Anxiety (Mormor)

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Hallo Angst, begrüßte Sebastian seinen seit drei Monaten treuen Begleiter.
Er wusste, was kommen würde und dennoch wurde im bei dem Gefühl seines viel zu schnell schlagenden Herzen mulmig zumute.
Ich werde nicht sterben, erinnerte er sich an die Worte, die in jedem Artikel über Panickatacken ganz weit oben zu finden waren. Doch es half kein bisschen, daran zu denken, dass die meisten Panickatacken höchstens zehn Minuten dauerten, dass es bloß seine Psyche war, die mal wieder verrückt spielte.

Sein Atem ging inzwischen Stoßweise und viel zu schnell. Er hatte angefangen zu zittern und noch immer schlug sein Herz schmerzhaft gegen seine Rippen. Kurz fragte er sich, ob ihn jemand finden würde, sollte er auf dem stinkenden Bahnhofsklo tot zusammenbrechen, dann ermahnte er sich zur Vernunft.
Du wirst nicht sterben. Ein Satz den er immer wieder vor sich hinbetete. Er klammerte sich an diese Worte, während er jegliches Zeitgefühl verlor. Sein Atem raste mit seinem Herz um die Wette und er wusste, was bald passieren würde. Er hatte das alles schon viel zu oft erlebt, als das es ihn hätte überaschen sollen.
Und dennoch steigerte sich die Angst ins Unermessliche, als er plötzlich keine Luft mehr bekam. Er fing an verzweifelt zu japsen, wollte seine Lungen zwingen Sauerstoff in sich reinzupumpen. Doch es funktionierte nicht, sein Körper weigerte sich das Wettrennen zwischen Herz und Atem fortzuführen. Die Luft blieb auf halben Weg in seiner Kehle stecken und je stärker Sebastian dagegen an japste, desto weniger Luft erreichte seine Lungen.

Dieses Mal sterbe ich wirklich, dachte Sebastian und Tränen schossen ihm in die Augen. Er konnte nichts dagegen tun.
Es dauerte noch ein paar endlose Sekunden, bis sich endlich seine Vernunft einschaltete.
Atme, du Idiot. Ein. Aus. Ein. Aus.

Er hörte auf die Stimme und konzentrierte sich auf seine Atmung. Langsame, tiefe Atemzüge. Ein. Aus. Ein. Aus.
Und dann war es vorbei. Die Angst war genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen war und übrig blieb nur die Erschöpfung und das beschissene Gefühl schon wieder gegen die Angst verloren zu haben.
Er stolperte aus der viel zu engen Kabine und spritzte sich am Waschbecken kaltes Wasser ins Gesicht. Dabei vermied er den Blick in den Spiegel. Er wollte nicht in das Gesicht eines Verlierers blicken.

Viel später als geplant kam er in der Wohnung an, welche er sich seit einem Jahr mit James Moriarty teilte. Der Consulting Criminal war anfangs nur sein Boss gewesen, doch inzwischen führten sie so etwas wie eine Beziehung. Wobei Beziehung wohl zu viel gesagt war. Sie hatten halt einfach Sex.

,,Wolltest du nicht schon vor einer dreiviertel Stunde hier sein?", kam es aus dem Wohnzimmer und Sebastian verfluchte seine Panickatacke ein weiteres Mal.
,,Ja, mir ist aber leider was dazwischen gekommen. Tut mir leid", rief er zurück, atmete tief durch und ging ins Wohnzimmer. Jim kann es dir nicht ansehen, alles gut, beruhigte er sich selber und fand es im nächsten Moment lächerlich. War doch egal, ob Jim wusste, dass er auf der Bahnhofstoilette geheult hatte, weil da schon wieder diese verdammte Angst gewesen war.

,,Ist alles okay?", fragte Jim dann tatsächlich, als Sebastian das Wohnzimmer betreten hatte. Er weiß er, eine irrationale Panick stieg in ihm auf und spürte wie seine linke Hand zu zittern begann.
,,Klar", es klang gepresst, er räusperte sich, ,,Klar, alles bestens."

Jim zog verwundert eine Augenbraue hoch, stellte aber keine weiteren Fragen, wofür Sebastian ihm sehr dankbar war. Der Blonde setzte sich aufs Sofa und ließ endlich zu, dass sein Körper sich entspannte. Es ist alles gut, du bist in Sicherheit. Er atmete ein paarmal tief ein und aus, bis wirklich alle Spannungen von ihm abgefallen waren. Dass Jim ihn dabei beobachtete interessierte ihn nicht.

,,Was ist los, Sebastian?", fragte Jim und betrachtete ihn verwirrt. Er macht sich sicher nur Sorgen, dass ich heute Abend keine Lust auf Sex habe, sagte Sebastians innere Stimme und hatte dabei diesen schrecklich gemeinen Unterton. Diesen Unterton hatten seine Gedanken immer, wenn sie ihn anschrien, dass er nicht mehr als ein Sexspielzeug für Jim war. Ein billiges Sexspielzeug, das man weg warf, sobald man genug davon hatte. Oder wenn es kaputt war.

,,Nichts. Was soll denn los sein?", ich bin nicht kaputt, glaub mir. Bitte.
,,Sag du es mir", noch immer durchbohrten die dunklen Augen des Consulting Criminals ihn.
,,Du bist komisch in letzter Zeit", spezifizierte Jim, ,,Ich meine, nicht dass einer von uns je normal gewesen wäre, aber du bist anders in letzter Zeit."

,,Nein, bin ich nicht", beharrte Sebastian. Ich bin nicht kaputt, ich bin nicht kaputt, ICH BIN NICHT KAPUTT, am liebsten hätte er es Jim ins Gesicht geschrien.
,,Doch. Du bist immer so gehetzt und manchmal machst du den Eindruck, als würdest du erwarten gleich dem Tod persönlich gegenüber treten zu müssen", begann Jim, ,,Außerdem kommst du andauernd zu spät und bist dann meistens so bleich wie eine Wand. Und sag jetzt nicht, dass alles in Ordnung ist. Ich bin nicht dumm, Sebastian."

Sebastian starrte ihn an, unfähig ein Wort herauszubringen. Natürlich war Jim nicht dumm, allerdings hatte Sebastian bisher angenommen, das den Consulting Criminal die Gefühle anderer nicht interessierten, dass er blind für sie war. Anscheinend hatte er falsch gelegen. Pech gehabt.

,,Ich bin nicht kaputt", flüsterte der Blonde schließlich mühsam.
,,Das habe ich nicht behauptet", Jim hatte sich neben ihn gesetzt und legte nun etwas unbeholfen einen Arm um seine Schultern.
,,Also Tiger, was ist los?"

,,Ich... es ist einfach, ich weiß nich warum, aber in letzter Zeit ist da immer diese Scheiß Angst", flüsterte Sebastian unbeholfen.
,,Wovor?"
,,Ich weiß nicht. Ich meine das erste Mal hatte ich es, als die Mission schiefgelaufen war. Da hatte es einen Grund, ich hatte Angst, dass du mich jetzt rausschmeißen würdest. Dannach... es hatte keinen Grund mehr, weißt du. Ich hatte einfach immer nur Angst vor so einer Scheiß Panickatacke", es tat gut Jim davon zu erzählen, auch wenn dieser ihn nun vermutlich tatsächlich rausschmeißen würde. Sebastian war es egal, er wollte nur noch, dass die Angst endlich aufhörte.

,,Die Angst vor der Angst oder Phobophobie wie sie in Fachkreisen genannt wird", konstantierte Jim und Sebastian hätte es nicht treffender formulieren können. Er nickte und schaute zu Boden. Es war lächerlich sich vor der Angst zu fürchten, dachte er und dennoch tat er es.
,,Und jetzt?", flüsterte er tonlos, schaffte es noch immer nicht Jim anzuschauen.

,,Jetzt werden wir an deiner Angst Arbeiten", sagte Jim, ,,So kann es nämlich nicht weitergehen. Es gibt Vieles, was man gegen Panickatacken tun kann, weißt du?!"
,,Dann wirfst du mich nicht raus?", der Blonde hob seinen Blick.

,,Ich beurlaube dich, Sebastian. Zu deinem eigenen Besten", Jim versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln, ,,Du bleibst natürlich hier wohnen, aber ich kann mir einfach keinen Sniper leisten, der vielleicht während des Einsatzes ein Panickatacke erleidet. Trotzdem wäre es dumm meinen besten Sniper einfach so wegzuwerfen."

Sebastian war den Worten des Consulting Criminals aufmerksam gefolgt. Er war zusammengezuckt, als Jim davon sprach ihn nicht gebrauchen zu können und hatte erleichtert aufgeatmet, als sich herausstellte, dass dem nicht so war. Ja, Urlaub klang gar nicht mal so schlecht. Er würde alles dafür tun, endlich diese Angst loszuwerden. Am Ende würde er als Sieger darstehen. Ganz sicher.
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Hey ihr,
es hat mal wieder ziemlich lange gedauert bis ein neuer Oneshot kam und leider kann ich euch nicht versprechen, dass es besser wird. Für mich beginnt nun nämlich das Studium und das geht natürlich vor. Ich will trotzdem probieren so viel wie möglich zu schreiben und hoffe doch sehr, dass Inspiration und Motivation trotz Uni mitspielen.

Zu dem Oneshot: Panickatacken sind mir leider nicht fremd und so habe ich hier probiert sie in Worte zufassen, indem ich Sebastian durch die Hölle dieser Angst geschickt habe. Immerhin musste er sich nicht auch noch mit Übelkeit und Erbrechen rumschlagen...

Ich weiß noch, dass ich vor ca. 2 Jahren das erste Mal von der Phobophobie gehört habe. Die Angst vor der Angst. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, wie man Angst vor der Angst haben könnte; müsste man dann nicht in einer Art dauernden Angst leben?
Tja, nun bin ich hier und weiß, dass man sehr wohl Angst vor der Angst haben kann. Es kommt mir so unglaublich dumm vor. Ich habe Angst schon wieder eine Panickatacke zu haben und das führt dann zu einer Panickatacke. Ich weiß, dass ich mich nur beruhigen müsste, aber es geht einfach nicht. Und dann ist sie wieder da, diese Scheiß Angst...

Naja, genug rumgeheult. Wo vor habt ihr Angst und warum?

Sherlock One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt