I wish we grew old together (Mormor)

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,,Komm zurück, bitte, komm zurück", flüsterte der Blonde, während Tränen seine Wangen hinabliefen. Es war seltsam, Jim war gerade mal zwei Woche fort und dennoch hatte er das Gefühl, es wären Jahrzehnte vergangen, seitdem er den Schwarzhaarigen das letzte Mal gesehen hatte.
Er zog ein Bild von Jim und sich aus der Tasche und betrachtete ihre fröhlichen Gesichter.

Damals waren sie so glücklich gewesen, er erinnerte sich noch genau. Es war ein strahlender Herbsttag gewesen und sie hatten beschlossen den Tag außerhalb von London zu verbringen. Sie waren mit dem Auto in Richtung Westen gefahren und er hatte fast die gesamte Fahrt über zu irgendwelchen Radioliedern mitgesungen. Jim hatte gelacht, musste aber selber mitsingen, als plötzlich 'Stay'ing Alive' gelaufen war. Sebastian hätte am liebsten die Zeit angehalten, so sehr hatte er sich in diesen Moment verliebt. Manche Momente waren einfach perfekt. Diese Momente endeten viel zu oft in Katastrophen, ohne dass Sebastian hätte sagen können, warum das so war. Vielleicht lag es einfach daran, dass einem Menschen wie ihm niemals so viel Glück zustand, weil er selber regelmäßig Menschen ihres Glückes beraubte. Vielleicht war es einfach das Schicksal oder das Karma, welches ihm genau in diesen Momenten höchsten Glückes so richtig in die Fresse schlug...

,,Hier ist es schön", Jim deutete nach draußen und Sebastian folgte seinem Blick. Der Schwarzhaarige hatte Recht, die Landschaft war malerisch.

,,Dann machen wir hier Halt", nickte Sebastian und bog von der Landstraßen ab. Wenige Minuten später hatte er das Auto in einer Einbuchtung am Waldrand zum Stehen gebracht. Langsam stieg er aus, genoss die Strahlen der Frühlingssonne, die sich schüchtern ihren Weg durch das ergrünende Laub des Waldes bahnten.
Jim hatte bereits den Kofferraum geöffnet und stellte die Picknicksachen auf den Boden.

Schnell machte sich Sebastian daran ihm zu helfen, immerhin war das hier sein Geburtstagsgeschenk an den Consulting Criminal.
Schon bald saßen sie gemeinsam auf der Decke und machten sich über die Speisen her, die Sebastian eingepackt hatte. Jim wirkte entspannt, stellte Sebastian zufrieden fest und ließ zu, dass auch er sich entspannte.

,,Woran denkst du, Tiger?", fragte Jim, während er Sebastian betrachtete, der gerade in ein Käsebrot biss.
,,Dass das Leben manchmal echt verdammt schön sein kann", meinte der Blonde lächelnd.

,,Klar. Das muss es auch, sonst könnten uns das Unglück irgendwann nichts mehr anhaben", Jim zuckte mit den Schultern.
,,Hast du mal wieder deine philosophische Phase?", neckte Sebastian, erhielt jedoch statt einer Antwort nur ein vielsagendes Lächeln. Daraufhin verfielen sie wieder in ein wohliges Schweigen. Sie aßen und schwiegen und irgendwie war alles gut.
Nicht, dass sich ihre Probleme in Luft aufgelöst hätten oder dass sie nicht wussten, wie viel Arbeit Zuhause auf sie wartete, es war einfach, dass sie dies für den Moment ausblenden konnten. Sie lebten einfach im jetzt. Genossen die Sonne, die Stille und das Wissen, den anderen stets an ihrer Seite zu haben.

Nachdem sie so viel gegessen hatten, dass sie das Gefühl hatten bei jedem weiteren Bissen platzen zu müssen, packten sie die Picknicksachen zurück ins Auto und machten sich dann auf den Weg zu einem gemütlichen Spaziergang durch den Wald.
Das Laub raschelte unter ihren Füßen, während sie den Geruch des Waldes einatmeten.
Die Vögel zwitscherten und in diesem Moment war London mit seinen lauten Straßen und den schrecklich vielen Menschen ganz weit weg.

,,Jim?", die leisen Worte des Blonden durchbrachen die Stille.
,,Ja?"

,,Wäre es nicht schön irgendwann einmal auf dem Land zu leben? Weg von dem ganzen Großstadt Lärm und der ständigen Hetzerei", murmelte Sebastian und in seinem Kopf formte sich bereits ein Bild von ihm und Jim auf einem kleinen Bauernhof, weit weg von jeglicher Zivilisation. Es wäre der ideale Ort, um gemeinsam alt zu werden, um gemeinsam das Leben hinter sich zu lassen, welches sie in London führten. Ein Leben, welches aus Verbrechen und Morden bestand und aus der ständigen Sorge eines Tages im Gefängsnis zu landen. Egal wie gut man aufpasste, egal welche Vorsichtsmaßnahmen man traf, eine absolute Sicherheit würde es in ihrem Beruf nie geben.

,,Mmh... in aller Ruhe alt werden. Ich weiß nicht, ob das etwas für micht ist", meinte Jim zweifelnd und und ein Teil des Bildes, welches sich in Sebastians Kopf geformt hatte, begann bereits einzustürzen.

,,Was davon? Alt werden oder in Ruhe irgendwo leben?", der Blonde zog fragend die Augenbrauen hoch.
,,Beides, denke ich", Jim zuckte mit den Schultern. Dann lachte er auf und schüttelte den Kopf:,,Aber noch sind wir jung genug, um uns nicht über das Altwerden den Kopf zerbrechen zu müssen, Sebastian."

,,Man kann nicht früh genug damit anfangen", lachte nun auch der Blonde, froh darüber, dass die gewohnte Lockerheit zwischen ihnen wieder da war.

,,So? Dann hast du sicher schon dein Testament geschrieben?!", stichelte Jim und betrachtete Sebastian im gespielten Ernst.

,,Nein, natürlich nicht. Wobei es sicher sinnvoll ist, dass zu machen solange man noch bei klarem Verstand ist", er verdrehte die Augen.
,,Jup. Allerdings habe ich nicht vor meinen Verstand in den nächsten Jahren zu verlieren. Genauso wenig wie ich in den nächsten Jahren sterben möchte", Jim grinste breit und kassierte für seine Frechheit einen sanften Knuff in den Arm.

Dann schwiegen sie wieder. Sie liefen durch den Wald und schwiegen. Und sie fanden in diesem Schweigen eine innere Ruhe, wie sie nur selten gefunden wird. Eine Ruhe, die Frieden schließt mit sich selber und der Welt.

Viel zu schnell mussten sie den Wald und seine friedbringende Stille verlassen. Viel zu schnell war es Abend geworden. Sie kehrten zu ihrem Wagen, welcher sie zurück nach London bringen würde. Fort vom Frieden, zurück in den Krieg.

Wie immer saß Sebastian am Steuer des grauen Bentleys. Wie immer glitt der Wagen geschmeidig schnurrend über die Straße. Wie immer warf Jim ihm heimliche Blicke zu, wenn er dachte Sebastian würde es nicht merken. Wie immer...

,,Nein", heulte Sebastian auf. Er saß inzwischen auf dem taunassen Boden, der Kopf klemmte zwischen den Knien.
,,Nein, nein", heulte er wieder, presste seine Hände auf die Ohren. Doch seine Erinnerungen kannten kein Erbamen. Sie ließen sich nicht zurückdrängen, sondern stürzten auf ihn hinab wie ein tosender Wasserfall.

Die Bilder jenen Tages verzogen sich. Aus der Stille des Waldspaziergangs wurde der ohrenbetäubende Knall des Aufpralls. Die leuchtenden Farben des Herbstes wichen der rostroten Farbe des Blutes. Jims Blut, sein Blut, ihr Blut.
Die Ruhe verwandelte sich in Angst, verwandelte sich in Panick.
Er hörte sich selber schreien.

,,Mr. Moran?", die Stimme des Arztes war sanft. Er sieht müde aus, dachte Sebastian, während er langsam seinen Blick hob.

,,Mein Freund", flüstert der Blonde, dessen Haar im grellen Krankenhaus Licht rötlich schimmert.
,,Es tut mir leid, Mr. Moran. Wir konnten nichts tun", die Stimme des Arztes ist nun unendlich weit weg. Nur langsam dringt das Gesagte in sein Bewusstsein. Nur langsam beginnt er zu begreifen, was es bedeutet.

,,Es tut mir so leid, Jim", die Erinnerung war durchgelaufen. Wie ein Film endete sie ganz abrupt. Sebastian hatte es geschafft aufzustehen, seine Hose war nass vom Tau, seine Wangen tränennass.
Er legte seine Hand auf den kühlen Stein, strich andächtig über dessen glatte Oberfläche.

,,Es tut mir leid, Jim, ich hätte auf die Straße gucken müssen, statt zu dir."
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Hey ihr,
da ist er ein neuer Oneshot. Und soll ich euch ein Geheimnis verraten? I made myself very sad... nein ehrlich, ich weiß nicht einmal warum, aber dieser Oneshot hat mich härter getroffen, als die anderen, die ich bisher geschrieben habe.
Vielleicht weil ich selber so viel Angst habe, jemanden umzubringen, der mit mir im Auto fährt.

Naja, ich bin trotzdem froh, einen Oneshot geschafft zu haben. Das Studium hat ja jetzt begonnen und bisher macht es echt Spaß. Zumindest meisten...

Aber nocheinmal zurück zum Oneshot:
• Konnte man die Flashbacks gut erkennen oder hätte ich die besser kenntlich machen sollen?

• Und habt ihr irgendwelche speziellen Wünsche, was ich schreiben soll? Es ist kein Garant, dass ich das dann wirklich schreibe, aber manchmal brauch man halt einen kleinen Inspirationskick.

Sherlock One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt