Survivor (Mormor)

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Congratulations.
You survived the war.
Now live with the
trauma.

,,Willkommen Zuhause, Colonel Moran", der Grauhaarige klopfte ihm so kräftig auf die Schulter, dass er zusammenzuckte. Er zwang sich zu einem Nicken und hob seine Hand ein letztes Mal zum Gruß an den Kopf. Es war tatsächlich vorbei. Der Krieg war zu Ende, zumindest für ihn.

Nur Tage nach diesem Gedanken, stellte er fest, dass es einen weiteren Krieg gab, der auf ihn gewartet hatte. Einen Krieg, den er nicht gewinnen konnte, denn wie um alles in der Welt sollte man einen Krieg gegen sich selbst gewinnen?!
Es war seltsam. In der Stille seiner kleinen Wohnung begannen seine Gedanken laut wie Gewehrschüsse durch seinen Kopf zu hallen und mit ihnen kamen die Bilder. Und nur kurz darauf war dann auch die Angst da. In diesen Momenten sehnte er sich zurück in den Krieg. Zurück in die Zeit, als er fest davon ausgegangen war, dass er nach Hause kommen und sein altes Leben leben würde.
Er war nach Hause gekommen, aber ein Teil von ihm war im Krieg geblieben.

So verlebte er die Wochen, gefangen in seiner eigenen Angst und dem Wunsch zurückkehren zu können an den Ort seiner Angst.
Er traf sich nicht mit ehemaligen Freunden, fand immer eine Ausrede nicht erscheinen zu müssen. Bald schon verließ er die Wohnung nur noch, wenn es unbedingt sein musste.

So wie an diesem strahlenden Herbstag, als seine Vorräte allmählich begannen sich dem Ende entgegen zu neigen. Er brauchte den ganzen Vormittag, um sich mental auf das Einkaufen vorzubereiten. Hundertmal ging er geistig den Weg von der Wohnung zum Laden ab. Tausendmal versicherte er sich selbst, dass alles gut werden würde. Er war sicher, der Krieg war weit weg. Er hatte Angst, der Krieg tobte in seinem Inneren.

Kurz nach zwei schaffte er es dann tatsächlich aus dem Haus. Dreimal überprüfte er, ob die Wohnungstür auch wirklich abgeschlossen war, dann machte er sich auf den Weg. Er trat auf die Straße, wurde geblendet von der Sonne und für einige Sekunden überkam ihn das Gefühl, gleich aus dem Hinterhalt heraus angegriffen zu werden. Dann gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit und er erkannte, dass außer einer Frau mit Kinderwagen niemand in seiner unmittelbaren Nähe unterwegs war. Keine Gefahr, hörte er seinen Vorgesetzten sagen, wie er es immer getan hatte, wenn sie eine Gegend abgecheckt hatten. Keine Gefahr, wiederholte er, atmete tief durch und setzte sich dann in Bewegung.

Der Weg zum Einkaufsladen war kürzer als erwartet. Nur ein einziges Mal war er zusammengezuckt, nur ein einziges Mal hatte er sich selber versichern müssen, dass alles gut war, dass er in Sicherheit war.
Vor dem Laden blieb er ersteinmal stehen. Einfach reingehen klang leichter, als es war. Da drinnen gab es keine Fluchtmöglichkeit.

,,Wollen Sie noch länger hier stehen bleiben?", wurde er von der Seite angesprochen und konnte im ersten Moment nicht antworten, so schnell war die Angst in ihm hoch gekrochen. Langsam drehte er sich zu der Stimme um, zwang sich weiter zu atmen. Vor ihm stand ein Mann mittleren Alters. Schwarzes Haar, klein, zierlich, kalte Augen. Keine Gefahr.

,,Uhm", machte er unbeholfen und zuckte mit den Schultern, ,,Stehe ich Ihnen im Weg?"
,,Nein. Ich habe mich nur gewundert, dass Sie nicht rein gehen", die Nasenflügel des Mannes blähten sich auf, als er einen Blick in Richtung Supermarkt warf.

,,Äh... ja, ich wollte nur noch kurz die Sonne genießen", ob es je eine dümmere Ausrede gegeben hatte?
,,Tatsächlich? Ich glaube nicht, dass es je eine dümmere Lüge gegeben hat", der Mann lachte und Sebastian zuckte zusammen.

,,Sie haben Angst, nicht wahr?", der Fremde betrachtete ihn eindringlich und ohne es zu wollen, sprang Sebastian in den Verteidigungsmodus.
,,Ich habe keine Angst. Warum sollte ich auch Angst vor dem Einkaufen haben?", er lachte ein bisschen zu laut.

Sherlock One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt