Gott liebt den Teufel (Mormor)

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Und wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan losgelassen werden aus seinem Gefängnis und wird ausziehen, zu verführen die Völker. [...]. Und der Teufel, der sie verführte, wurde geworfen in den Pfuhl von Feuer und Schwefel [...] und sie werden gequält Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
(Offenbarung, 20)

⚜️

Die schwarzen Augen des Teufels begegnen den blauen Gottes.

Ewige Höllenjahre und noch immer glänzt der Schalk in seinen Augen. Diesen dunklen Augen, die einem das Blaue vom Himmel versprechen und die so kalt sind, wenn er einem das Messer in den Rücken rammt.

Liebst du mich noch, so wie ich dich noch immer liebe? Will er fragen, doch er schweigt. Sein Blick tastet das hübsche Gesicht nach Zeichen der Höllenjahre ab. Die blasse Haut ist ebenmäßig, kein Anzeichen von Müdigkeit. Die dunklen Haare liegen ordentlich, kein Anzeichen von Folter. Vielleicht ist dies das Geschenk der Unsterblichkeit.

Ich habe dich vermisst. Möchte er sagen, doch kann man jemanden vermissen, wenn man weiß, dass die gemeinsame Zeit nie enden wird? Was sind ein paar tausend Jahre ohne den anderen gegen all die Ewigkeiten, die einem bleiben?

Er wendet den Blick ab. Sie brauchen keine Worte, keine Liebensbekundungen, keine Anklagen. Er spürt wie der andere nach seiner Hand greift. Sie lächeln einander kurz zu und mit diesem Lächeln bricht die Distanz zwischen ihnen. Die ewigen Jahre, die sie getrennt waren, schrumpfen zur Unbedeutsamkeit zusammen.

Sie liegen nebeneinander im Bett. Er weiß nicht, wie lange sie einfach nur daliegen und einander betrachten. Die Zeit verliert ihre Bedeutung, wenn man ewig lebt. In solchen Momenten fragt er sich, ob er den anderen liebt oder ob er bloß jemanden braucht, damit das Versprechen der Ewigkeit weniger bedrohlich erscheint.

Er weiß, dass er nie lieben wird, wie Menschen lieben. Er hat ihre Liebe gesehen und er hat sie gespürt. Die Liebe der Menschen tut weh. Sie ist heiß und verzweifelt und ihr Ewigkeitsversprechen ist eine Lüge. Er denkt an das Kreuz auf dem Berg. Er denkt an einen Mann mit schulterlangen Haar. Er denkt an den Verräter, den er geliebt hat.

Er lässt den Gedanken los und wendet sich dem Mann in seinem Bett zu. Mann, denkt er und schüttelt den Kopf. Manchmal erwischt er sich dabei, in ihren Kategorien zu denken. Menschliche Kategorien, bedeutungslos und kurzlebig.

Schlanke Finger streichen über seinen Oberkörper. Hinterlassen ein Kribbeln auf seiner Haut. Er beugt sich hinüber, ein sanfter Kuss. Heißer Atem, Hände, die über seinen Körper tanzen, Lippen die neckend seinen Nacken liebkosen. Sie erneuern ihr Versprechen für die Ewigkeit.

Als sie das Bett verlassen, feiern die Menschen auf Erden den Geburtstag seines Menschensohns. Sie feiern ihn, indem sie ihn verhöhnen. Sie konsumieren und predigen Frieden, den sie nicht leben. Sie erzählen, wie gütig sein Menschensohn war. Sie erzählen, wie er ein jeden in seinem Herzen aufnahm, während sie an ihren selbstgezogenen Grenzen die Flüchtlinge abweisen.

Er wendet seinen Blick in diesen Tagen ab. Er interessiert sich nicht für ihre Politik und ihre sinnlosen Kriege. Ein Menschenleben verglüht in Sekundenschnelle.

An manchen Tagen ekelt er sich dennoch. Er ekelt sich vor ihrer Heuchelei, vor ihrer Blutrunst und ihrem Hass. Er ekelt sich, weil sie geschaffen sind in seinem Ebenbild.

Der Schwarzhaarige lenkt seinen Blick fort von der Erde. Er blickt in schwarze Augen und schämt sich, weil er einst versuchte diesen dunklen Augen die Schuld für ihre Verfehlungen zuzusprechen.

Zeit vergeht. Sie fließt dahin, bedeutungslos und zäh.
Sie verbringen die Jahre im Bett, im Garten und an dem kleinen Tisch, an dem sie einander schweigend gegenüber sitzen. Die Ewigkeit lässt sich nicht mit Worten füllen.

Die Menschen leben dahin. Sie lieben und sie sterben. Sie führen Kriege gegen sich selbst, gegen andere und gegen einen sterbenden Planeten.

Der Schwarzhaarige lächelt, wenn sie einander die Kehlen aufschneiden. Er hat ihre Gewalt schon immer genossen. An manchen Tagen, öfter nun, ekelt er sich vor dem Schwarzhaarigen, mit dem er das Bett, den Garten, den Tisch teilt.

An anderen Tagen will er ihn hassen, doch er ist nicht in der Lage zu hassen, wie die Menschen es tun. Sein Hass würde im Nichts der Zeit verhallen.

Er will ihn trotzdem hassen, weil er sich labt an den Gewaltexessen der Menschen. Weil er sich suhlt in ihrer Bösartigkeit. Er will ihm die Schuld an all ihren Verschuldungen geben. Will sich einreden, der Teufel verführe sie zum Bösen und er selbst sei ihre Erlösung.

Dann sieht er ihn an. Schaut in das feine Gesicht. Betrachtet den zierlichen Körper in seinem Bett. Liebe steigt in ihm auf – kann er überhaupt Liebe empfinden? Wie könnte er ihn nicht lieben, wo er doch der erste war, den er in seinem Ebenbild erschuf.

Seine Finger fahren durch die dunklen Haare. Seine Hand kommt auf der Wange des anderen zum Ruhen. Er wird ihn fortschicken, erneut. Er hält seine Nähe nicht aus. Hält nicht aus, dass er ihn jeden Tag der Ewigkeit an seine eigenen Verfehlungen erinnert. An seine Blutrunst, seine Heuchelei und seinen Hass.

Er hält die Hand des Geliebten. An manchen Tagen denkt er, dass der Teufel vielleicht der Letzte war, der unschuldig in der Hölle gelandet ist.

Sie stehen am Scheideweg. Es ist nicht schwer den anderen gehen zu lassen. Abschiede fallen nur dann schwer, wenn sie möglicherweise für immer sind. Ihre Abschiede sind nie für immer. Dafür ist die Ewigkeit zu lang und er zu einsam.

Vor ihnen das Höllentor. Er blickt auf, unbarmherzig, als er das Messer zieht und dem anderen in den Rücken rammt. Einen Moment sehen sie einander an.

Die blauen Augen Gottes begegnen den schwarzen des Teufels.

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Here we go again.

Ein etwas anderer OS. Ein bisschen Philosophie über Gott, den Teufel und die Ewigkeit.

Der Satz „Vielleicht ist der Teufel der Letzte, der unschuldig in der Hölle gelandet ist" stammt übrigens aus einem meiner Träume und irgendwie wollte ich ihn dann unbedingt in diesem OS einbauen.

Ich habe bewusst ihre Namen nicht genannt, aber ich glaube die Analogie ist klar. James und Sebastian, der Teufel und Gott.

Ich weiß gar nicht, ob ich den OS mag oder nicht. Aber es ist Weihnachten und ich wollte etwas geschrieben haben. Meine letzten Weihnachtsoneshots waren zwar weihnachtlicher, aber immerhin erwähne ich Weihnachten auch in diesem hier.

Er kommt übrigens schon heute, weil ich morgen arbeiten muss.

Wie werdet ihr den morgigen Tag verbringen?

Ich wünsche allen, die es feiern, morgen frohe Weihnachten!

Sherlock One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt