Ein Mittelerdler Kommt Selten Allein

Flashback in den Düsterwald

"Hast du einen Wunsch für heute?", erkundigte ich mich bei Selina, als wir uns alle mit dem (zugegeben echt genial gewordenen) Kuchen vollstopften, "weil du ja Geburtstag hast, meine ich."

Meine Freundin dachte kurz nach, dann nickte sie grinsend. "Ich würde gern wieder mal wandern gehen oder so, das machen wir an meinen Geburtstagen eigentlich immer. Und außerdem müssen das gute Wetter noch genießen, bald ist schließlich Herbst und dann gehe ich nicht so gerne nach draußen. Wäre das okay für euch?"

"Natürlich!", rief Legolas und ließ fast seine Gabel fallen, "ich will endlich mal wieder in den Wald gehen, den vermisse ich schon sehr."

"Ich auch", seufzte sein Vater, "der Vorschlag gefällt mir."

"Sport ist immer gut", brummte Kili, aber es war ja ohnehin klar, dass er Sels Vorschlag kaum ablehnen konnte. "Vor allem wenn man so viel frisst wie du", kicherte sie auch schon, worauf er ihr mit gespielter Empörung einen Schubser gab, sodass sie beinahe mit der Nasenspitze in der Torte landete. Aber zum Glück nur beinahe. Die arme Torte. 

In diesem Moment klingelte es an der Tür. Wir schraken - wie immer - zusammen. Scheiße. Wer war das denn schon wieder? Matteo konnte es nicht sein, den hatte Papa gestern Abend schon zu einem Freund nach Thüringen gefahren, und es war so gut wie unmöglich, dass er hier schon um diese Uhrzeit aufkreuzen konnte. Aber naja, was war schon nicht möglich in dieser verrückten Welt? 

"Wer kann das sein?", fragte Thorin besorgt, "Erwartet ihr Besuch?" Selina schüttelte den Kopf und fluchte: "Ich hoffe, es ist nicht meine Oma oder so. Die kommt an meinem Geburtstag manchmal vorbei und wird uns dann sicher bekochen wollen... Das wars dann mit dem Ausflug!" 

"Vielleicht solltest du trotzdem nachschauen", schlug Bilbo schüchtern, der mal wieder gefühlt als einziger vernünftig reagierte. 

"Du hast ja recht", seufzte meine Freundin und erhob sich von ihrem Platz. Während sie zur Haustür ging, hielten wir vor Spannung den Atem an. 

Ich hörte, wie der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde und biss mir vor Aufregung auf die Lippen. 

"Alles Gute zum Geburtstag!", ertönte ein enthusiastischer Ruf aus dem Flur und mir kippte fast das letzte Stück Kuchen von der Gabel. Das war doch...

"TOM?!", kreischte Sel, "TAURIEL?! WAS MACHT IHR HIER BITTE?!" 

"Dir zum Geburtstag gratulieren, was denn sonst?", lachte mein Bruder und stand auch schon im Wohnzimmer. "Guten Morgen allerseits!" 

Wir starrten ihn alle perplex an. Wo kam er bitte her?

"Morgen", begrüßte uns Tauriel, die mit meiner nicht weniger verwirrten Freundin ebenfalls eingetreten war. 

"Was...wo...", stammelte Selina, "wo kommt ihr her?"

"Ich hab ein paar Tage frei und da ich ja weiß, dass du heute Geburtstag hast, wollten wir euch spontan besuchen", erklärte mein Bruder grinsend. Er hielt einen fetten Blumenstrauß und eine XXL-Packung Schokolade in der Hand. 

"Wir haben nichts anderes mehr gefunden", entschuldigte sich seine Freundin lächelnd, "aber ohne ein Geschenk aufkreuzen wollten wir auch nicht."

Fili lachte: "Ach komm, das ist schon in Ordnung. Schokolade ist immer das beste Geschenk. Setzt euch doch, wir haben Kuchen gebacken."

"Schön dich zu sehen", flüsterte ich Tom zu, als er sich neben mich auf einen noch freien Platz fallen ließ. "Freut mich auch", murmelte er, "aber noch mehr freue ich mich über den Kuchen. Der schmeckt echt geil, Respekt."

Das war ja mal wieder typisch. Essen stand für ihn wohl immer noch an erster Stelle. Okay, Tauriel war ihm vielleicht noch ein bisschen wichtiger (was ich ehrlich gesagt für sie hoffte).

"Wir gehen heute wandern", sagte Legolas aufgeregt, "in den Wald. Da wollt ihr sicher mitkommen, stimmts?"

"Hast du gerade Wald gesagt?", rief die Elbin und ihre Augen bekamen sofort einen verträumten Glanz, "Ich war schon zu lange nicht mehr im Wald. Dieser englische Garten ist ja ganz schön, aber einfach kein Vergleich zum Düsterwald, oder wenigstens diesen Wäldchen hier in der Gegend. Ich will auf jeden Fall mitkommen!" 

"Dann esst schneller", brummte Thranduil, "dann können wir früher losziehen."

"Bäume!", kreischte Tauriel und sprang aus dem Auto, um die nächstbeste Buche zu umarmen. 

Äh okay? Was hatte Deutschland bitte mit ihr angestellt? Wir standen hier am Arsch der Welt auf einem Wanderparkplatz und die Elbin hatte sich an den Baum geklammert. 

Ein älteres Ehepaar, das ebenfalls zum Wandern hier war, betrachtete sie missmutig und der Mann grummelte etwas von der unanständigen Jugend von heute, die nur noch auf Drogen war und es zu nichts mehr brachte. 

"Okäi Bumer", knurrte Legolas in die Richtung der beiden, er konnte es wohl noch immer nicht leiden, wenn jemand seiner Freundin blöd kam. 

"Lass ihn", kicherte ich, "wenn der Typ wüsste, dass sie eigentlich mindestens zehnmal so alt ist wie er..."

"Los geht's, oder wollt ihr hier pennen?", rief Selina lachend und lief Hand in Hand mit Kili bereits auf den schmalen Wanderweg, der tiefer in den Wald hineinführte.

"Warum hast sie so viel Energie?", stöhnte Bilbo, worauf Thorin ihm mit einem Lächeln durchs Haar wuschelte.
"Ich dachte du hättest dich mittlerweile an Abenteuer gewöhnt", sagte er leise und nahm seine Hand, "komm, ein düsterer Wald wartet auf uns..."