I gave you my heart (Johnlock)

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Das nervigste an Weihnachten waren die Weihnachtslieder und die zwanghaft gute Laune, die alle zu verbreiten versuchten. Es war nicht so, dass John Weihnachten hasste, aber dennoch stimmte ihn das Fest jedes Jahr aufs Neue melancholisch. Es erinnerte ihn an die Feste seiner Kindheit und führte ihm vor Augen, dass er nie wieder ein solch magisches Weihnachtsfest würde feiern können. Er würde nie wieder an den Weihnachtsmann glauben und er würde nie wieder mit Harriet Geschenke um die Wette auspacken. Sein Vater würde nie wieder auf der Geige Weihnachtslieder spielen und seine Oma würde nie wieder Plätzchen backen.

Aus einer weihnachtlichen Sentimentalität heraus hatte er Harriet am Morgen angerufen, doch die Stimme seiner großen Schwester war verwaschen durchs Telefon geklungen und er hatte gewusst, dass sie schon wieder betrunken war. Fünf Minuten hatten sie miteinander geredet. Dann waren ihnen die Höflichkeitsfloskeln ausgegangen und mit einem verlegenen „Ja dann noch frohe Weihnachten" hatten sie aufgelegt.

Er hatte ein bisschen länger gebraucht als sonst, bis er in seinen üblichen Klamotten in die Küche getreten war. Sherlock hatte eine Tasse Tee stehen lassen, die John vorsichtshalber weggoss. An den meisten Tagen konnte man Sherlocks Tee gefahrenlos trinken, aber neulich erst hatte sich Schlafmittel im Tee befunden und John hatte eine Podiumsdiskussion in der Londoner Uni verpasst. Ausgerechnet an Weihnachten würde er es nicht auf ein Experiment ankommen lassen.

Sherlock kam gegen Mittag nach Hause. Seine Laune schien gut und John schloss, dass es einen Mord gegeben hatte. Morde waren die besten Weihnachtsgeschenke in Sherlocks Augen, nur übertroffen von Doppelmorden oder Serienmördern.

Sie aßen Plätzchen zum Mittag. Mrs. Hudson hatte Unmenge von den Dingern gebacken und so aßen sie seit zwei Wochen jeden Tag Plätzchen. Sherlock ließ sich über den Grund seiner guten Laune aus, es war tatsächlich ein Doppelmord, während John einfach nur zuhörte und versuchte nicht daran zu denken, dass heute Weihnachten war.

„... auf jeden Fall hat man beide Leichen in einem übergroßen Geschenkkarton gefunden", erzählte Sherlock, „Du hättest das Gesicht des Premierministers sehen sollen. Die Päckchen waren an ihn adressiert, aber natürlich hat er sie nicht aufgemacht, bevor nicht Scotland Yard mit ihren Sprengstoffspürhunden einmal drüber geguckt hat."

John nickte abwesend und sah aus dem Fenster. Wolken trieben am Himmel, sodass man nicht mal sagen konnte, wie spät es gerade war. Natürlich hatte es nicht geschneit. Schnee gehörte zu den Weihnachtsfesten seiner Kindheit, ebenso wie Krippenspiel und Tannenbaum.

„... wie gesagt ich habe dann Molly und Greg eingeladen und mein Bruder kommt vermutlich auch", schloss Sherlock seine Erzählung.

„Wie?", das klang nicht mehr nach Doppelmord.

„Heute Abend, John. Hast du mir nicht zu gehört?"
„Ich... war abgelenkt."
„Das ist mir wohl aufgefallen", es klang beleidigt.
„Nicht jeder kann sich für Doppelmorde begeistern." Oder für Weihnachten.

Molly war überpünktlich. Greg und Mycroft kamen zu spät. Mrs. Hudson schneite als letzte herein. Sie hatte noch mehr Kekse dabei, welche sie versuchte an den Mann zu bringen. John unterhielt sich mit Greg, der einen dieser hässlichen Weihnachtspullover trug. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass Sherlock und Mycroft diskutierten, während Molly sich durch alle Kekssorten von Mrs. Hudson aß. Es war ein seltsam vertrautes Bild und dennoch schien dem ganzen ein Sepiafilter übergelegt worden zu sein. Die Melancholie von Weihnachten, die mit jedem Jahr ein bisschen schlimmer wurde.

„Ach, Sherlock, ich würde mich so freuen, wenn Sie die Geige zur Hand nähmen", hörte er Mrs. Hudson. Sherlock nickte ergeben, stimmte das Instrument und begann mit einer leichten Etüde.

Sherlock One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt