I'm lonely, lonely, lonely...

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"Hallo? Jemand zu Hause?", rief ich, nachdem ich die Tür aufgeschlossen hatte.
Die anderen beiden warteten zur Sicherheit im Auto, aber da alles ruhig blieb, winkte ich sie schnell her.

"Papa ist wohl auf der Arbeit und Matti beim Fußball, seine Sportschuhe sind weg", stellte Tom mit einem Blick auf unseren Flur fest, in dem alle möglichen Schuhe kreuz und quer herumlagen, "umso besser, dann können wir in Ruhe packen."

Gemeinsam stiegen wir die Treppe hoch ins Obergeschoss, wo Toms Zimmer lag. Tauriel sah sich interessiert um, die Architektur des 20. Jahrhunderts schien es ihr echt angetan zu haben.

Doch da kam mir ein Gedanke. "Hast du überhaupt genug zum Anziehen?", fragte ich die Elbin, "wenn nicht, kannst du noch was von mir haben."
Tauriel dachte kurz nach, dann meinte sie relativ schüchtern:
"Naja, so viel habe ich nicht, das wäre wirklich nett von dir."

"Dann viel Spaß", lachte mein Bruder und verschwand in seinem Zimmer.

"Du hast aber viele grüne Sachen!", staunte die Elbin, nachdem ich meinen Kleiderschrank geöffnet hatte.
"Das ist auch meine Lieblingsfarbe", meinte ich und zog zwei Jeans, die ich eigentlich hasste heraus.
"Willst du die?", erkundigte ich mich und Tauriel nickte erfreut.
Sehr gut. Jetzt bekam ich meine alten Klamotten doch noch los.

Wir schnappten uns noch vier weiße T-Shirts (weiß war eine Farbe, in der ich aussah wie eine Leiche) und zwei Pullis, die ich mir mit 12 gekauft hatte und nun einfach nur noch abgrundtief hässlich fand.
Benutzte ich gerade Tauriel dazu, ungewollte Klamotten loszuwerden? Vielleicht, aber eigentlich war ich ja nur sozial, ich schenkte sie ihr ja.

Zu guter Letzt drückte ich ihr noch ein paar grüne Sneaker, die mir leider zu groß waren, und eine neongelbe Regenjacke in die Hand. Nur zur Sicherheit, falls es in München Mal regnen sollte.

Mit den Klamotten im Gepäck gingen wir zu meinem Bruder, der bereits vollständig gepackt hatte und Tauriels Sachen schnell ebenfalls dazustopfte.
Dann atmete er tief durch und seufzte:
"Ich glaube, wir haben es und sollten aufbrechen."

Ich seufzte ebenfalls. München war so verdammt weit weg und ich würde meinen Bruder ehrlich vermissen, was ich ihm aber selbstverständlich auf keinen Fall sagen durfte.
Deshalb meinte ich nur betont fröhlich:
"Ja, sonst steht ihr ewig im Stau. Und vergiss nicht, Tauriel ein Dirndl fürs Oktoberfest zu besorgen!"

Beide lachten nervös, obwohl Tauriel wohl keine Ahnung hatte, was das Oktoberfest überhaupt war. Und ein Dirndl kannte sie erst Recht nicht.

"Komm uns Mal besuchen", sagte mein Bruder und ich sah eindeutig etwas Nasses in seinem Auge glitzern.
"Mach ich", versprach ich und umarmte ihn, "schließlich gibt es da einen Elbenwald Store."

Tom lachte auf und wuschelte mir - genau wie Fili vorhin - durch die Locken.
Tauriel schloss mich ebenfalls in die Arme und bedanke sich für den schönen Aufenthalt, dann begleitete ich die beiden die Treppe hinunter.

"Bis irgendwann mal", rief ich ihnen noch hinterher, dann fiel die Haustür ins Schloss und ich war allein. Das erste Mal seit Wochen war ich einfach allein. Kein Fili und kein Kili, die irgendwelchen Scheiß anstellen, kein Thorin, der sie dafür schimpfen würde, kein Leggy, der...

Am liebsten hätte ich meinen Kopf gegen die Glastür geknallt. Ich führte mich auf wie die letzte Heulsuse...
Die anderen würde ich spätestens morgen früh wieder sehen, ein bisschen Entspannung würde mir auch nicht schaden.
Um mich abzulenken, schnappte ich mir eine Dose Kichererbsen und schmiss mich auf die Couch.
Ich war eindeutig zu lange auf Herr Der Ringe Entzug.

Wenig später verfolgte ich gebannt die Unterhaltung des Ringrates und starb einen halben Fangirltod, als Leggy endlich in Aktion trat.
Es fühlte sich seltsam an, dass er gerade, keine 10 Kilometer entfernt von mir durch den Wald stiefelte...



Ein Mittelerdler Kommt Selten AlleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt