I'll be good (Mormor)

376 28 89
                                    

I thought I saw the devil
This morning
Looking in the mirror, drop of rum on my tongue

Beinahe erschrocken sprang er zurück. Konnte das im Spiegel wirklich er sein? Sah er wirklich so aus?
Vorsichtig wagte er sich erneut vor, riskierte einen weiteren Blick.
Der Mann, der ihm aus dem Spiegel entgegen blickte, wirkte müde. Sein zu langes, blondes Haar stand in alle Richtungen von Kopf ab und machte den Eindruck, als habe es viel zu lange kein Wasser mehr gesehen. Die weiße Boxershort, die er trug, war ebenso dreckig wie der Rest seines Körpers. Statt eines Sixpacks stachen die Rippen hervor und in seiner rechten Hand hielt er eine Rumflasche.

Sebastian Moran sah nicht nur müde aus. Er wirkte abgekämpft, als habe er diesen Kampf, den er bereits viel zu lange führte, schon vor Wochen verloren.
Die Flasche mit dem Rum glitt aus seiner Hand und zerschlug auf den kalten Fliesen. Die goldbraune Flüssigkeit verteilte sich auf dem Boden, während Sebastian einfach nur auf die kaputte Flasche hinab sah. Sein Leben lag in Scherben und alles was er tun konnte, war sich selber zu betrinken. Er schüttelte sich, löste sich aus seiner Starre. Das musste aufhören, so konnte er nicht weiter machen.

With the warning
To help me see myself clearer
I never meant to start a fire
I never meant to make you bleed

Bevor er eine Stunde später das Haus verließ, streifte er sich seine abgewetzte Lederjacke über.
Draußen schien die Sonne. Hell und klar ließ sie die London erstrahlen, es machte beinahe den Eindruck als verhöhnte sie ihn. Schau her, Sebastian, wie wunderbar es hier draußen ist und wie wüst dein Inneres dagegen ist.
,,Halt die Klappe", knurrte er in Richtung Sonne wohl wissend, dass das Problem nicht in ihr lag.

Wie immer führte ihn sein Weg Richtung Friedhof. Wie immer blieb er vor der verschlossenen Tür stehen. Er konnte sich einfach nicht dazu bringen, rein zugehen. Mindestens zwanzig Gräber gehörten ihm. Besser gesagt sie waren wegen ihm angelegt worden. Wenn es ihn nicht gäbe, würden all diese Menschen noch leben. Wenn es ihn nicht gäbe, würde er vielleicht auch noch leben.

An dieser Stelle unterbrach er seinen Gedankengang. Er wollte nicht weiter an seine Vergangenheit denken müssen. Seit Jahren verfolgte sie ihn, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

My past has tasted bitter
For years now
So I wield an iron fist
Grace is just weakness

Er schüttelte den Kopf. So konnte es nicht weitergehen, er konnte doch nicht bis an sein Lebensende ein Sklave seiner eigenen Vergangenheit bleiben.
Also stieß er das Tor auf. Langsam betrat er den Friedhof, ließ seinen Blick über die Grabreihen schweifen.

Jones, Brown, Evans, O'Brien, Anderson. So viele Namen, so viele Tote. Wer von ihnen ging auf seine Kappe? Vorsichtig trat er an eines der Gräber heran, strich über den kalten Stein. David Haworth.

,,Habe ich dich umgebracht, David?", flüsterte er. Seine Stimme zitteterte, früher hatte seine Hand nie gezittert. Er schluckte bei der Erinnerung an den kühlen Griff des Gewehres in seiner Hand. In seinem Inneren hallte ein Schuss wieder. Nein, nicht einer hunderte. Jeder Schuss ein Menschenleben.
Sie lagen nicht nur auf diesem Friedhof. Seine Opfer lagen verstreut in der ganz London, einige lagen begraben in den Trümmern afghanischer Städte. Früher waren sie ihm egal gewesen, früher hatten Menschenleben nicht gezählt.

Or so I've been told
I've been cold, I've been merciless
But the blood on my hands scares me to death
Maybe I'm waking up today

Sherlock One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt