Reife Leistung / Kapitel 5

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"Das ist eine absolut indiskutable Leistung Miss Black!" McGonagall pochte mit ihrem Zeigefinger auf mein Pult. "Ich hoffe sehr für Sie, dass Sie ihre Faulheit, die im übrigen schon ihr Vater besessen hat, ablegen und verstehen, dass das hier kein riesen Scherz ist. Es geht um ihre Zukunft, nicht um meine!" Sie rückte ihre Brille zurecht und rauschte nach vorne an die Tafel.
Ich verdrehte die Augen und streckte ihr hinter dem Rücken die Zunge raus. Harry gluckste vergnügt und kassierte dafür von mir einen leichten Knuff. "Aua! Was denn, hättest du die Aufgaben gemacht, dann hättest du jetzt keine Ansage von ihr bekommen." "Ach was, wirklich?!" "RUHE!", keifte meine Verwandlungslehrerin dazwischen.
Ich stieß einen tiefen Seufzer aus und schlug mir mit einem Buch gegen den Kopf. Wenn der Tag schon so scheiße anfing, wie schlimm würde er dann enden?

Ich stützte meinen Kopf auf meinen Händen ab und begann zu träumen: Hoch oben flog ich mit meinem Nimbus 2000 über Berge und Täler. Der Wind fuhr durch meine langen Haare und ich streckte die Arme aus. So, genau so, fühlte sich Freiheit an!
Ich steuerte mit meinem Besen ein Quidditchfeld an und zauberte mir sogleich ein paar Mitspieler herbei.
Ich schwang mich erneut in die Lüfte und gab den Quaffel an Mitspieler Nummer 7 ab. Nach einigen schnelle Pässen erzielte ich ein Tor und flog mit meinem Nimbus vor Freude auf und ab. Einer meiner Teammitglieder flog mir vor die Nase. "Miss Black!", rief er. Ich stutze. "FRÄULEIN BLACK!", ertönte er ein zweites Mal, ziemlich laut und ziemlich McGonagallmäßig. Seufzend musste ich mich meinem Schicksal ergeben.
Das Gesicht des Quidditchspielers verwandelte sich urplötzlich in eine ziemlich böse drein blickende Verwandlungslehrerin. "Ihnen dürfte wohl klar sein was das für Sie bedeutet! Träumereien und Desinteresse dulde ich in meinem Unterricht nicht!" Ich brodelte innerlich, gab mich jedoch gefasst. "Nachsitzen?", fragte ich provokant in ihre Richtung. Sie rümpfte die Nase und wandte sich zum Gehen um. "Freitag. In den Kerkern. 20 Uhr."
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und musste mich sehr zusammenreißen ihr nicht noch eine dumme Antwort zu geben.
Harry stieß mir mit dem Ellenbogen in die Seite und deutete mir ruhig zu sein. Während Hermine, die eine Bankreihe neben uns saß, mich missbilligend anschaute und den Kopf schüttelte. Ich war nun so gereizt, dass ich nicht davor zurückschreckte auch ihr ein paar dumme Worte an den Kopf zu werfen. "Gibt's ein Problem Granger oder warum glotzt du so blöd?!" Erschrocken drehte sie sich von mir weg und wendete sich den Aufgaben von Professor McGonagall zu.
Der Rest der Unterrichtsstunde rauschte an mir vorbei. Klar hatte die alte Schachtel schon ein bisschen Recht, ich war wirklich etwas faul, aber das musste ich ja nicht unbedingt vor der gesamten Klasse zugeben. Und vor ihr schon gar nicht.
Ziemlich mies gelaunt packte ich also am Ende der Stunde meine Sachen zusammen und verließ gemeinsam mit Harry und Ron den Raum. "Nicht vergessen, morgen 20 Uhr im Kerker!", tadelte McGonagall schon wieder.
Ich nickte knapp und stürmte so schnell ich konnte aus dem Raum. "Mein Gott, die Alte hat heute aber auch schlechte Laune!", stöhnte ich. Ron nickte zustimmend. "Sie hat vorhin vor Wut fast meinen Zauberstab zerbrochen. Ich meine, ne Ratte in eine Tasse zu verwandeln ist schon schwierig. Das bekomm ich eben noch nicht hin." Er ließ die Schultern hängen und ich tätschelte sie ihm tröstend. "Falls es dich aufmuntert...Harrys und meine Tasse hatte auch noch Federn, fast wäre sie uns davongeflogen." Darüber mussten wir alle drei grinsen. "Wenn ihr nicht halb so viel Unsinn machen und zur Abwechslung mal lernen würdet, hättet ihr diese leichte Aufgabe hinbekommen." Ich verdrehte die Augen und deutete mit dem Zeigefinger hinter sie. "Sprich mit der Wand Granger. Vielleicht hat die Interesse für deine abgehobenen Tipps." Und mit diesen Worten drehte ich mich um und ließ sie stehen.
Auf dem Weg in die große Halle dachte ich über meine Worte von eben nach. Anfangs schien mir Hermine sehr nett gewesen zu sein, doch sie hatte sich als eine recht anstrengende Person herausgestellt. Sobald es ums büffeln und generell um das Thema Schule ging, war sie wie ausgewechselt und funktionierte wie ein Roboter. Noch dazu kam, dass sie ständig alles besser wusste und das vor allem immer kundtun musste. Vielleicht, dachte ich mir, versteckte sie dahinter auch nur ihr wahres Gesicht. Wer, wenn nicht ich, wusste genau wie es war, wenn man sich verstellen musste, um etwas zu verstecken, was keiner sehen sollte. Im Nachhinein kam ich mir ziemlich gemein vor. Vielleicht sollte ich mal in Erwägung ziehen ein klitzekleines Bisschen netter zu ihr zu sein.
Immer noch grübelnd setzte ich mich an den Gryffindortisch und schenkte mir Kürbissaft ein.         "Reife Leistung!" Fred ließ sich neben mich fallen und klopfte mir dabei auf die Schulter. Verdutzt blickte ich ihn an. "Was meinst du?" "Na du hast dir dein erstes Nachsitzen verdient.", fügte seine bessere, ebenfalls rothaarige, Hälfte hinzu und gesellte sich auch zu mir. "Wir haben so einen guten Einfluss auf dich!" Beide lachten und ich zog eine Augenbraue hoch. "Ihr meint wohl meine kleine Meinungsverschiedenheit mit McGonagall?" "Durchaus tun wir das.", säuselte George in mein Ohr. "Das die Frau offensichtlich ein Problem mit mir hat lässt sich nicht leugnen. Ich habe das dumme Gefühl, dass es an meinem Vater liegt..." Die Zwillinge sahen mich fragend an. "Was hat die alte McGonagall mit deinem Vater zu tun?" Ich rollte mit den Augen. "Ihr seid echt nicht die hellsten Kerzen auf der Torte!" Bei diesen Worten fingen die beiden erneut an zu grinsen. "Die war hier auch schon Lehrerin als mein Dad hier zur Schule ging! Das würde jedenfalls erklären wieso sie meine Faulheit mit der meines Vater vergleicht." "Dein Vater hat ihr wohl nichts gutes getan!" Fred gluckste und ich musste kichern. Remus hatte schon immer betont, dass es in der Beziehung Schule, sicherlich eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Sirius und mir gab.
"Hat dir Remus denn nie etwas von seiner Schulzeit erzählt? Du hattest doch neulich erwähnt, dass die beiden sehr gute Freunde waren?" Ich seufzte. "Das ist genau der Punkt. Remus erzählt mir darüber so gut wie gar nichts. Er drängt eher darauf, dass ich Sirius regelmäßig besuchen soll, aber das bringt mir herzlich wenig. Ich kenne den Mann einfach viel zu wenig. Während andere mit ihren Vätern schwimmen, eislaufen oder ins Kino gehen, sitzt meiner in Askaban und dreht Däumchen." Frustriert stützte ich den Kopf auf meine Hände. Dann bekam ich einen Stupser von links und einen von rechts. "Immerhin hast du uns, wir sind...",fing Fred an. "...doch auch nicht zu verachten!", vollendete sein Bruder den Satz und beide wuschelten mir durch die Haare. Ich lächelte die zwei an. Ja, sie waren wirklich nicht zu verachten. "Ähm Lou, was hast du jetzt als nächstes?" Georges Blick glitt auffällig durch die Große Halle, die sich langsam leerte und Fred zeigte nur tadelnd mit dem Zeigefinger auf seine Uhr. "Oh Mist, ich muss los! Wir sehen uns später!" Kopfschüttelnd schauten die beiden mir nach und schlenderten letztendlich selbst, ganz entspannt, zum nächsten Unterricht.

Etwas außer Atem, jedoch pünktlich, betrat ich das Klassenzimmer und ließ mich, mehr aus Versehen als beabsichtigt, neben Hermine nieder. Diese zuckte überrascht zusammen und schaute mich ängstlich an. "Ist was?", fragte ich verdutzt. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ach alles gut." Als Professor Binns mit dem Unterricht begann passte ich mal wieder nicht sonderlich auf, sondern dachte im Stillen über meine Gedanken von vorhin nach. Schließlich hatte ich mir vorgenommen netter zu dem Braunschopf mit den wilden Locken zu sein.
Als der Professor uns eine Aufgabe erteilte zögerte ich nicht lange. "Du Hermine, ich bin überhaupt nicht richtig mitgekommen. Würdest du die Aufgabe mit mir zusammen machen?" Und gelogen war das schonmal nicht! Meine Gedanken und Ohren waren sowieso wieder überall gewesen, nur nicht im Unterricht. Der Schlaukopf schien nun zum zweiten Male überrascht, willigte jedoch ein. Tatsächlich stellte sich heraus, dass wir ein hervorragendes Team bildeten. Als Binns uns bat unseren Aufsatz vorzustellen, kam er aus dem Schwärmen nicht mehr heraus und gab uns obendrein jeweils 20 Punkte für Gryffindor. Glücklich klatschten Hermine und ich uns ab. "Du bist gar nicht so doof wie ich dachte!" Hermine grinste mich an. "Und du bist sogar noch schlauer als ich dachte!", erwiderte ich. Gemeinsam verließen wir nach Ende des Unterrichts den Klassenraum und ich sah Hermine zum Ersten Mal richtig herzhaft lachen.

Mir sollte das Lachen allerdings noch vergehen.
Der Freitagabend kam schneller als erwartet und es war schon kurz vor acht als ich von den Schlafsälen in den Gemeinschaftsraum runtersprintete. "Hey Lou, wenn du jetzt stirbst, bekomme ich dann deinen Besen?" Fred lümmelte auf der Couch und grinste mir von dort aus zu. "Träum weiter! Du weißt doch ich kann dich nicht leiden!" Ich warf ihm eine Kusshand zu und machte mich so schnell wie möglich auf in die Kerker.
Leider kam ich doch ein bisschen zu spät und riss, mal wieder außer Atem, die Tür des Klassenzimmers auf.
Was ich dort sah ließ mir fast die Spucke wegbleiben. "DU?! Was machst du denn hier?"


Louna Black- Shadows of the pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt