Epilog, Sergej

195 5 16
                                    


Wieder trank ich die ganze Nacht an dem noch zu frischen Grab meines Engels.
Meines schönen, klugen und mutigen Engels.
Sie würde mich verstehen und mich nicht verurteilen.
Wahrscheinlich schwebte sie jetzt um mich herum und gab auf mich Acht.
Ja das würde mein Engel tun. Mein Engel würde mich nie verlassen, selbst nach dem Tod wachte sie über mich.
Ich rauchte ihre Zigaretten und trank Whiskey.
Die verfickten Behörden wollten mir verbieten meinen Engel auf unserer Insel zu begraben.
Verdammte Arschlöcher und alle käuflich!
Was einige Tausend Euro so bewirken konnten, war erstaunlich.
Mein Grab würde neben meinem Engel sein, hier auf unserer Insel.
Für immer wir Zwei.
Sie wollte, dass ihre letzte Ruhestätte hier war. So wurde es mir von...
Unwichtig, ich würde diese Menschen wahrscheinlich nie wieder sehen.
"Sergej" hörte ich die Stimme von Lazar.
Ich antwortete nicht, er würde mich auch so informieren.
"Die Überreste des Schützen wurden gefunden. Die Polizei denkt, er wäre unter einen Zug gekommen. Du hast sehr wenig von ihm übrig gelassen" hörte ich weiter seine ruhige Stimme.
"Ich war etwas wütend" erklärte ich ungerührt.
Ich hatte diesem Arschloch alles abgeschnitten was man nur abschneiden konnte. Zuvor hatte ich erfahren, dass die Kugel für mich bestimmt war.
Mein Engel hatte mir das Leben gerettet.
Nur wollte ich kein Leben ohne sie.
Es hatte keinen Sinn, nur sie hatte einen Sinn gehabt, sie war mein Leben gewesen.
Also würde ich mich einfach weiter betrinken bis unser Stefan heiratete und dann würde ich sterben.
Ich fand diesen Plan gut.
Mein Engel würde wollen, dass ich noch da blieb bis unser Sohn seine Danijela heiratet.
Ich würde hier, auf der Insel, über sie wachen und warten bis ich endlich sterben konnte.
"Sergej iss bitte etwas und leg dich hin" bat mich Lazar eindringlich.
"Ich werde hier schlafen Bruder, Hunger habe ich keinen."
Was sollte denn das?
Wieso sollte ich hier weg?
Mir ging es besser wenn ich hier war, an ihrem Grab.
Sobald ich mich entfernte, verlor ich etwas die Beherrschung.
Ich wollte ja nicht aus Versehen Lazar töten.
Das würde mein Engel nicht wollen.
Lazar fühlte sich schon schuldig genug. Er trauerte mit seiner ganzen Seele um seine Kleine. Ja, für ihn war sie seine Kleine gewesen und er musste wieder am Grab eines geliebten Menschen Tränen vergiessen.
Er hatte sie so sehr geliebt...
"Ich hole dir etwas zu essen Sergej. Das geht so nicht weiter, du bist schon den vierten Tag hier."
Na und?
Ich war bei meiner Frau, da gehörte ich doch auch hin!
"Wo willst du denn bleiben wenn wir wieder gehen müssen? Bleibst du im Haus?"
Seine Sorge und seine Fragen kotzten mich an.
Ich hatte alles schon geplant und vorgesorgt.
"Das verfickte Haus gehört Stefan. Ich bleibe im Bungalow gleich drei Meter hinter mir. Genau hier werde ich auf meinen Tod warten und mich dann neben meinen Engel legen. Was verstehst du daran nicht? Sobald Stefan heiratet werde ich sterben, so einfach ist das."
Nina hatte recht, bei mir klang alles wie ein Drohung.
Schon erstaunlich!
Sie hatte immer recht gehabt, auch bei ihren üblen Vorahnungen. Nur hatte sie nie an sich gedacht und das führte dann zu ihrem Tod.
"Lazar hast du den Rest erledigt? Muss ich sonst noch jemanden killen?"
Daran hätte ich jetzt Spass.
So richtigen Spass!
"Natürlich. Die Konkurrenz wird nächsten Monat nicht mehr existieren."
Schade, er war sehr effizient und plante gut.
Er liess mich nicht töten.
Leider!
"Sergej ich vermisse meine Nina so sehr" sagte er plötzlich und setzte sich neben mich, trank aus meiner Flasche Whiskey.
Was sollte ich denn dazu sagen?
Ich konnte nicht beschreiben wie sehr ich meinen Engel vermisse!
Ich wollte nur in Ruhe über sie wachen, sonst war mir allles scheissegal.
"Sergej sie würde nicht wollen, dass du dich so verhältst. Komm bitte mit, iss und nüchtere dich aus. Stefan braucht dich doch."
Lazar war ein guter Freund, der beste Bruder!
Aber er verstand es einfach nicht.
Ich hatte mit meinem Sohn zwei Tage und Nächte hier verbracht.
Hatte mit ihm geweint.
Er verstand mich, er sagte ich soll auf seine Mutter aufpassen. Diese Gewissheit brauchte er, so funktionierte er, sein Herz war wie das seiner Mutter. Auch Nikola trauerte um seine Mutter und verlangte, dass ich über sie wachte. Die Jungs brauchten diese Gewissheit.
"Stefan will, dass ich auf sie aufpasse Lazar. Nikola auch. Ich habe ihnen auch versprochen ab Morgen zu essen. Bis Morgen bleibe ich hier Lazar. Ich werde immer hier bleiben!" bellte ich ihn an.
Ich war sehr reizbar und der Dreckskerl in mir kam immer wieder hoch.
Der Psycho, wie mein Engel mich manchmal nannte.
Ich war ein Psycho, doch das störte mich nicht.
Sie hatte auch den Psycho geliebt.
"Dann wirst du also nur zu Stefan's Hochzeit auftauchen und dich dann abknallen? Was ist mit Bogi und Nada und den Kindern?"
Lazar klang sehr wütend.
Wovon redete er nur? Und wieso schrie er so laut neben meinem Engel?
"Stefan wird mich besuchen kommen so oft er kann. Ich werde mich dann auf seiner Hochzeit vorbildlich benehmen, dann wieder hierher kommen und sterben. Wieso sollte ich mich abknallen? Das würde meinem Engel nicht gefallen, sie würde nie so eine blutige Methode wählen."
Ich hatte vorgesorgt und auch wenn ich in der Hölle landete, würde mein Engel mitkommen. Egal wo wir landen würden, es war egal.
Wir werden auch dort zusammen sein.
"Lazar geh zu deiner Frau und lass mich mit meiner Frau alleine" sagte ich müde von dem ganzen Gerede.
"Sergej bitte, kontrollier dich und achte auf dich" bat er mit sehr erschöpfter Stimme.
Er legte seine Hand auf meine Schulter und liess mich dann endlich mit meinem Engel allein.
So war es schon besser.
So konnte ich nur an sie denken, alle Erinnerungen durchleben.
Mein Körper war schon tot.
Mein Herz in millionen Stücke gerissen.
Das Einzige was mir blieb, waren die Erinnerungen an ihre Augen, an ihr Lächeln, an ihre Liebe.
Die Erinnerungen eines schönen Lebens, das ich nur dank ihr hatte.
Damit konnte ich noch eine Weile überleben.
Nur noch eine Weile und dann würde ich meinen Engel wieder in die Arme schliessen.
Fast schon konnte ich ihren Duft riechen, ihre Haut spüren und ihr Lachen hören.
Ja, ich freute mich sehr auf den Tod!

My Destiny Mein Schicksal  (Teil 1, Teil 2 heisst HOFFNUNG, HOPE, NADA)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt