Anorexia (Mormor)

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!Triggerwarnung Magersucht!

~Und du gewinnst nur den Wettkampf gegen den Hunger. Aber immerhin den gewinnst du~

Er betrachtete sich im Spiegel. Die spröden Lippen im blassen Gesicht. Zitternd strich er darüber und wunderte sich, warum Sebastian ihn überhaupt noch küssen wollte.

Er wagte nicht, den Blick weiter hinab gleiten zu lassen. Er wusste sowieso, was ihn da unten erwartete. Ein blasser Oberkörper, ein dicker Bauch und Oberschenkel, die allen verrieten, dass er zu viel gegessen hatte.
Und dann blickte er doch hinab.

Ein Blick verriet ihm, dass er keine andere Wahl hatte, dass er sich den Gang auf die Waage auch heute nicht ersparen konnte. Es war früher Nachmittag und er stieg das erste Mal auf das Ding, welches inzwischen über sein Leben bestimmte. An anderen Tagen hatte er sich allein bis zum Mittag schon drei Mal gewogen, aber heute war ein guter Tag.

Er traute sich gar nich herab zu sehen. Und dann tat er es doch. Viel zu groß war das Verlangen zu wissen, ob er schon wieder zugenommen hatte.
60,2 kg
Er stieß einen leisen Freudenschrei aus. 300 Gramm weniger, als gestern. Nicht perfekt, aber auf dem richtigen Weg.

Als er aus dem Bad kam, wartete Sebastian bereits auf ihn. Der Blonde wirkte ungeduldig und klimperte mit den Schlüsseln, während er immer wieder im Flur auf und ab schritt.
Es war Samstag und sie hatten beschlossen ins Kino zu gehen, nachdem Jim sich vehement gegen das Restaurant ausgesprochen hatte.

,,Können wir dann endlich los?", Sebastian klang genervt und noch während Jim sich die Schuhe anzog, riss er die Haustür auf und verschwand nach draußen.

Jim holte ihn erst am Auto wieder ein. Ohne ein weiteres Wort ließ er sich auf den Beifahrersitz fallen und überließ Sebastian das Steuer. Die Fahr zum Kino verlief schweigsam. Jim war in Gedanken bereits beim Abendessen und wie er vermeiden konnte sich die 300 Gramm gleich wieder auf die Rippen zu futtern.

,,Willst du Popcorn oder Cola?", Sebastian unterbrach seine Gedanken.
,,Nein. Danke", Jim lächelte und wartete, während der Blonde sich selbst einen Eimer Popcorn und Cola besorgte.

0,5 Liter Cola. Das waren 210 Kalorien und selbst wenn ich sich um Cola Light handelte waren es noch 150 Kalorien.

,,Willst du nen Schluck?", Sebastian hielt ihm den Pappbecher entgegen.
,,Ich habe Zuhause was getrunken", lehnte Jim ab und fügte betont witzig hinzu, ,,Außerdem will ich nicht alle fünf Minuten aufs Klo rennen müssen."

Sebastian lachte nicht, sondern blickte stattdessen auf ihre Tickets. Sie würden auf Sebastians Wunsch hin "Spiderman" gucken. Ein Film über einen jungen Helden, der Jim ebenso wenig zusagte wie jeder andere Superhelden Film auch.

Tatsächlich war der Film ganz okay. Nicht spannend und viel zu vorhersehbar, aber trotzdem nett gemacht und an manchen Stellen sogar ein bisschen lustig.
Sebastian war begeistert von dem Film und die nun gute Laune des Blonden war ansteckend.

Auf der Rückfahrt war die Stimmung gelockert. Sie unterhielten sich über den Film und Jim war fasziniert mit welchem Enthusiasmus Sebastian über das Filmuniversum sprechen konnte.
Jim lachte, als Sebastian ihm seine Theorien präsentierte und zum ersten Mal seit Monaten fühlte sich zwischen ihnen alles normal an.

Sie kamen noch immer bester Laune Zuhause an. Nachdem sie ihre Mäntel ausgezogen hatten, gab Sebastian ihm einen Kuss und er fragte sich, ob diese Nacht wie früher werden könnte.

,,Eigentlich habe ich gar keinen Hunger, sondern viel mehr Lust auf den Nachtisch", flüsterte Sebastian zwischen zwei Küssen.

Und da war es wieder. Das leidige Thema Essen. Jim wurde automatisch daran erinnert, dass er sich nur einmal gewogen hatte und dass er eigentlich mehr Sport hätte machen sollen. Wie konnte er Sebastian seinen Körper zeigen, ohne sich vor dem Blonden in Grund und Boden zu schämen?

Sherlock One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt