The scariest thing about me is that I am the result of a happy childhood
Das schlimmste war, dass er eine schöne Kindheit gehabt hatte. Er war nie geschlagen, geschweige denn missbraucht worden. Er war geborgen und in Sicherheit aufgewachsen. In der Schule hatte man ihn immer respektiert und er hatte nie Probleme gehabt, Freunde zu finden. Seine Eltern hatten ihn geliebt und ihm dennoch genügend Freiraum zur freien Entfaltung gelassen. Als er seinen ersten festen Freund mit nach Hause gebracht hatte, hatten sie sich für ihn gefreut. Als er studieren wollte, hatten sie es ihm ermöglicht. Sie waren beim Umzug dabei gewesen, hatten ihm ein selbstgeschriebenes Kochbuch mit seinen Lieblingsrezepten geschenkt und nie hatten sie sich beschwert, weil er eine finanzielle Belastung darstellte. Zu seinen Geburtstagen hatten sie ihn besucht und wann immer er nach Hause kam, hatten sie ihn mit offenen Armen empfangen.
Das schlimmste war, dass er eine schöne Kindheit gehabt hatte. Früher hatte er erzählt, sie wäre schrecklich gewesen, wenn jemand ihn gefragt hatte. Er hatte gelogen, als er beschrieb wie sein Vater ihn grün und blau geprügelt hatte. Er hatte gelogen, wenn er seine Mutter als Drogenabhängige dargestellt hatte, die ihren eigenen Sohn an fremde Männer verkaufte. Es fühlte sich an, als würde er seine Eltern verraten.
Aber da musste doch eine Erklärung sein, weshalb er war wie er war.Inzwischen erzählte er keine Lügen mehr. Sagte stattdessen, er wolle nicht über seine Kindheit sprechen. Die meisten Leute gingen dann automatisch davon aus, dass sie schlecht gewesen sein musste. Niemand, der eine schöne Kindheit gehabt hätte, würde zu solchen Grausamkeiten in der Lage sein.
Vielleicht war es für die meisten Menschen einfacher zu verstehen, wenn Grausamkeiten Monster hervorbrachten. Denn in was für einer Welt lebten wir, wenn auch die Liebe Monster gebar?
Manchmal dachte er an seine Eltern. Er dachte an ihre warmen Augen und ihre herzliche Art. Er dachte daran, dass sie keiner Fliege etwas zu leide tun konnten und wie sie selbst für die stinkende Frau von nebenan immer ein nettes Wort übriggehabt hatten. Er dachte an sie und gab den Befehl zu töten.
Er erinnerte sich wie seine Mutter mit dem großen Messer den Kürbis zerkleinert hatte. Er erinnerte sich an die köstlichen Mahlzeiten und an das Klappern von Geschirr, wenn sie alle gemeinsam am Tisch gesessen hatten. Er erinnerte sich, als er dem Mann die Kehle durchtrennte.
An manchen Tagen kam er Abends Heim und mit blutverschmierten Händen, rief er bei seiner Mutter an. Sie fragte ihn, wie sein Leben gerade sei und ob sein Job ihm noch Spaß mache. Dann redeten sie über das Leben außerhalb der großen Stadt und über seinen Vater, der vor drei Jahren friedlich eingeschlafen war. Manchmal erzählte er ihr von Sebastian, der mit ihm arbeitete und der vielleicht ein bisschen mehr war als ein einfacher Kollege. Zum Ende fragte sie ihn, wann er sie mal wieder besuchen käme und er versprach es zu tun, sobald er ein wenig Luft hätte.
Er baute sich ein Netzwerk auf. Thronte über den Geschehnissen wie ein grausam schöner König. Er schlief mit Sebastian, wenn dieser seine Aufgaben gut gemacht hatte. Sebastian machte seine Aufgaben immer gut, jede Kugel traf ins Schwarze. Er genoss die körperliche Nähe zu dem Scharfschützen. Es stillte ein animalisches Verlangen tief in seinem Inneren.
In den letzten Monaten kam es vor, dass Sebastian länger blieb. Manchmal auch über Nacht und den ganzen nächsten Tag. Dann holte der Blonde morgens Brötchen und sie frühstückten gemeinsam, während sie über neue Aufträge redeten.
Mit der Zeit wurden die Besuche öfter und jedes Mal schienen sie sich länger zu strecken. Jim hätte es niemals laut zugegeben, aber er mochte es, nicht mehr allein zu sein. Tatsächlich dauerte es nicht allzu lange, bis Sebastian vollständig bei ihm eingezogen war.
Er erzählte seiner Mutter davon und sie freute sich. Am Ende bestand sie darauf, dass er und Sebastian sie mal besuchen kämen. Er erzählte Sebastian am Abend von dem Telefonat. Fast schüchtern, gab er die Einladung seiner Mutter weiter. Ein bisschen als schäme er sich, weil sie ihn immer nur geliebt hatte und er dennoch zu einem Monster herangewachsen war.
„Du möchtest ernsthaft deine Mutter besuchen?", Sebastian zog kritisch eine Augenbraue in die Höhe. Erst da wurde Jim bewusst, dass auch Sebastian davon auszugehen schien, dass seine Eltern der Inbegriff von toxisch waren. Das größte Problem war seine glückliche Kindheit.
„Sie ist anders als du sie dir vorstellst", er lächelte entschuldigend. Dabei gab es für ihn keine Entschuldigung. Er war nicht der moralisch graue Charakter aus einem Buch, dessen Taten am Ende durch eine schreckliche Kindheit entschuldigt werden konnten. Er hatte alles gehabt, was einen guten Menschen aus ihm hätte machen können und dennoch... dennoch war er nun hier.
„Wie anders?"
„Gut. Meine Eltern waren beide gut."„Das freut mich für dich", flüsterte Sebastian und der Schmerz einer verpassten Kindheit hallte in seiner Stimme nach.
Sebastian trug viele Narben auf Haut und Seele. Narben aus dem Job, Narben aus dem Krieg. Die ersten Narben jedoch hatten die Schläge seines Vaters hinterlassen.
Als Jim gefragt hatte, warum er zur Armee gegangen war, hatte Sebastian mit dem Schultern gezuckt und gesagt, dass er sich nie wieder so schwach fühlen wollte wie in dem Moment, in dem der Gürtel seines Vaters das erste Mal seinen Rücken traf.Zwei Monate später schafften sie es tatsächlich der Stadt zu entfliehen. Jim hatte am Vortag noch einen jungen Bänker ermordet (er hatte eine persönliche Rechnung mit dem Mann offen gehabt), doch nun saßen sie im Auto und waren auf dem Weg aufs Land. Die Felder flogen vorbei und langsam wurde aus der Stadt die Gegend, in der er aufgewachsen war. In der er viele glückliche Jahre verbracht hatte.
Das Anwesen sah aus, wie es immer ausgesehen hatte. Liebevoll angelegte Blumenbeete zierten den schmalen Weg zum Haus. Seine Mutter saß auf der Bank vor dem Haus und las ein Buch. Als sie ausstiegen, blickte sie auf und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht auf. Ihre Haare waren grau geworden und Lachfahlten zierten ihre Augen, doch der Ausdruck auf ihrem Gesicht war derselbe gewesen.
„James", sie kam auf ihn zu, zog ihn in eine vorsichtige Umarmung, dann wandte sie sich Sebastian zu, „Und du musst Sebastian sein. James redet viel von dir."
„Ja Ma'am", Sebastian blickte schüchtern hinab.
„Kein Grund förmlich zu sein", lachte leise, ehe sie auch Sebastian in eine Umarmung zog, „Ich freue mich dich kennenzulernen."Es dauerte nicht lange, bis Sebastian aufgetaut war. Sie saßen in der Stube und aßen Mutters selbstgemachten Kirschkuchen, während Sebastian über seine Zeit bei der Armee redete und darüber wie sie sich kennengelernt hatten. Geflissentlich ließ er die Morde dabei unter den Tisch fallen. Jim hörte einfach nur zu, konnte sein Glück kaum fassen.
Sie übernachteten im Gästezimmer. Als Jim ins Bett kam, lächelte Sebastian ihm entgegen.
„Ich mag deine Mutter."
„Ich auch."
„Du hattest eine gute Kindheit, nicht?"
„Ja", es klang beinahe defensiv.
„Das ist toll, Jim. Wirklich ich freue mich für dich."„Ja. Aber die macht die Sachen so schrecklich kompliziert." Das schlimmste war, dass er eine glückliche Kindheit gehabt hatte und trotzdem zum Monster geworden war.
_________________________________Hiiii,
und was sagt ihr?Kennt ihr das, wenn man nur einen Satz im Kopf hat und dann irgendetwas drumherum schreibt?
Bei mir war dieser Satz "Das schlimmste war, dass er eine glückliche Kindheit gehabt hatte..."
Ich weiß, dass ich selbst gerne die Redemtion Arc schwinge, aber ich finde es auch interessant, wenn es eben keine Erklärung gibt. Eine wirkliche Entschuldigung gibt es sowieso nie, immer nur Erklärungsansätze.
Natürlich ist die schlechte Kindheit als Erklärung für grausames Verhalten auch ziemlich realistisch. Viele Straftäter hatten es wirklich nicht gut, aber es gibt eben auch jene, die eine glückliche Kindheit hatten. Und sind nicht gerade die Beweggründe dieser Menschen unglaublich interessant?
Wie denkt ihr darüber?
Redemtion Arc, was kann funktionieren, worüber schüttelt ihr den Kopf?
Bin gespannt auf eure Meinung.
Wir lesen uns!
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Sherlock One Shots
FanfictionOneshots zur Sherlock Serie. Überwiegend Mormor und ein bisschen Johnlock. Keiner der Charaktere gehört mir! Sie gehören der BBC bzw. Athur Conan Doyle.