'Kann es noch verrückter kommen?' dachte der Hamster und flog davon

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Auf der Rückfahrt sagte keiner ein Wort. Zum Glück hatte sich Tom Papas Auto geliehen, einen Siebensitzer, kein Vergleich zu seinem winzigen Opel Corsa.
Gandalf hatte als einziger Senior den besten Platz auf dem Beifahrersitz Bekommen und sah erfreut aus dem Fenster.
Bilbo saß auf Thorins Schoß auf der Rückbank, daneben hatten sich Kili und Fili gequetscht, meine Freundin hockte auf dem Schoß ihres Lieblingszwerges und Tauriel hatten wir ebenfalls noch irgendwie auf die Rückbank verfrachtet.
Thranduil und Legolas hatten die beiden Plätze im hinteren Teil des Autos zugewiesen bekommen und - natürlich nur aus Platzmangel, hust hust, - hockte ich auf Leggys Schoß.
Okay, ich hatte wirklich wenig Lust gehabt, Mal wieder im Kofferraum mitzufahren.

"Ich fühl mich wie auf dem Weg zu einer Beerdigung", schniefte Selina irgendwann, worauf Kili ihr mit einem traurigen Lächeln übers Haar strich.
"Es wird sicher alles gut Amralimé", murmelte er und schon wieder zog sich alles in mir Zusammen. Er war seinem Tod so nahe... Und ahnte absolut nichts davon.

Es dauerte nicht lange, bis mein Bruder das Auto in unserer Einfahrt zum stehen brachte. Sein Corsa war nirgendwo zu sehen, wahrscheinlich war Papa noch auf der Arbeit, dann würde es mit Sicherheit noch dauern, bis er hier aufkreuzen würde.

Mit erstaunlicher Dynamik sprang Gandalf aus dem Auto und hielt das runzlige Gesicht in die untergehende Sonne. Ja, hier schien sie tatsächlich noch, nichts zu spüren von dem Tornado, der uns vorhin heimgesucht hatte...

"Die gute deutsche Luft", seufzte der Zauberer, "aber es gibt nichts über ein deutsches Bier, wenn ihr mich fragt."

Äh, okay, was sollte das jetzt? Hatte er sich noch eine spontane Kneipentour gegönnt, bevor er sich dazu entschieden hatte, unseren Tag zu zerstören oder wie?

"Bier kannst du haben", seufzte Tom, "ich rufe auch gleich in der Pizzeria an und bestelle Pizza für alle, in Ordnung?"
Wir nickten alle bedrückt und wollten uns gerade auf den Weg zu Selinas Haus machen, als auf einmal ein Wagen um die Ecke bog. Und er klang genauso wie... Toms Opel.
Und er sah auch genauso aus, stellte ich mit einem kurzen Blick auf das Auto fest, das gerade auf der anderen Straßenseite hielt. Fuck.

"Papa!", stöhnte auch mein Bruder auf, "Heute geht auch alles schief!"

Na super. Fassungslos starrten wir zum Auto, wo nun die Fahrertür geöffnet wurde und mein Vater ausstieg. In der selben Sekunde sprang auch Matteo aus dem Opel und rannte zu uns.
"Thrandy!", rief er überglücklich und fiel dem Elbenkönig um den Hals, so viel zu seinem Versprechen, unserem Vater nichts von den Mittelerdlern zu erzählen. Aber wobei, jetzt war es eigentlich ohnehin egal.

"Ach, das ist ja ne Versammlung hier!", begrüßte uns mein Vater lachend, "Ich sag doch immer, keine Facebookpartys in meiner Abwesenheit, Elli!"
Wenn ich nicht so nervös gewesen wäre, hätte ich jetzt erwidert, dass dieser Witz schon Jahre alt war und kaum jemand in meinem Alter noch auf Facebook war, aber dazu fehlte mir gerade einfach die Energie.

Auch die Mitties spannten sich sichtlich an, als er über die Straße auf uns zu kam.

Irgendwie kam mir alles komisch vor. Warum sagte er nichts? Als echter Tolkien Fan hatte er unsere Gäste doch schon längst erkannt, oder? Und gefragt, was wir mit Cosplayern am Hut hatten... Aber er sagte nichts.

Da fiel sein Blick auf Gandalf.
Er begann zu grinsen und meinte:
"Du kommst Recht spät."
Der alte Mann lächelte ebenfalls und sagte mit gespieltem Ernst:

"Ein Zauberer kommt nie zu spät... Ebensowenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es für richtig hält."

Dann geschah etwas, wovon ich wahrscheinlich noch meinen Urenkeln erzählen würde.
Lachend ging Gandalf auf meinen Vater zu und umarmte ihn kurz.
"Ach Franz, es ist schön, dich einmal wieder zu sehen", grinste der Zauberer, "aber ich muss sagen, du bist geschrumpft, wie es mir scheint."

Fasungslos starrte ich abwechselnd meinen Vater und den Zauberer an.
Die beiden hielten sich im Arm und quatschten wie zwei alte Kumpels, jetzt klopften sie sich gegenseitig auf die Schulter.
Was hatte das zu bedeuten?

"Ich glaube, die kennen sich", hauchte Selina ehrfürchtig, "und sind voll gut miteinander!"

Das war doch nicht möglich... Mein Vater und Gandalf... Wie sollte der bitte...
Ich tauschte ein paar ungläubige Blicke mit den nicht weniger verwirrten Mitties und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem ganzen Körper aus und ich begann vor Aufregung ein bisschen zu zittern. Wir waren nicht die ersten Fangirls, die Besuch aus Mittelerde bekommen hatten. Mein Vater... Hatte das ganze ebenfalls erlebt.

"Was schaut ihr mich an wie ein Eichhörnchen wenn's blitzt?", prustete er schon los, "Anscheinend teilen wir nun das gleiche Schicksal, Kinder. Naja, mich stört es nicht. Galadriel wird sicher bestimmt freuen, euch kennenzulernen, ich hab ihr nämlich schon viel von euch erzählt."

Galadriel? Ernsthaft? Mit wem chillte mein Vater denn noch alles?

Es dauerte noch einen Moment, bis mir ein weiterer Gedanke kam. Ehe ich ihn aussprechen konnte, kam mir Selina zuvor.
"Heißt das... Es gibt Möglichkeiten, sich Gegenseite zu besuchen?", flüsterte sie ergriffen.

Mein Herz schlug vor Freude einen kleinen Salto. Die Andeutungen meines Vaters ließen so etwas ja erahnen...

"Also", unterbrach mein Bruder die eingetretene Stille, "ich würde sagen, wir gehen rein und klären dann alles in Ruhe beim Essen. Was haltet ihr davon?"

"Essen klingt gut", murmelte ich, meine Knie waren immer noch ganz zittrig. So viel Aufregung an einem Tag...

Während wir uns auf den Weg ins Esszimmer machten und Tom für uns alle Pizza bestellte, nahm Legolas mit einem aufmunternden Lächeln meine Hand.
"Ich habe so ein Gefühl, dass wir eine Lösung finden werden..."
Ich erwiderte sein Lächeln etwas zögerlich. Das wünschten wir uns alle so sehr...

Ein Mittelerdler Kommt Selten AlleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt