Kapitel 11

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Ich hatte mich in Sergej's Bibliothek verkrochen und büffelte wie eine Besessene. Sergej hielt Wort und störte mich nicht.
Es war so friedlich hier, kein Laut war zu hören und ich konnte meine Gedanken ordnen. Oder wenigstens versuchte ich das.
Es sah mir gar nicht ähnlich, einfach so einige Tage bei einem Mann zu verbringen. Ich war wohl sehr naiv oder gestört, aber es gefiel mir bei ihm zu sein. In seinem Zuhause. Es war schön das Gefühl zu haben, ein Teil von etwas zu sein.
Nur machten mich all die Kameras in den Fluren verrückt. Aber es war sein Zuhause und das musste ich akzeptieren. Ich hatte auch richtig gelegen mit derBibliothek, nicht Sergej hatte sie eingerichtet sondern der spezielle Freund, der seine Wohnung gleich neben der Bibliothek hatte.
Zwischen meinen Büchern und meinen Gedanken verlor ich das Zeitgefühl und merkte erst als es dunkel wurde, wie spät es war. Mein Magen machte sich bemerkbar und ich begab mich auf die Suche nach Sergej, vielleicht hatte auch er ja Hunger.
Nur war das schwerer als gedacht, denn hier konnte man sich verlaufen.
Ich präzisiere, ich dumme Pute verlief mich! Wofür brauchte ein Mensch nur so viele Türen und all den Platz? Die Bibliothek würde mir genügen, mehr bräuchte ich nicht.
Als Mister Bulldozer vor mir auftauchte und mich erschreckte, schrie ich auf und hätte mir fast in die Hosen gemacht. Wo kam er nur her und wieso war er so leise?
"Ich wollte sie nicht erschrecken. Suchen sie etwas?"
Tja, kurz angebunden war er ja. Er hatte aber eine wundervolle, tiefe Stimme und sehr gutige Augen. Das musste der spezielle Freund sein, ganz sicher.
"Ich suche Sergej und habe mich verlaufen" erwiderte ich beschämt. Und ob man es glaubt oder nicht, der Kerl lächelte tatsächlich. Besser gesagt, er lachte mich aus und das von ganzem Herzen.
Er hatte ein sehr schönes Lachen und kurz setzte mein Herzschlag aus.
"Sergej trainiert. Gehen sie nach Unten, dann die rechte Tür neben dem Pool" gluckste er fröhlich weiter. Seine Augen leuchteten richtig dabei, man sah ihnen das Amüsierte an. 
"Hier gibt es NOCH mehr Türen? Ist das ihr Ernst? Was gibt es denn noch?" platze es aus mir heraus. Das durfte doch nicht wahr sein.
Damit brachte ich den Kerl noch mehr zum Lachen und das belustigte auch mich. Er hatte ein sehr warmes und ansteckendes Lachen.
"Wie heissen sie eigentlich? Wenn sie mich schon auslachen, dann würde ich gerne ihren Namen wissen, während ich sie in Gedanken verfluche!"
"Mein Name ist Lazar" erwiderte Bulldozer und lachte sich schlapp über meine gespielt beleidigte Miene.
"Ich bin Nina. So Lazar ich gehe mich jetzt Unten verlaufen!"
"Nina, warte. Ich begleite dich wohl besser" erklärte er lachend und zog mich mit sich.
Und wie konnte es anders sein, ich landete in einem Fitnessraum.
Natürlich, wieso habe ich mir das nicht gedacht.
Die ganzen Geräte fand ich langweilig aber ich sah neugierig Sergej zu. Er drosch auf einen Boxsack ein mit nacktem Oberkörper. Er machte das echt gut, viel zu gut!
Er war schnell, verdammt schnell und benutzte auch seine Beine.
Gruselig, wie in diesen MMA Filmen sah das aus. Ganz ehrlich, ich würde mich nie mit dem Kerl anlegen wollen.
Wozu brauchte er eigentlich Security wenn der so kämpfen konnte?
Naja, ich wollte es gar nicht wissen.
Er bemerkte mich und kam langsam auf mich zu.
"Na, meine schöne Streberin. Fertig gelernt?" neckte er mich.
"Für heute ja. Ich habe Hunger und bin müde. Also eigentlich würde ich am liebsten schlafend essen!"
Damit brachte ich ihn zum Lachen und das lenkte mich von seinem Körper ab. Verschwitzt sah er geradezu pornös gut aus!
"Dann lass uns im Bett essen."
Echt jetzt?
"Ja lepotice echt, und dazu schauen wir einen Film" meinte er schmunzelnd.
"Du willst, dass ich Tollpatsch in deinem wunderschönen, weichem Bett esse?"
Der spinnte doch, am Schluss bräuchte er eine neue Matratze.
"Ja genau das will ich. Meine Haushälterin hat leckere Hähnchensandwiches gemacht und noch Erdbeeren besorgt. Mit Schlagsahne" Oh Erdbeeren... aber bei dem Wort Schlagsahne dachte ich an etwas völlig anderes. Ich wurde langsam pervers.
"Ich gehe kurz duschen Nina und hole uns alles. Such du doch Oben einen Film aus."
Er küsste mich kurz und verschwand. Ich trottere ihm hinterher und dachte nur an Schlagsahne auf seinem Bauch.
Scheiss Hormone, die musste ich in den Griff bekommen!
Da ich keine Ahnung hatte in welchen Schubladen sich die DVD's befanden, öffnete ich Eine nach der Anderen.
Wie viel Kleidung brauchte der Mann denn? War er so eitel? Und ja, er stand echt auf Boss. Als ich die Schublade neben seinem Bett öffnete, gefror ich zu Eis.
Dort lag eine Pistole und ein hässliches, grosses Messer. Ich musste schlucken und schloss die Schublade schnell.
Meine Hände zitterten bei del Gedanken, dass er das Messer wirklich einsetzte.
Nicht denken Nina, lass es!
Sergej kam rein mit einem vollbepackten Tablett und sah etwas verwundert die offenen Schränke an, dann mich.
"Ich habe keine Ahnung wo die DVD's sind und einen Ferseher sehe ich auch nicht!" motzte ich ihn an um meine Nervosität zu überspielen.
Da stellte er tatsächlich das Tablett auf das wundervolle Bett und ging an das Fussende. Ich konnte nur den Kopf schütteln.
"Du kannst hier drauf drücken lepotice" und schon fuhr irgend so ein Teil nach Oben und ich sah den Fernseher... praktisch!
"Hier sind die Filme, such dir etwas aus"
Und schon wieder war ich überfordert, es waren um die 100 Filme. Wieso konnten es nicht so um die fünf Filme sein?
Ich entschied mich gleich für Interview mit einem Vampir, denn ich wollte nicht lange suchen und er sah nicht aus, als würde er Liebesfilme mögen.
"Den magst du?" fragte er überrascht.
"Ja Sergej, der ist toll."
Er schüttelte leicht den Kopf und murmelte etwas von, zum Glück kein Liebesfilm. Ich musste lächeln. Ich setzte mich vorsichtig auf das Bett, sehr bemüht dem Essen nicht zu Nahe zu kommen.  Ich war manchmal sehr ungeschickt.
Sergej hingegen kümmerte es kein bisschen, er stellte es in die Mitte des Bettes, drückte mir ein riesiges Sandwich in die Hand, schaltete das Licht aus und gesellte sich zu mir.
Ich ass das köstliche Sandwich, trank meine Cola und schaute mir den Film an. Sergej's Blick spürte ich die ganze Zeit und das wurde unangenehm "Hör auf mich anzustarren Sergej!" murrte ich.
"Du bist interessanter als der Film. Ausserdem bist du selbst schuld, du stöhnst jedes Mal wenn du in das Sandwich beisst." Echt? Das hatte ich gar nicht bemerkt.
"Es ist sehr lecker, deine Haushälterin hat magische Hände!"
"Das freut mich. Möchtest du noch eins oder lieber die Erdbeeren?"
Das konnte auch nur ein Mann fragen!
"Erdbeeren, bitte."
Als ich die Erdbeere in die Schlagsahne tunkte, kamen meine Gedanken zurück und mir wurde heiss. Als ich sah wie er eine Erdbeere in die Schlagsahne... tja, da bekam ich noch ganz andere Gedanken.
"Ich geh duschen Sergej!" verkündete ich prompt und flog fast ins Bad.
Scheiss Hormone! Durchlebte ich erst jetzt die Pubertät? Löste seine Nähe und seine Verruchtheit das etwa aus?
Ich stieg so schnell unter die Dusche wie ich konnte und stellte sie so kalt wie möglich ein. Ich brauchte Abkühlung.
So hielt ich es etwa 10 Minuten aus, stieg dann wieder aus der Dusche und rubbelte mir mein Haar etwas. Ich band es zusammen und zog dann meinen Pyjama an. Zähne putzen und noch meine geliebte Bodybutter auf mein Gesicht klatschen.
Als ich ins Zimmer ging, war das Tablett weg und Sergej schaute mich argwöhnisch an.
"Alles in Ordnung?"
Pfff, wenn du wüsstest!
"Ja alles gut" antwortete ich und legte mich zu ihm. Er zog mich zu sich und ich schnupperte an seinem Hals. Ich liebte diesen Mann, aber das war doch krank. Liebte ich ihn? War dieses Chaos in meinem Kopf Liebe? Ich kannte ihn gerade Mal... wie lange? Ich wusste nichts über ihn.
"Sergej, wann hast du Geburtstag?"
"Am 2. Mai."
"Das ist ja bald. Dann wirst du 29" murmelte ich.
"Stimmt, rechnen kannst du" veräppelte er mich.
"Dann bist du also 12 Jahre älter als ich. Stört dich das nicht?"
"Stört es dich?"
Ich hasste Gegenfragen!
"Nein, überhaupt nicht."
"Na dann ist doch alles geklärt. Lass uns den Film schauen, jetzt fängt er an die Ratten auszusaugen" grollte er düster.
Ich musste lachen, kuschelte mich näher an seine Wärme, schaute Brad Pitt zu wie er Ratten aussaugte, genoss wie Sergej über meine Taille streichelte und schlief in seinen Armen ein.
Mitten in der Nacht wachte ich auf und schlich mich an die Badezimmertür. Ich hasste die Dunkelheit aber ich wollte ihn nicht stören. So leise wie ich konnte machte ich Licht im Badezimmer und liess die Tür einen Spalt weit offen. Hoffentlich würde ihn das nicht wecken, er würde mich bestimmt für eine Idiotin halten. Doch leider fand ich keinen Schlaf und schlich mich dann aus dem Zimmer. Sergej schlief tief und fest, er bemerkte es gar nicht.
So lautlos wie möglich tapste ich die kurze Treppe runter in die Bibliothek und zu meinem Erstaunen sass da Lazar und las. Ohne den Anzug von Heute sah er so...er sah aus wie 20.
"Das Anschleichen müssen wir aber noch üben Nina, dich hört man ja bis in die Arktis" witzelte er ohne von seinem Buch hoch zu sehen. Tja, dabei hatte ich gedacht, ich wäre sehr leise gewesen. Es war ein wunderschönes Bild wie er in grauen Jogginghosen und grauem Pulli, nassen Haaren auf dem grossen Sofa sass. Es wirkte sehr friedlich, ausgeglichen.
"Sergej habe ich nicht geweckt also war ich doch nicht so laut" entgegnete ich und staunte nicht schlecht, als ich das Buch sah.
"Lazo du liest Tolstoi auf Russisch?" Da blickte er lächelnd auf und nickte.
"Für mich ist Russisch wie meine Muttersprache" sagte er weich. Lazar hatte Augen, die nichts verbargen. Man sah ihm seine Stimmung einfach an, seine Seele spiegelte sich definitiv in ihnen.
"Das finde ich sehr schön. Ich kann es leider nicht aber das Kyrillisch ist dem Unseren sehr ähnlich und es sieht so schön aus. Vielleicht lerne ich es ja eines Tages" murmelte ich mehr zu mir selbst.
"Wieso nicht? Du bist noch so jung und kannst alles lernen was du willst. Kannst du nicht schlafen Kleine?" fragte er mich dann interessiert.
"Doch, nein, ich...also...nein, alles okay" stotterte ich. Ich hätte ihm fast vor der Angst in der Dunkelheit erzählt. Er würde, so ein Mann, würde das sicher dämlich finden.
"Setz dich doch Kleines und sag mir was dich bedrückt. Wieso geisterst du um zwei Uhr Morgens herum anstatt dich deinen Träumen hinzugeben?" Wieso? Das könnte ich ihn auch fragen. Ich setzte mich im Schneidersitz neben ihn und forschte in seinem Gesicht. Wieso war er noch wach?
"Wieso bist du denn wach und liest hier wie ein Einsiedler russische Bücher?" Das fand er witzig, er lachte leise vor sich hin.
"Weil ich sonst nicht dazu komme. Ich habe frei, habe die Kameras überprüft, gegessen, war ein paar Runden schwimmen, hatte Gesellschaft und nun tue ich noch etwas für mein Gehirn. Lesen hilft mir beim Denken" erklärte er ehrlich. Das konnte ich gut verstehen, so war das auch bei mir.
"Das kann ich gut nachvollziehen. Ich habe schlecht geträumt und bin dann aufgewacht, habe Licht im Badezimmer gemacht aber konnte dann nicht wieder einschlafen." Ich kam mir blöd vor in meinem rosa Hello Kitty Pyjama neben im zu sitzen und mit ganz verstrubbeltem Dutt.
"Aha. Licht im Badezimmer?" fragte er leise und ich nickte vorsichtig.
"Es ist dumm, ich weiss, aber ich hasse die Dunkelheit und brauche etwas Licht...ach egal, es ist nicht wichitg." Innerlich schalt ich mich eine Idiotin, wieso erzählte ich ihm das.
"Es ist nicht dumm, wieso denkst du das? Du hast deine Gründe dafür und brauchst dich deshalb nicht zu schämen Kleines. Jeden von uns ängstigt doch etwas, das ist normal" sagte er weich und zog mir so den Boden unter den Füssen weg. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet er das versteht.
"Wolltest du etwas lesen? Soll ich dich alleine lassen Nina?"
"Wieso solltest du? Es ist immerhin deine Bibliothek, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich sollte wohl eher gehen." Komisch, irgendwie wollte ich aber nicht gehen. Es war so schön hier.
"Es sind meine Bücher ja. Du brauchst nicht zu gehen, ich unterhalte mich gerne mit dir und wenn ich die Klappe halten soll, damit du lesen kannst dann musst es nur sagen." sagte er lächelnd und widmete sich wieder seinem Buch.
Ich ihm sagen er soll die Klappe halten? Nein, sicher nicht. Das könnte ich nie, ich mochte diesen Mann seit ich ihm begegnet war. Er strahlte eine Ruhe, eine Autorität und sehr viel Charme aus. So war er wahrscheinlich einfach.
"Das werde ich bestimmt nicht aber ich würde gerne etwas lesen. Was empfiehlst du mir?"
"Sturmhöhe" sagte er nur.
Wie bitte? Emily Brontë? ER mochte englische Klassiker?
"Sieh mich nicht so an, nur weil ich ein Mann bist, heisst das nicht dass ich nichts von guten Romanen verstehe. Du hast doch auch angefangen Krieg und Frieden zu lesen, oder etwa nicht? Hast du keine Lust es weiter zu lesen?" fragte er nachdenklich.
"Woher weisst du, dass ich darin gelesen habe und nicht Sergej?" Woher bitte wusste er das nur.
"Weil Sergej sich eher einen Arm abhacken würde als so ein schweres Buch zu lesen, deshalb. Es lag auf dem Tisch und als ich es vorhin versorgen wollte, roch der Einband etwas nach Erdbeeren. Ich habe zwar noch nie an Sergej geschnuppert, aber er riecht ganz sicher nicht nach Erdbeeren. Du hingegen, sobald du in dem Raum kamst, hast genau so gerochen. Wie frische Walderdbeeren im Mai, so ungefähr riecht es hier gerade" erklärte er gleichgültig und blätterte eine Seite um. Ich wusste nicht genau was ich dazu sagen sollte, denn eines war klar, dieser Mann sah und wusste sehr viel. Vielleicht machte er absichtlich den Anschein als wäre er ein Sunnyboy aber, das begriff ich sofort, er war wahnsinnig intelligent, machte exakte logische Verbindungen und drückte sich sehr schön aus wenn er sprach.
"Du bemerkst sehr viel, erstaunlich Lazar. Ich lese gerne mehrere Bücher, so habe ich abwechslung. Jetzt werde ich die Klappe halten, damit du lesen kannst und hole mir Emily's einzigen Roman" sagte ich und hörte ihn wieder leise lachen.
Es war überraschend wie angenehm seine Nähe war, ich entspannte mich vollkommen und tauchte in den Roman. Ich wusste nicht wie viel Zeit so vergangen war, aber ich döste über einem Kapitel ein. Was ich mir wohl einbildete zu spüren, war wie mir jemand eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, mich zudeckte und mir einen Kuss auf die linke Augenbraue gab. Manchmal träumte ich wirklich komische Sachen, das musste ich ehrlich sagen.
Als ich Stunden später aufwachte, lag eine warme Decke auf mir und die Lampe brannte noch immer.

My Destiny Mein Schicksal  (Teil 1, Teil 2 heisst HOFFNUNG, HOPE, NADA)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt