Eine unerwartete Reise

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"Ich kann nicht mehr", jammerte Sel, doch Kili lachte: "Wir laufen doch erst seit einer Viertelstunde!"
"Trotzdem", schmollte seine Freundin.
Es war aber auch wirklich anstrengend. Seitdem wir unseren illegalen Campingplatz verlassen hatten, ging es nun schon steil bergauf und wir mussten uns öfters über riesige Wurzeln kämpfen. Mein hellgraues Tshirt hatte bereits grüne und braune Flecken und selbst meine Hotpants hatten schon so einiges abbekommen, von meinen weinroten Stoffschuhen wollte ich gar nicht erst reden.
"Wenn mich nicht alles täuscht, werden wir nach einer Stunde etwa den Waldrand erreicht haben", machte Legolas, der leichtfüßig vorneraus hüpfte, uns Mut.

Nun kletterte er einen staubigen Hang hoch, wobei er so freundlich war, mir die Hand zu reichen. Mit meinem Talent würde ich es sicher schaffen, abzustürzen und paniert wie ein Schnitzel unten wieder anzukommen, diese Peinlichkeit wollte er mir (oder sich?) offensichtlich ersparen.

Nun wurde der "Weg" wirklich angenehmer, es war nicht mehr so steil und es fiel auch endlich wieder mehr Licht durch die hohen Bäume.
"Es ist so schön hier", flüsterte Legolas seinem Vater zu, welcher nickte.

Nach einer Weile stieg Legolas, dieser kleine Angeber, allen Ernstes mal wieder auf einen Baum, um Ausschau zu halten.
"Vielleicht fürchtet er einen Orkangriff", mutmaßte Thorin, doch als er Bilbos besorgten Blick bemerkte, rief er schnell:
"Bei Merkel, das war ein Scherz, Kleiner!"
Ja, er sagte seit heute morgen nur noch "Bei Merkel", nachdem Selina ihm aufgequatscht hatte, dass dies ein bekannter Fluch in Deutschland war...
Ich sagte mal nichts dazu...

"Der Wald ist bald zu Ende!", rief der Elb in dem Moment und sprang vom Baum.
"Na endlich", brummte Fili und lief weiter.
Bald bedeutete in Wirklichkeit nochmal eine halbe Stunde Fußmarsch, doch ich musste zugeben, es lohnte sich echt.

Urplötzlich war der Wald zu Ende und wir  standen an einem Abhang.
Zu unseren Füßen erstreckte sich ein langgezogenes Tal, das von vielen Apfelplantagen gesäumt war. Ein breiter Fluss bahnte sich einen Weg durch das Land, er glitzerte golden im Licht der bereits untergehenden Sonne.
Auf der anderen Seite wurde das Tal durch beeindruckende Weinberge begrenzt, die noch immer sonnenbeschienen waren.
Im Tak selbst lagen ein paar kleine Dörfer, von denen mir vor allem die markanten Kirchtürme ins Auge fielen. Das war typisch für unsere Gegend, egal wie klein das Dorf auch war, mindestens eine Kirche musste dabei sein.

"Es ist wunderschön", stellte Bilbo fest und Legolas legte einen Arm um mich. "Es hat sich echt gelohnt", gab auch Kili zu und umarmte Selina, um ihr einen Kuss ins Haar zu drücken.
Thorin und Fili musste ebenfalls lächeln, und sogar Thranduil konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen.

Wir genossen den Sonnenuntergang, bis es fast stockdunkel war.
Dann drängte Fili jedoch zum Ausbruch.
"Wir sollten zurück, schließlich können nicht alle von uns im Dunkeln sehen..."

Deshalb machten wir uns langsam auf den Rückweg, und zugegeben, es wurde auch echt kalt.
Keine 10 Minuten später begann ich auch schon zu zittern und verwünschte mich dafür, dass ich nicht an meinen Hoodie gedacht hatte und nur mein kurzes T-Shirt trug. Wer hätte auch gedacht, dass wir bis Mitternacht durch die Gegend latschen würden...

Legolas bemerkte mein Bibbern und legte mir einen Arm um die Schulter.
"Hast du Angst?", erkundigte er sich besorgt, doch ich erklärte ihm, dass mir einfach nur kalt war.
"Ach so", stellte er erleichtert fest und schlüpfte auch schon aus seinem grünen Hoodie und hielt ihn mir hin.
"Mir ist nie kalt", meinte er mit einem kleinen Lächeln.
Dankbar zog ich mir den Pulli über den Kopf, der mir leider nicht bis zu den Knien reichte wie in sämtlichen Fanfictions, sondern gerade Mal bis knapp über die Hüfte.
Trotzdem war es unglaublich gemütlich.
"Danke", lächelte ich und nahm seine Hand.

Als wir unseren Lagerplatz endlich erreicht hatten, war ich hundemüde. Erschöpft ließ ich mich auf meinen Schlafsack fallen, den ich im weichen Moos ausgebreitet hatte, und zog meine graue Kuscheldecke bis ans Kinn.
"Darf ich?", erkundigte sich Legolas und deutete auf mein "Bett". Mein Puls beschleunigte sich und ich rutschte ein wenig zur Seite, um ihm Platz zu machen.
Der Elb ließ sich ebenfalls auf dem Schlafsack nieder und legte einen Arm um mich.
"Du bist voll warm", murmelte ich schlaftrunken, "wie ein frisches Baguette..."
Fuck, hatte ich das gerade wirklich gesagt? Im müden Zustand laberte ich oft den größten Dreck...

"Du bist auch ein Baget", meinte er leise und drückte mich an sich.
Ich hatte keine Kraft mehr, ihm zu sagen, das Baguette eigentlich kein Kompliment war und so schloss ich einfach die Augen und grinste dämlich.





Ein Mittelerdler Kommt Selten AlleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt