3 Kapitel

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"Atme, atme,atme" wiederholte ich wie ein Mantra. Mir war heiss, mein Herz schlug mir bis zu meiner Kehle, mein Mund war trocken und ich verstand nicht was verdammt nochmal mit mir los war. Eigentlich wollte ich nur wegrennen.
Eine gefühlte Ewigkeit lehnte ich an der Wand, spürte den kalten Beton im Rücken und musste wieder an seine Augen denken. Genau so kalt waren sie.
Weshalb ist er so? Wieso hat er so einen toten, leeren Blick? Woher kommen die Narben? Wie alt ist er?
All das strömte mir durch den Kopf, Fragen über Fragen.
Er war kein Junge mehr, er war um Einiges älter als ich, das wurde mir sofort klar.
Was wollte ich von ihm? Wieso verhielt ich mich so?
Keine Ahnung, ich war dermassen von dieser Begegnung überfordert, dass ich nicht mehr klar denken konnte.
Ich wurde noch nie so angesehen...
Langsam beruhigte ich mich, atmete tief ein und aus.
Vergiss das sofort Nina, sagte ich zu mir selbst. Nein, der Kerl ist gefährlich, so richtig gefährlich. Alles an ihm schreit nach Kriminalität, Brutalität und Gefahr. Egal was du fühlst Nina, egal wie neugierig du bist, lass es.
Geh rein, sei normal, Haha, und dann gehst du schön nach Hause und vergisst das alles!
Nachdem ich mit meinem Selbstgespräch fertig war, ging ich wieder rein. Ich setzte ein Lächeln auf und unterdrückte die Reaktionen von meinem Körper.
Mein Lächeln als Maske trug ich immer, darin hatte ich Übung, das konnte ich gut.
Miloš und Tamara frassen sich fast auf, der besoffene Milan lachte über sich selbst und Sergej... Sergej stand an der Bar. Er beobachtete das Treiben und starrte mich dann wieder an. Dieses Starren verursachte mir eine Gänsehaut.
Ich ging noch tanzen, rauchte und genoss heimlich sein Starren.


Irgendwann sah ich Tami nicht mehr und ging raus um sie zu suchen aber sie war weg.
Wo zum Teufel war sie nur geblieben?
Bin ich so verpeilt und finde sie nicht?
Sie kann mich doch nicht alleine lassen!
Was sollte ich denn ihrer Schwester sagen?
Ich war eine schlechte Lügnerin, das wusste Tami. Wieso hatte sie mich nicht vorgewarnt? Ich musste mir dringend eine Lüge einfallen lassen.
Tja, so stand ich herum, brütete über diese Situation und rauchte.
"Nina?"
Erschrocken wirbelte ich herum und knallte fast mit Sergej zusammen. "Spinnst du? Du hast mich fast zu Tode erschreckt Sergej!" keifte ich ihn an.
Wieder hob er nur die Augenbraue, kniff aber die Augen zusammen.
"Bitte entschuldige, suchst du Tamara?"
"Ja." Wen denn sonst bitte?
"Sie ist mit Miloš gegangen. Sie bat mich es dir auszurichten, ihrer Schwester hat sie schon geschrieben."
Das ist gar nicht gut, brüllte mein nerviges Gehirn.
Ich stand vor einem Club ohne BH, mein Handy und mein ganzes Geld waren in Tamaras Tasche und ich hatte nur noch 7 Zigaretten.
Wie konnte sie nur einfach so gehen? Scheisse!
Wie viel hatte sie getrunken?
"Nina?"
"Hm? Ja?"
"Wieso starrst du auf den Boden?"
"Ich zähle und rechne."
"Bitte was?"
Ich räusperte mich.
"Also ich zähle in Gedanken wie viel Tami wohl getrunken hat und rechne gleichzeitig wie lange ich zu Fuss bis zu meinem Personalzimmer brauche. Es ist kalt, ich hab keinen BH an und habe keine Jacke. Leider auch nur 7 Zigaretten, mein Handy und mein Geldbeutel sind in Tamaras Tasche und das ist gar nicht gut" murmelte ich Stirnrunzelnd vor mich hin "Kannst du bitte Miloš anrufen und fragen, ob er mir meine Sachen wenigstens bringen kann?"
Scheisse, hatte ich das mit dem BH echt gesagt? Wie dämlich kann man sein?
Etwas belustigt schaute er zu mir runter und legte den Kopf schief.
"Ich kann es versuchen aber... sie waren sehr in Eile und ziemlich stürmisch, wenn du verstehst."
Ich hörte ihm gar nicht richtig zu, sondern fragte mich wie gross der Kerl war. Mein Nacken war schon steif vom Hochsehen. Er hatte sehr breite Schultern, sein schwarzes Shirt klebte ihm an der muskulösen Brust und sein Blick liess mich frösteln.
Ich war verwirrt, mein Körper kribbelte und schon wieder war der Drang da, seine Narben zu berühren.
"Nina?"
"Ja das bin ich."
Da lachte er laut auf.
Toll, ich war ein Zwerg der ihn zum Lachen bringt, dachte ich genervt.
"Ich weiss, dass du das bist. Hast du mir überhaupt zugehört?"
"Nein, tut mir leid."
So etwas passierte auch ständig. Ich schaltete einfach ab.
Er lächelte leicht aber kein Lächeln war in den Augen zu erkennen...komisch. Wie machte er das? So Ausdruckslos und so kalt sahen seine Augen aus und doch rauschte mein Blut wie ein Sturm durch meinen Kopf.
"Nina ich werde dich nach Hause fahren. Tamara hat mir noch deine Schlüssel hingeworfen als sie...naja... von Miloš verschleppt wurde."
Er?
Nein, das ist keine gute Idee.
Das ist eine saublöde Idee.
Andererseits, wie komme ich dann sonst in mein Bett?
"Wieso ist das eine blöde Idee?" Scheisse, laut gedacht.
Ich war so was von peinlich.
"Sergej, ehm, das ist sehr nett aber ich kenne dich gerade mal ein paar Stunden. Du könntest ein Mörder, ein Vergewaltiger oder auch ein kompletter Psycho sein. Ich steige nicht einfach so zu Jemandem ins Auto und wie alt bist du eigentlich?
Ich kenne nicht mal deinen Nachnamen und tut mir leid, aber du siehst auch nicht gerade wie ein Priester aus" stellte ich nüchtern klar.
Oje... das war wohl nicht gerade intelligent gewesen, denn sein Blick wurde noch kälter und er sah mich missbilligend an.
So wie er aussah, diese Muskelberge...er könnte mir locker den Hals brechen!
"Erstens bist du diejenige, die Selbstgespräche führt. Wenn du schon von Psychos redest! Ein Priester bin ich nicht das stimmt. Ich bin wohl der grösste Sünder auf Erden."
Er kam mir sehr nahe, so nahe dass ich zwischen ihm und der Wand eingeklemmt war.
Er roch sehr gut, bemerkte ich. Der Geruch benebelte mich etwas.
"Und Nina, sehe ich in deinen Augen so aus, als hätte ich es nötig, mich einer Frau aufzudrängen? Antworte mir!" herrschte er mich an.
Er hatte zwei, sehr grosse, Finger unter mein Kinn gelegt und zwang mich ihn anzusehen. Ich schluckte und starrte ihn an. Analysierte seine Worte und atmete tief diesen Geruch ein. Dann musste ich lächeln.
"Es tut mir leid Sergej, nein du siehst nicht so."
Du siehst für mich schön aus, dachte ich... und gefährlich.
"Männer müssen nicht schön sein Nina, aber danke."
Scheisse schon wieder laut gedacht.
"Ich gehe kurz noch Milan holen und dann fahre ich dich Heim.
Ach Nina, ich bin 28."
Nochmal scheisse!
Ich war definitiv zu jung für diesen Mann.
Mein Herz wurde schwer und ich konnte ein Seufzen nicht unterdrücken.
Und so wie er aussah, würde er nichts mit einer bleichen, gestörten und zutiefst langweiligen Jungfrau anfangen. Vielleicht war das auch gut so. War das Anziehung oder der Reiz an der Gefahr, die bei mir all diese komischen Gefühle auslöste?
Ich konnte es nicht sagen.

My Destiny Mein Schicksal  (Teil 1, Teil 2 heisst HOFFNUNG, HOPE, NADA)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt