Lieber Sam,
ich wünsche dir einen guten Rutsch ins neue Jahr. Wir haben uns schon viel zu lange nicht gesehen und ich hoffe sehr, dass wir das im nächsten Jahr mal nachholen. Hier gibt es nichts Neues. Ich habe gut zu tun. Die Leute denken sich ja allerlei Schabernack aus, aber um Weihnachten ist es zum Glück immer etwas ruhiger. Wie geht es dir?
Beste Grüße Jim.Sebastian stutzte, las die SMS noch einmal. Er überlegte einige Minuten, ob und wie er antworten sollte. Entschied sich dann für eine einfachen pragmatischen Text.
Hallo Jim,
ich habe mich sehr über deine guten Wünsche gefreut, muss dir aber mitteilen, dass ich nicht Sam heiße. Vermutlich hast du eine falsche Nummer. Ich wünsche dir trotzdem einen guten Rutsch ins neue Jahr und hoffe, dass die Arbeit nicht allzu anstrengend ist.
Grüße aus London, Sebastian.Sebastian,
es tut mir furchtbar leid. Ich habe wohl tatsächlich die falsche Nummer und weiß leider auch nicht, wie die richtige Nummer lautet. Danke, dass du mich auf den Fehler hingewiesen hast.
Liebe Grüße Jim.Sebastian wusste nicht, warum er drei Monate später an Jim dachte. Er beim besten Willen nicht sagen, warum er an einen Fremden dachte, als er sich von Nik trennte (er weigerte sich auszusprechen, dass Nik sich mit einem Krachen von ihm getrennt hatte). Er wusste nur, dass er in seiner Stammkneipe saß und mal wieder zu viel getrunken hatte, als Jim in seinen Gedanken auftauchte.
Er bestellte ein weiteres Bier und schob den Gedanken an Jim weg. Es war albern, sie kannten sich nicht. Jim würde keinerlei Interesse daran haben, Sebastians Geschichte zu hören. Jim würde sich keine Gedanken, um das Leben eines anderen machen wollen und es wäre unfair, ihm zu schreiben. Unfair und egoistisch.
Nach dem ersten Schnaps drängte sich der Gedanke Sebastian erneut auf. Wenigstens gäbe es dann eine Person, die es wüsste. Eine Person, die vielleicht auch nur den Bruchteil einer Sekunde an ihn dachte. Um ihn trauerte.
Auf der Toilette des Lokals kramte er sein Handy aus der Hosentasche. Das Display verschwamm vor seinen Augen und er brauchte einen Moment es scharf zu stellen. Weit musste er in seinen Nachrichten nicht nach unten scrollen. Es gab kaum jemanden, der ihm schrieb.
Hi Jim,
hier ist Sebastian. Der Typ, dem du an Neujahr die SMS geschrieben hast. „Nicht Sam" du weißt schon. Ich weiß gar nicht, warum ich dir schreibe. Ich bin vermutlich einfach schrecklich betrunken. Das kriegst du aber dank der Autorkorrektur gar nicht mit. Sorry, wenn ich dich nerve. Ich nerve jeden. Meinen Freund, Ex-Freund, sosehr, dass er sich von mir getrennt hat. Ich will jetzt auch kein Mitleid, weil ich selbst schuld bin. Ich trinke ihm zu viel und habe mit seiner besten Freundin rumgeknutscht (besoffen versteht sich). Ich weiß auch nicht, warum ich ausgerechnet dir schreibe. Doch ich weiß es: ich habe sonst niemanden, dem ich schreiben kann.Traurig, nicht? Das ist jetzt echt egoistisch von mir, aber ich glaube, ich will einfach, dass jemand weiß, warum ich mich umgebracht habe. Dass jemand vielleicht noch einmal an mich denkt. Das klingt beschissen. Es ist niemandes Schuld (ganz sicher nicht deine!!!!). Mein Leben ist einfach ein riesiger Misthaufen und ich habe keine Lust mehr. Ich kann auch nicht mehr.
Sorry, dass ich nerve. Sebastian.Direkt, nachdem er die SMS abgeschickt hatte, bereute er es. Es war armselig und peinlich mitten in der Nacht fremden Menschen verzweifelte Nachrichten zu schicken. Er torkelte aus der Kneipentoilette, fragte nach einem weiteren Schnaps. Er bemerkte den abschätzigen Blick der Kellnerin, die immer zusammenzuckte, wenn ein Mann im Lokal seine Stimme erhob. Sebastian ahnte, dass es ihm nicht egal sein sollte, doch auch er bestellte sie wenig später viel zu laut zu sich, um zu bezahlen. Sie fühlte sich nicht wohl, auch das massige Trinkgeld machten es nicht besser. Er stank nach Alkohol und redete zu laut. Sie würde froh sein, wenn er die Kneipe endlich verließ.
DU LIEST GERADE
Sherlock One Shots
FanfictionOneshots zur Sherlock Serie. Überwiegend Mormor und ein bisschen Johnlock. Keiner der Charaktere gehört mir! Sie gehören der BBC bzw. Athur Conan Doyle.