Kapitel 9

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Als ich endlich wieder Luft bekam und er mit einer Hand meine Schulter und den Arm runterfuhr, wusste ich nicht was ich tun sollte. Ich konnte ihn nur wie eine Geisteskranke ansehen.
Wie verhielt man sich nach so einem Kuss? Bedankte man sich? War wurde von mir erwartet?
"Hunger?" sagte er dann urplötzlich.
Ach er hatte Hunger.
"Du hast Hunger?"
Wieso war mein Kopf so leer? Ich hatte eigentlich einen sehr grossen Wortschatz
Er seufzte und sah mich etwas belustigt an.
"Ich fragte ob du Hunger hast aber ja, ich kann immer essen" sagte er lächelnd.
Hatte ich Hunger?
Keine Ahnung, ich war wie gelähmt. Mein Körper fühlte sich taub an, mein sonst so gut funktionierendes Gehirn war leer und mir tat langsam aber sicher die Wirbelsäule weh vom Poolrand. Also zuckte ich wie eine dumme Gans mit den Schultern und sagte einfach gar nichts.
Er zog mich langsam mit sich aus dem Wasser, wickelte mich in ein Badetuch und zog mich einfach weiter. Wie ein Kleinkind.
"Ich habe gehört dass du Chinesisch magst, stimmt das?"
Gehört? Sicher von Tamis Sperminator. Also redeten Männer doch, ich wusste sofort, dass Miloš nicht die Klappe halten konnte.
"Sperminator also? Ha! Damit kann ich ihn jetzt verarschen!"
Gott, schon wieder!
"Es tut mir leid, ich merke manchmal nicht, dass ich laut denke" ich schämte mich, so sollte ich nicht über seinen Kumpel denken.
"Du redest auch im Schlaf. Du hast von mir geträumt, stimmt's?" fragte er neckend.
Tja, ich hatte den Tiefpunkt an Peinlichkeit erreicht. Schlimmer ging es doch nicht.
"Ja, naja, nicht ganz."
"Nicht ganz? Wie geht denn nur halb?"
Jetzt musste ich lachen. Er hatte einen eigenartigen und vor Sarkasmus triefenden Humor.
Ich sah ihn an und wollte ehrlich sein.
"Zuerst war es der gleiche Alptraum wie immer, sie schlug mich blutig aber dann... dann warst du plötzlich neben mir. Ich war im Traum noch ziemlich klein. Du hast mir meine Tränen weggewischt, mich umarmt und mir versprochen mich zu beschützen. Du hast mich einfach weggetragen und dabei so schön gelächelt, als würde die Sonne strahlen. Was ja schon komisch ist, du lächelst nie richtig oder zumindest erreicht es deine Augen nicht." Ich hatte einfach drauflos geredet und bemerkte erst jetzt, dass er mich sehr ernst anschaute. Er suchte wohl die richtigen Worte oder ich hatte mal wieder Müll erzählt. Allerdings hatten in meinem Traum seine Augen anders ausgesehen, erinnerte ich mich plötzlich. Sie hatten eine andere Farbe gehabt und auch Sergej's Statur war in meinem Traum anders gewesen. Komisch, sehr seltsam.
"Dann war ich in deinem Traum dein Held?" fragte er ungläubig. 
"Ja, du hast mich gerettet" oder wenigstens dachte, du wärst es gewesen.
Er holte tief Luft und schluckte hörbar.
"Das höre ich zum ersten Mal. Ich bin ganz sicher kein Held Lepotice aber... ich bin froh hatte dein Traum ein gutes Ende."
Kein Held also? Naja, das war ja klar.
Er sah aus wie ein rachsüchtiger, gefallener Engel. So stellte ich mir in etwa Lucifer vor.
"Also Chinesisch?" riss er mich aus meinen Gedanken.
"Sergej ich..."
"Was denn?" fragte er mürrisch.
"Sergej ich will etwas mit dir klären und du musst einfach zuhören. Ich will nicht dass du Geld für mich ausgibst, es ist mir unangenehm. Ich bin Luxus nicht gewöhnt, mich machen auch die Kameras nervös.
Versteh mich nicht falsch, dein Haus ist wundervoll aber ehrlich gesagt... ich möchte nicht, dass du denkst ich würde dich ausnutzen."
"Nina" wollte er mich unterbrechen doch diesmal liess ich ihn nicht.
"Moment ich bin noch nicht fertig!" Zitternd atmete ich aus und fuhr dann weiter "Du hast mir wohl den schönsten ersten Kuss geschenkt, den sich ein Mädchen vorstellen kann. Mir ist auch klar, dass dir so etwas vielleicht nichts bedeutet, aber sei gewiss es war das Schönste was ich je erlebt habe. Du bist ein komplizierter und toller Mann und ich möchte, dass du weisst, dass ich mich nur von Sergej küssen liess. Von dem Mann, nicht dem Geld. Ehrlich gesagt macht mir dieser ganze Luxus furchtbare Angst."
Phuuu, es war raus und ich atmete tief durch. Meine Güte, wieso fühlte sich das nur so schwer an?
"Bist du jetzt fertig?"
Ich überlegte und sagte dann ja.
"Lepotice, ich habe Geld, ja. Es ist angenehm und ich mag den Luxus. Was den Kuss angeht, denk nie wieder ich hätte dich aus Mitleid geküsst oder es würde mir nichts bedeuten. Mitleid ist eigentlich ein Fremdwort für mich. Ich wollte dich küssen, und auch einiges Andere mit dir anstellen, als ich dir zum ersten Mal begegnete. Ich wollte mich von dir fernhalten, weil du so jung bist. So unschuldig. Aber weisst du Nina... ich habe noch keine Frau getroffen, die wusste wer Fragonard ist und die Bukowski las. Eine Frau, die Bücher mehr liebte als Schmuck. So bist du und ich will mich nicht mehr von dir fernhalten."
Er sah mich sehr eindringlich und finster an, angsteinflössend.
"Ich werde mich auch nicht mehr von dir fernhalten Nina, ich bin ein egoistisches Monster. Ich sehe dich gerne an, du hast die schönsten Augen die ich je gesehen habe und du hast eine verwundete und alte Seele die sich in ihnen spiegelt. Du musst dich damit abfinden, dass du mich nicht mehr so schnell los wirst" sagte er leise und streichelte meine Wange "Es sei denn du willst nichts mit mir zu tun haben, denn dann werde ich mich von dir fernhalten."
"Nein!" rief ich aus. Nie hatte jemand so schön über mich geredet und mir wurde warm ums Herz.
Und da lächelte er ganz leicht, nahm mein Gesicht in seine Hände und blickte mich schelmisch an.
"Ich habe vom Sperminator gehört, dass du Rind Szech Huan verschlingst wie andere Frauen Schokolade?"
Ich prustete los und mir kamen die Tränen. Woher hatte er bloss seine Vergleiche über Frauen?
"Ja, das stimmt. Ich liebe dieses scharfe Gericht und leider kann ich Unmengen davon verdrücken."  Es war mir etwas peinlich aber ich gehörte nicht zu den Frauen, die von einem Salat satt wurden.
"Gut so, dann hat Sperminator ja nicht gelogen. Die Beiden kommen übrigens auch" verkündete er grinsend.
Oh.
"Du hast sie angerufen? Aber du wirst ihn doch nicht tatsächlich so nennen? Ich meine er wird sauer werden und dann habe ich Tami am Hals" sagte ich düster.
"Ach, mein Cousin verdient es geärgert zu werden. Schliesslich nervt er mich seit Wochen wegen dir."
Aha... warte was?
"Cousin?" wiederholte ich überrascht.
Wieder hob er nur eine Augenbraue.
"Wusstest du das nicht? Hat dir Tamara nichts gesagt?" fragte er neugierig.
"Nein Sergej aber... weisst du wir haben die letzten Wochen nicht viel geredet. Sie war sehr beschäftigt." Ich wurde tatsächlich rot als ich das sagte. Wie sollte ich ihm denn verklickern, dass die Beiden andauernd Sex hatten? Sie taten fast nichts anderes mehr.
"Ja, das kann ich mir gut vorstellen Nina" erwiderte er amüsiert.
Gut, er wusste um was es ging. Ich sollte ihm wohl sagen, dass ich keine Erfahrung hatte und zwar schleunigst.
"Sergej ich... ich bin, also ich habe noch nie und ich weiss ni..."
"Das ist mir bewusst lepotice moja, und ich werde dich nie zu etwas drängen. Ausser dazu, dass du dich anziehst damit wir essen können" unterbrach er mich.
"Müssen wir unbedingt ausgehen? Ich will dich nicht nerven Sergej, aber ich habe keine Lust auszugehen." Ich mochte Menschenmassen nicht besonders und war ehrlich gesagt sehr müde.
"Das habe ich mir auch schon gedacht und deshalb wird uns einer meiner Männer alles holen was du willst. In etwa einer Stunde kommen Frau und Herr Sperminator zum Essen. Danach werde ich sie rauswerfen und dich beim Lesen in meiner Bibliothek beobachten."
Ich schmolz dahin bei diesen Worten und musste lächeln. Dann aber runzelte ich die Stirn.
"Sergej hat deine Haushälterin vielleicht einen Pyjama oder Sportklamotten oder so?" fragte ich ergeben.
Er schaute mich sehr verwirrt an und wieder mal bemerkte ich, dass ich mich anders ausdrücken musste. Nicht jeder konnte meine Gedankengängen folgen.
"Sergej, ich habe seit zwei Tagen die gleichen Klamotten an und das ist langsam eklig" erklärte ich dann.
"Ach das! Mädchen du hast echt komische Gedankengänge. Heute Morgen, während du gezickt hast, habe ich einige Sachen besorgt. Meine Haushälterin hat es gewaschen, in den Trockner gelegt, zusammen gefaltet und jetzt ist es Oben und wartet auf dich" zählte er auf.
Aha. Wie konnte ich das denn nicht bemerkt haben? Hatte ich doch irgend ein komisches Syndrom?
Moment! Er hatte was?
"Du hast mir Kleidung gekauft? Ich will doch nicht..."
"Aber ich will!" schnitt er mir das Wort ab.
Tja, mit ihm zu diskutieren würde wohl nichts bringen. Das hatte ich schnell begriffen. Anstregend, dein Name ist Sergej.
"Na los lepotice, geh ins Bad es wartet alles auf dich."
"Und wo duscht du?" Hatte ich das echt gefragt? Wie kam ich nur auf so etwas?
Belustigt sah er auf mich runter.
"Ich habe ein Badezimmer, angrenzend an mein Schlafzimmer."
War ja klar, er hatte drei Badezimmer.
Ich war echt überfordert!
"Oder soll ich mit dir duschen?" fragte er anzüglich.
Ich zuckte zusammen. Ich hatte mich in eine dumme Situation gebracht, weil ich unüberlegt gesprochen hatte. Ein Gefühl sagte mit aber, dass mir das bei ihm nicht passieren sollte. Ich musste lernen den Mund zu halten. Da reckte ich aber auch schon mein Kinn und stolzierte an ihm vorbei.
"Vergiss es, neben dir hat doch kein Mensch mehr Platz in der Dusche!" Und so stolzierte ich davon.
Er lachte und sein Lachen bereitete mir Freude. Es war schön, wenn er gute Laune hatte.


My Destiny Mein Schicksal  (Teil 1, Teil 2 heisst HOFFNUNG, HOPE, NADA)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt