Kapitel 7

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Träume können einem sehr zusetzen, sie können einen Menschen in den Wahnsinn treiben.
Deshalb schlief ich auch immer so schlecht.

Ich träumte wieder den gleichen Traum.
Meine Mutter thronte über mir, schlug mir mit dem Gürtel über das Gesicht, den Bauch, den Rücken. Sie vergrub ihre spitzen Fingernägel in meine noch so kleinen Schultern. Sie schrie und spuckte mich an und mein Kinderhirn fragte sich nur: Wieso tut sie das?
Es fühlte sich so echt an, als würde ich jeden Schlag noch einmal miterleben. Das Brennen der Nägel spüren und ihr Hass brannte mir ein Loch in die Seele.
Ich spürte wie ich wimmerte und genau da veränderte sich der Traum.
Ich sah mit meinen verweinten Kinderaugen zur Seite und da kniete sich Sergej neben mich. Er wischte dem kleinen Mädchen die Tränen weg und lächelte das unschuldige Kind an. Er hob sie hoch, versprach sie zu beschützen und da war meine Mutter verschwunden.
Er lächelte in meinem Traum so schön und warm, dass mein Herz hüpfte und stolperte. Er beschützte mich in meinem Traum, er tröstete das verletzte und blutende Mädchen und versprach ihr Sicherheit.
Ich wollte mich nicht von meinem Traum lösen aber mein Kissen bewegte sich, weckte mich dadurch.

WAS? MEIN KISSEN BEWEGTE SICH?
Ich riss meine Augen auf und wusste im ersten Moment nicht wo ich war. Dann dämmerte mir so Einiges und ich blickte zaghaft nach oben.
Ich schlief auf Sergej und starrte jetzt sein Kinn und seinen Kiefer an. Er hatte mich auf seine Brust gebettet, mit einem Arm umarmt und die andere Hand umklammerte Meine. Er atmete tief und regelmässig.
Er roch so gut nach Mann, Boss Bottled Red und ein bisschen nach Zigaretten. Ich inhalierte tief diesen Geruch und meine Hand begann zu kribbeln. Wie gerne würde ich sein Gesicht berühren, diese drei Narben streicheln und ihn fragen ob er dort etwas spürte.
Ich hob leicht den Kopf und mein Blick glitt zu seinen Lippen, die nicht so streng wie sonst waren. Sie sahen weich und einladend aus, sein ganzes Gesicht wirkte so entspannt. Mir wurde so warm, mein Herz hüpfte aufgeregt und ich wollte unbedingt von diesem Mann geküsst werden. Ich wollte meinen ersten Kuss von ihm haben und das schockierte mich. Ich spürte, dass er gefährlich war aber ich fühlte mich sicher bei ihm.
Es fühlte sich an, als könnte mir nichts passieren solange er da war.
Ganz langsam und sehr vorsichtig fuhr ich mit meinem Zeigefinger über die Narben an seinem Unterarm. Es fühlte sich hart an aber die Haut ohne Narben war schön warm und weich.
Ich fuhr verträumt so weiter bis zum Ellbogen, als ich merkte, dass sich seine Atmung verändert hatte.
Mein Blick huschte nach oben und ich sah Sergej in die Augen.
Er sah mich nur an und ich fühlte mich ertappt. Aber er sah mich weiter an, es schien ihn nicht zu stören.
"Spürst du etwas wenn ich deine Narben berühre?"
Ich dachte nicht darüber nach was ich sagte.
"Nein, das Gewebe ist wie taub. Aber ich spüre deine Berührungen dort wo ich keine Narben habe."
Seine Stimme klang verschlafen und sehr tief aber sein Blick war wachsam.
Ich nickte nur.
"Es tut mir leid, dass du so viel Schmerz erleiden musstest Sergej."
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, er musterte mich sehr gründlich.
Ob ihm wohl gefiel was er sah? Wahrscheinlich sah ich aus wie ein verheultes, aufgequollenes Monster.
Was bitte sollte ihm da schon gefallen?
Ich wollte mich abwenden und aufstehen aber er umklammerte mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen.
"Willst du denn gar nicht wissen, woher ich all die Narben habe?"
Nun war es an mir ihn verwirrt anzusehen.
"Nein Sergej. Wenn du es mir eines Tages erzählen willst, dann höre ich dir zu aber ich werde dich nicht ausfragen. Wenn du es mir erzählen willst, dann werde ich für dich da sein, so wie du es gestern für mich warst" erklärte ich ihm und meinte das auch so.
Und da regte sich zum ersten Mal etwas in seinen Augen, nur ganz kurz, und verschwand wieder.
"Danke. Hast du Hunger Nina?"
"Nicht so sehr aber ich würde gerne duschen und Tami schreiben. Ich glaube sie ist sauer auf mich."
"Nein ist sie nicht, ich habe mich darum gekümmert. Los geh duschen, ich kümmere mich um den Kaffee."
Ich bewegte mich und bereute es sofort. Am liebsten würde ich den ganzen Tag weiter neben ihm liegen, diese Wärme spüren.
Mir war irgendwie immer kalt und das tröstliche Gefühl war verschwunden.
"Sergej?"
"Hm?"
"Wo ist das Badezimmer?" fragte ich zögerlich. Es war erstaunlich, er hatte mir befohlen zu duschen aber mir nicht gesagt wo das Badezimmer war.
Er verzog die Lippen etwas und räusperte sich. "Oben, dritte Tür links. Hier unten gibt es ein Kleines aber das Obere wird dir besser gefallen" sagte er monoton und drehte sich dann einfach um.


My Destiny Mein Schicksal  (Teil 1, Teil 2 heisst HOFFNUNG, HOPE, NADA)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt