte. Sofort ließ er ihn wieder los, doch seine Augen strahlten glücklich. Und auch Percy freute sich, Tyson nach einer kleinen Ewigkeit endlich wiederzusehen.

„Wie geht es dir?", wollte Percy wissen und setzte sich auf eins der freien Betten. Tyson tat es ihm gleich, wobei das Lattenrost gefährlich knarzte.

„Mir? Mir geht es gut.", erwiderte daraufhin Tyson. Doch dann verdüsterte sich sein Gesicht ein wenig. „Daddy geht es nicht so gut. Er macht sich Sorgen."

Als er Poseidon erwähnte, verkrampfte sich alles in Percy ein wenig. Er wollte nicht über den Gott des Meeres reden, oder nachdenken. Also fragte er nicht nach, worüber sich Poseidon Sorgen machte, denn die Antwort war offensichtlich. Er war kurz davor, sein ganzes Reich zu verlieren. Aber er musste nicht nachfragen, Tyson redete auch so weiter. Percy seufzte.

„Weißt du, er verliert immer mehr. Pontos weitet seinen Einflussbereich immer weiter aus. Der Palast wird immer häufiger angegriffen.", es überraschte Percy nicht, dass sein Vater inzwischen nichts mehr vor Tyson verheimlichte. Sein Verstand glich inzwischen dem eines Teenagers und da konnte man sich mit solchen Dingen auseinandersetzen. „Und er macht sich Sorgen um dich.", fügte Tyson noch hinzu.

Diese Bemerkung führte dazu, dass Percy ein Lachen unterdrücken musste. „Um mich.", seine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus.

Sein Bruder sah ihn verwirrt an. „Du bist sein Sohn. Natürlich macht er sich um dich Sorgen.", Tyson sagte das, als wäre das etwas selbstverständliches.

Percy schnaubte. „Er-...", begann er.

Er macht sich doch nur Sorgen darum, ob ich den Dolch finde, oder nicht, schoss es ihm durch den Kopf.

Er wollte so vieles sagen, doch dann sah er in Tysons Gesicht und brachte es einfach nicht über sich. Sein Bruder und Poseidon verstanden sich gut und auch, wenn die Beziehung zwischen Percy und ihm schwierig war, so wollte er nicht Tyson gegen seinen Vater aufstacheln. Dafür sah er immer noch zu sehr den kleinen, obdachlosen Zyklopen vor sich.

„Lass' uns über etwas anderes reden, ja?", bat Percy und schenkte Tyson ein kleines Lächeln.

„Ist in Ordnung.", er wirkte, als hätte niemand sein Gemüt auch nur eine Sekunde lang bedrückt. „Daddy will, dass ich dir das hier gebe. Ich habe sie in der Schmiede gemacht!"

Tyson strahlte Percy an und reichte ihm ein kleines Päckchen. Mit verwunderten Gesichtsausdruck nahm er es entgegen und betrachtete es. Es war klein, leicht und in braunes Papier gewickelt. Vorsichtig fing er an, es zu öffnen. Noch war er ein bisschen misstrauisch, er fragte sich, von was Poseidon wollte, dass Tyson es ihm gab. Doch dann entfernte er die letzte Schicht Papier und es ergab Sinn. Scharf sog Percy die Luft ein.

„Tyson, ist das-...?", fragte er mit weit aufgerissenen Augen.

Sein Bruder nickte lächelnd. „Ich habe das eigentlich schon länger vorgehabt, aber du hast es ja zuerst nicht gebraucht. Und jetzt benötigst du sie umso dringender."

Diese Worte waren mehr als wahr. Ehrfürchtig nahm Percy die Armbanduhr aus Himmlischer Bronze in die Hand und betrachtete sie. Sie sah aus wie eine komplett normale Uhr, doch er wusste, dass sie viel mehr konnte. Und im Gegensatz zum ersten Modell konnte sie sogar die Uhrzeit anzeigen, ein kleiner Sekundenzeiger tickte fröhlich vor sich hin, während der Stunden- und Minutenzeiger momentan auf der Stelle verharrten.

„Sie ist so leicht.", staunte Percy.

„Gefällt sie dir?", wollte Tyson wissen.

„Sie ist toll!"

„Los, du musst sie ausprobieren!", verlangte Tyson und lehnte sich gespannt ein wenig nach vorne.

Percy machte sich die Uhr um das linke Handgelenk, dann sah er fragend zu seinem Bruder.

„Welchen Knopf muss ich drücken?", fragte er nach.

„An der Seite."

Er drückte den Knopf an der Seite und sofort weitete sich das Metall in Sekundenschnelle, bis sich an Stelle der Uhr ein kreisrundes Schild mit einem Durchmesser von 75cm befand. Für die Größe war er erstaunlich leicht, Percy spürte das Gewicht zwar ein wenig, doch im Gegensatz zu vielen anderen Schilden spürte er bei diesem schon im ersten Moment, dass er ihn nicht beim Kämpfen einschränken würde. Weder in Beweglichkeit, noch in Schnelligkeit.

Die Himmlische Bronze schimmerte im Licht, Percy war fasziniert vom Glanz. Tyson musste den Schild noch vor seiner Ankunft poliert haben.

Insgesamt war es sehr schlicht gehalten, das war Percy auch lieber so. Waffen waren zum Kämpfen da und nicht, um bewundert zu werden. Doch in der Mitte des Schildes befand sich ein Dreizack und Wellenmotive.

„Wie fühlt er sich an?", wollte Tyson wissen. „Wenn irgendwas nicht passt, kann ich es noch ändern."

„Nein, Tyson. Der Schild ist perfekt.", erwiderte Percy. „Danke."

Sein Bruder lächelte glücklich. „Es wird dich beschützen, da bin ich mir sicher."

Diese Bemerkung ließ Percys Herz ein wenig aufgehen. Tyson gehörte für ihn seit langem zur Familie und er machte sich ebenfalls immer Sorgen um ihn.

Percy fand einen kleinen Knopf auf der Rückseite und drückte auf ihn. Augenblicklich faltete sich der Schild zusammen und sah wieder aus wie eine Armbanduhr. Tyson stand auf und trat von einem Fuß auf den Anderen.

„Ich muss jetzt wieder los.", murmelte er dann leise. Er ging zu Percy und schloss ihn zum Abschied erneut in die Arme. „Richte Annabeth nette Grüße von mir aus."

„Mache ich."

Percy drückte Tyson ebenfalls an sich. Er hoffte sehr, dass es nicht das letzte Mal war, dass sie sich sahen. Und als sein Halbbruder: „Pass auf dich auf, Bruder." sagte, hoffte er, dass er diesen Wunsch erfüllen konnte.

Die Waffe der MeereWo Geschichten leben. Entdecke jetzt