Snuff (Mormor)

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⚠️Trigger Warnung: Selbstverletzung

Bury all your secrets in my skin Come away with innocence and leave me with my sins

Ein Schnitt. Blut. Ruhe.
Er atmete vorsichtig aus, beobachtete die rote Flüssigkeit, welche seinen Arm herabran.
Ein weiterer Schnitt, tiefer als der erste. Die Worte des Blonden verstummten. Endlich Stille.

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als die Klinge erneut mühelos in seinen Arm glitt. Noch einmal, dann hörte er auf. Stellte das Wasser an und beseitigte die Spuren.
Das Desinfiktionsmittel stand bereit, zwei Sprüher genügten. Verdünntes Blut tropfte in den Abfluss.
Er nahm die Mullbinde zur Hand, umwickelte gekonnt seinen Arm. Gut.

Als er das Bad verließ, war es vorbei mit der Stille. Seine Gedanken fuhren hoch. Sebastians Stimme übertönte jeden einzelnen.
Kannst du nicht wenigstens so tun, als würde ich dir, was bedeuten? Da hat mein letzter One-Night-stand ja mehr Gefühle gezeigt.

Er begann zu zählen. Von fünfzig bis null, rückwärts. Dann nochmal.
Die Zahlen vertrieben die Stille der Wohnung, in welcher seine Gedanken unendlich laut wiederzuhallen schienen.

Atmen. Ruhig. Alles gut. Nicht denken, bloß nicht denken. Als die Gedanken sich ihm erneut aufdrängten, konzentrierte er sich auf das Pochen in seinem Arm. Er dachte an den Schmerz, an das Blut und an die himmlische Ruhe, die ihm die Schnitte bescherten. Er erinnerte sich daran, warum er ursprünglich damit angefangen hatte. Es hatte ein Beweis sein sollen. Ein Beweis, das er noch in der Lage war irgendetwas zu fühlen und seien es Schmerzen.
Es hatte funktioniert, er hatte gefühlt.

Erst nach einigen Malen hatte er die Ruhe verspürt die durch seine Adern floss, während das Blut nach draußen strömte. Das ganze war nun über drei Jahre her. Nach einem Jahr hatte er versucht aufzuhören. Damals hatte er Sebastian kennengelernt. Einen Monat war er clean. Dann ihr erster Streit und er griff wieder zur Klinge. 

Als er den Schlüssel im Schloss hörte, schreckte er auf. Das Buch glitt ihm aus der Hand, landete mit einem dumpfen Schlag auf der Couch. Er spürte die Spannung in der Luft ansteigen.

The air around me
still feels like a cage
And love is just a camouflage for what resembles rage again

,,Sebastian?", es war eine dumme Frage. Wer sonst hätte den Schlüssel zu ihrer gemeinsamen Wohnung bessesen?

,,Ja", kam es von dem Blonden, der just in diesem Moment das Wohnzimmer betrat. Sein Gesicht war nicht mehr rot vor Wut, doch sein Kiefer war noch immer gekrampft. Langsam hob er das Buch vom Sofa auf, während er sich fragte, warum Sebastian zurückgekehrt war. Er vermied es dem Blonden in die Augen zu schauen. Das blau würde ihn zu sehr aufwühlen.

,,Warum bist du zurückgekommen?", er sollte diese Frage nicht stellen. Sie klang verzweifelt und schwach. Er wollte nicht schwach sein.

,,Vielleicht solltest du dich an den Gedanken gewöhnen, dass ich immer zu dir zurückkommen", Sebastian blickte ihn an, ,,Jim, es ist egal wie sehr wir streiten, ich werde dich nicht einfach so allein lassen."

,,Mmh", machte er und fügte in Gedanken 'vielleicht wäre es besser, du tätest es nicht'. Er schaute auf seinen Arm hinab. Er müsste nur das Hemd hochschieben, dann würde der Mullverband sichtbar werden. Der Blonde würde wissen, dass er sich wieder geschnitten hatte und er würde ihn aus blauen Augen unendlich traurig anblicken, weil Sebastian sich selbst die Schuld geben würde. Das tat der Blonde immer. Eigentlich war es ihm egal, wer sich die Schuld an seinen Eskapaden gab, denn er wusste, dass er es verdient hatte. Jeden Schnitt hatte er verdient und jeden Schnitt brauchte er, auch wenn Sebastian das nie verstehen würde.

Sherlock One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt