Kapitel 54

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Ich stellte die zwei Tassen Kaffee auf den runden Salontisch und hörte wie Sergej aus dem Zimmer kam.
Er setzte sich auf den Sessel und starrte blind vor sich hin.
Ich trank langsam meinen Kaffee und sah Sergej einfach nur an.
Ich wartete ab.
So starrte er vor sich hin und ich starrte ihn an, ich weiss nicht wie lange. Ich ging stumm meinen Gedanken nach und wartete.
"Ich war oft am Grab deines Vaters" sagte er plötzlich mit rauer Stimme "als ich deinen Namen auf dem Grabstein sah, bin ich ausgerastet. Ich habe ihn kaputt gemacht. Dann habe ich ihn ersetzt."
Nun blickte er mich wieder an, sein Blick war unergründlich.
"Ich habe auch alles im Haus demoliert, alles bis auf das Schlafzimmer denn es roch nach dir. Nach Erdbeeren und dir. Nach sechs Monaten habe ich dann alles erneuert, es wurde anstrengend durch die Scherben zu laufen." Er seufzte und trank einen Schluck von dem nun kalten Kaffee und zündete uns eine Zigarette an.
Ich hörte ihm nur zu und wagte es nicht etwas zu sagen.
"Lazar ist ein guter Schauspieler und durch meinen besoffenen Zustand, habe ich nichts kapiert. Ich war so wütend! Ich hatte nur die Wörter von dem Zettel im Kopf. Als Lazar dann verschwunden war, noch am gleichen Tag, begriff ich es. Ich habe deinen Brief immer und immer wieder gelesen, bis ich verstand. Du hast geschrieben: ich liebe alles von dir! Da wurde mir klar, dass du schwanger warst. Mir wurde klar, dass du wohl erpresst oder bedroht wurdest und so das Kind schützt. Mich schützt! Eine Welt brach für mich zusammen und ich wurde ein richtiges Monster, genoss es Schmerz und Angst zu verbreiten. Aber es wirkte, alles beruhigte sich und kurz darauf hörte ich von dem Wandel in der Politik munkeln" sein Blick war in Erinnerungen versunken, seine Stimme leise "von da an verdrängte ich die Gedanken an dich und stellte mir nicht mehr mein Kind vor. Ich musste vorsichtig handeln, die ganze Familie beschützen und dafür sorgen, dass Ksenija beseitigt wurde. Ich bekam mit, wie ich beschattet wurde und dann kam eine Nachricht von Lazar. Das war gut, denn ich wollte den Kerl der mich beobachtete, töten.
Danach beruhigte sich das Monster in mir und ich plante alle Schritte in die Legalität. Das war sehr schwer aber es hat funktioniert, die Schuld bekamen Andere und sie starben schnell.
Zwischendurch bekam ich kodierte Notizen. Lazar war echt gut, er half mir so, mich von dem ganzen Dreck zu lösen. Wahrscheinlich dachte er, ich würde das nicht schaffen" meinte er belustigt "ich machte alles, wie er es auch vorschlug. Ich habe kaum geschlafen, habe mich in all das gestürzt aber in der Nacht...alle Erinnerungen an dich durchbohrten mich. Alles prasselte immer und immer wieder auf mich herab. Mein Herz blutete, es wurde immer schlimmer und wieder demolierte ich das Haus. Habe mir sogar drei Finger gebrochen, doch es half nichts! Nichts konnte den Schmerz und den Zorn betäuben. Weder der Alkohol noch das Töten oder Alles zu zertrümmern. Nichts half und ich bekam die schlimmsten Vorstellungen! Stellte mir vor wie du unter Lazar liegst, wie er dich liebt, wie du dich in ihn verliebst und ich drehte wieder durch, brach mir nochmal die Finger" sagte er Kopfschüttelnd "erst seit Oktober habe ich mich etwas im Griff. Sogar die Tatsache, dass du vielleicht mit ihm zusammen bist akzeptierte ich, denn ich wollte nur dass es dir gut geht." Tief inhalierte er dem Rauch und schüttelte über sich selbst den Kopf. Er sah sehr traurig aus. "Dann kam dein Paket an und ich bereitete mich auf das Schlimmste vor. Zuerst las ich den Brief etwa zehn Mal! Dann sah ich mir die Aufnahme von Stefan's Geburt an. Ich war in einer Schockstarre, hörte dein Jaulen, sah endlich dein Gesicht wieder! Ich sah, wie du um jeden Preis nicht schreien wolltest. Ich hörte wie du Lazar sein Versprechen nochmal abnahmst, sah wie er dich hielt und dir so die Schmerzen erleichtern wollte. Ich sah wie das Köpfchen unseres Sohnes heraus kam und hörte wie du dann meinen Namen geschrien hast" seine Stimme war nur ein Flüstern und eine einzelne Träne lief ihm über die Wange "unter all den Schmerzen hast du an mich gedacht und meinen Namen geschrien. Ich habe mir die Aufnahme drei Mal angesehen. Dann schaute ich mir all die Fotos an! Begriff, dass Lazar Vater geworden war. Sah dich auf den Fotos immer in meinen alten Hemden, du hast sogar zur Geburt mein Shirt angezogen! Du hast auf den Fotos gelächelt aber du sahst trotzdem traurig aus. Nur auf einem Foto hast du zufrieden ausgesehen, auf dem Foto wo Stefan auf deiner Brust schläft" er seufzte traurig und stellte sich vor das Fenster "und jetzt sehe ich all das hier. Du hast dir eine perfekte Kopie vom Bungalow gemacht. Du hast dir eine Phantasie geschaffen, in der ich bei dir bin. Mein Duschgel, mein Parfum, die gleiche Bettwäsche wie in unserem Schlafzimmer. Die Bilder, die du gemalt hast! Nicht eine Minute hast du mich nicht geliebt und wolltest keine Gefahr für mich sein. Unser Sohn hat all das von dir übernommen. Er ist übervorsichtig, er ist so klug und er beschützt Nikola. Ich habe so viel verpasst, es hätte anders laufen sollen. Das war dir gegenüber und unserem Sohn gegenüber nicht fair!" sagte er leise und starrte auf den mit Eis bedeckten Fluss.
Er wirkte sehr verloren.
Als er nichts mehr sagte, räusperte ich mich.
Es tat mir alles so leid. Alles was er sah war beabsichtigt, und trotzdem frassen mich die Schuldgefühle gerade auf.
"Es tut mir sehr leid Sergej. Ich erwarte keine Vergebung. Damals hatte ich die Wahl. Entweder du stirbst, ich verschwinde oder ich sterbe. Ich war schwanger und du warst ausser Kontrolle. Ich konnte unser Baby nicht töten lassen also bin ich geflüchtet. Ich habe mich vielleicht falsch entschieden. Sieh doch was ich angerichtet habe...unser Kind ist so anders, er hat kein normales Leben und Lazar und Nikola auch nicht. Das ist alles meine Schuld! Wäre ich einfach gestorben dann wäre es viel einfacher gewesen. Ich bin der widerlichste Mensch auf Erden Sergej, ich habe alles falsch gemacht und du hasst mich jetzt bestimmt. Vorhin, als du so überfordert warst wegen Stefan und Nikola, da habe ich es begriffen. Ich bin abscheulich, ich bin eine furchtbare Mutter!" mehr brachte ich nicht raus, ich verabscheute mich.
"Wovon redest du nur? Dieses Leben führst du wegen mir! Das habe ich verursacht! Das mit den Kindern wird in Ordnung kommen, ich war nur komplett überfordert. Sie sind wie siamesische Zwillinge, sie trennen sich keine Sekunde und das tat mir weh. Mir tut es weh wie Lazar dich behandelt, mir tut es weh wie Stefan ihn ansieht, mir tut es weh dass ich nicht da war! All das hast du alleine durchgemacht. Lazar war da ja, aber ich kenne dich! Du hast dich abgeschottet. Lazar hat mir Einiges erzählt mein Engel! Du schläfst seit fast drei Jahren nicht richtig, du weinst dich in einen unruhigen Schlaf, du schläfst in meinen Hemden und du hast dir diese Illusionen aufgebaut, nur so konntest du weitermachen" er setzte sich neben mich und nahm mein Gesicht in seine Hände "du hast das alles wegen mir durchgemacht und das tut mir so leid. Es tut mir so weh, dass ich für all das verantwortlich bin! Unser Sohn ist wundervoll, du bist wundervoll und ich muss Einiges wieder gut machen. Wie könnte ich dich hassen, du bist doch mein Leben! Du hast unseren Sohn auf die Welt gebracht und du liebst mich Monster trotz Allem."
Liebevoll streichelte er durch meine Haare, berührte mein Gesicht und küsste mich dann endlich richtig.
Verschlang meinen Mund und trocknete meine Tränen.
Nach einigen Minuten löste er sich von mir und lächelte mich an. Unwillkürlich fragte ich mich, was Lazar alles erzählt hatte.
"Ich denke jetzt haben wir Zeit für ein richtiges Leben mein Engel. Willst du das?" fragte er zärtlich.
Wie konnte er das nur fragen? Natürlich wollte ich das...oder?
"Sergej, das ist alles was ich will. Frag das nie wieder! Ich weiss, dass du wieder gehen musst. Mir ist klar, dass du jetzt ein normaler Geschäftsmann bist und viel Verantwortung hast und ich darf noch nicht reisen. Ausserdem das mit der Geburtsurkunde und..." mein Kopf war voll und ich drückte mich unverständlich aus.
Alles war durcheinander. Etwas stimmte nicht mit mir...es war verkehrt.
"Mein Engel ich verkaufe alles. Alles, alle Geschäfte ausser dem Club. Den behalte ich und habe dann ein wachsames Auge auf die Jungs, wenn sie Blödsinn anstellen wollen. Alles andere wird verkauft, nur die Immobilien vermiete ich weiter. Damit haben die Jungs auch eine Zukunft, obwohl sie wahrscheinlich nie arbeiten müssen. Wir haben genug Geld für fünf Leben. Ich will nur mit euch zusammen sein."
Ich sah ihn erstaunt an.
"Dann gehst du sozusagen...in Rente?"
Tolle Formulierung Nina!
Er lachte befreit und zog mich an seine Brust.
"Genau, in Rente! Ich werde dich an meiner Seite haben, werde sehen wie unser Sohn aufwächst, werde mich mit Lazar streiten und prügeln und Nikola ein guter Onkel sein. Was will man mehr?"
Konnte das so gehen? Würde das eine Zukunft haben? Oder verlangten wir zu viel? Verlangte ich zu viel?
"Sieh mich nicht so misstrauisch an. Sobald du reisen kannst, will ich von hier verschwinden oder willst du hier bleiben?"
Hier bleiben? Mir war es egal, aber was wollte Lazar?
"Mir ist egal wo wir hingehen" sagte ich Schulterzuckend und gähnte.
"Nur müssen Lazar und Nikola mit. Die Kinder können wir nicht trennen, das würde sicher böse Enden!" grübelte ich vor mich hin.
"Natürlich kommen sie mit! Das ist unsere Familie. Komm, lass uns schlafen gehen. Du siehst sehr müde aus" murmelte er und trug mich einfach ins Schlafzimmer. Das hatte er so lange nicht getan. Ich wurde nervös, denn ich wusste nicht was er wollte und ich hatte Angst.
Was wenn ich ihn enttäusche? Wenn es anders ist durch die Geburt? Ob es jetzt weh tut?
Ich wollte wegrennen, das Chaos in meinem Kopf machte mich verrückt.
"Kannst du bitte mit dem Denken aufhören? Das macht mich fertig! Ich werde ganz sicher nicht mit dir schlafen, bis alles in Ordnung ist"sagte er schlicht und zog sich aus.
Er sah schön aus, alles an ihm sah so schön aus und wieder kamen mir die Tränen.
Er war hier.
"Ich werde dich etwas fragen, nur ein Mal und ich will die Wahrheit von dir hören" sagte er ruhig als ich mich zu ihm legte.
"Frag was du willst" murmelte ich an seiner Brust.
"Hast du mit Lazar geschlafen? Ich wäre nicht verärgert, ich will es nur wissen."
Überrascht hob ich meinen Kopf und sah ihm ins Gesicht.
"Das ist doch nicht dein Ernst? Sergej, wie kannst du nur so etwas annehmen?" fragte ich verletzt.
Für mich war das einfach nur Unsinn! Als würde Lazar mich je so anfassen.
"Wieso hast du ihn dann nackt gesehen?" fragte er neugierig.
Ach das!
Boah, ich würde Lazar den Kopf abreissen!
"Sergej" sagte ich seufzend und legte mich auf den Rücken "das war ein blöder Zufall! Jelena war depressiv, ich brachte ihr das Frühstück und er kam aus dem Badezimmer. Da löste sich das Handtuch. Fertig!" meine Güte, das ermüdete echt.
"Und das war es für dich?" fragte er amüsiert.
"Was ist denn daran interessant? Meine Güte, ist doch nur ein Penis! Ich habe mich umgedreht, das Tablett abgestellt und habe dann Stefan gewickelt. Danach, als ich alleine war, habe ich an dich und deine Narben gedacht."
Was hätte es denn bei mir auslösen sollen?
Das hätte uns allen den Kopf...
Irgendwie fühlte ich mich nur noch beschissen und wollte in mein Zimmer im grossen Haus.
"Du beleidigst mich Sergej mit so einer Frage. Du weisst genau wie ich bin" murmelte ich traurig.
"Das wollte ich nicht. Es tut mir leid" sagte er und küsste meine Schulter.
"Ich frage dich nicht Sergej. Es wäre mir egal, was du getrieben hast denn wir waren fast drei Jahre nicht zusammen und trotzdem frage ich nicht. Ich könnte es verstehen und würde dich nie verurteilen!"
Ich drehte mich auf die Seite und nervte mich für meine trüben und verwirrenden Gedanken. Die nervige Stimme in meinen Kopf fragte: aber Nina, wieso hätte es dir nichts ausgemacht? Sollte es dich nicht stören? Ich hasste meine Gehirn gerade.
Er zog mich fest an sich und küsste meinen Nacken.
"Ich habe nichts Dergleichen getrieben" sagte er leise in meinen Nacken.
Ich nickte nur kurz. Diese Unterhaltung nervte mich.
Männer und ihre Penisse!
"Es tut mir leid mein Engel. Vorhin, als er die Jacke über dich gelegt hat, dich auf die Nase küsste, fühlte sich das an wie ein Tritt in die Eier!" Seufzend spielte er mit meinen Haaren
"Es tut weh Nina. Er war fast drei Jahre bei dir, er war bei der Geburt dabei, jeden Tag hat er mit dir verbracht und mich kotzt das an! Dabei bin ich an dem Ganzen schuld" sagte er traurig.
Langsam drehte ich mich zu ihm und küsste ihn innig, dann umarmte ich ihn.
"Du bist da Sergej. Alles andere ist unwichtig, jetzt bist du hier" sagte ich zärtlich und kuschelte mich in seine Arme, so wie er es immer gewollt hatte.
"Das wird auch so bleiben" sagte er leise und hielt mich fest.
Natürlich würde das so bleiben...








My Destiny Mein Schicksal  (Teil 1, Teil 2 heisst HOFFNUNG, HOPE, NADA)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt