„Junge Dame? Sind Sie noch da?" , brummte in meinen Ohren.
Ein dröhnenes „Hallo?" folgte. Das laute Rauschen und meine schmerzenden Schläfen beeinträchtigten mein Gehörsinn.
„Bleiben Sie ruhig. Hilfe kommt."
Als ich das hörte, öffnete ich ruckartig meine Augenlider. Meine Sicht unklar und verschwommen, dennoch erkannte ich die Umrisse eines älteren Herrn.
„Nein, nein. Ich will nicht ins Krankenhaus. Mir geht es gut." , erklärte ich ihm, doch kniff stöhnend meine Augen wieder zusammen.
Ich war in einer unscheinbaren Gasse. Meine Beine hatten mich weit getragen, ohne dass ich eine Kontrolle darüber hatte.
„Sind Sie sich da sicher?" , fragte er besorgt.
Seine schwere und mit braunen Flecken übersäte Hand drückte er gegen meine Schulter. Ich nickte mit einem glaubhaften Lächeln.
„Können Sie sich denn bewegen?" , erforschte er erneut.
„Ich denke schon." , antwortete ich und startete den Versuch, um dem Mann meinen guten Gesundheitszustand zu beweisen.Als ich ich mich wieder aufrappeln wollte, knickte ich ein. Meine krampfartigen Seitenstiche rissen mich zu Boden. Geschwächt griff ich nach meinem Handy in meiner Hosentasche, doch konnte meinen Akt vor Schmerz nicht weiter ausführen.
„Könnten Sie vielleicht eine Nummer für mich wählen?" , bittete ich ihn und zeigte mit meiner Blickrichtung auf die helle Bildschirmfläche.
„Oh Gott, das sind so viele bunte Knöpfe. Damals, noch zu meiner Zeit, gab es noch nicht diese ausgreifte Technick, mein Mädchen." , sprach er überfordert und tippte mit konzentriertem Blick die Nummer ein, die ich ihm diktierte.Die dünnen grauen Haare, die ihm verblieben, waren von Schweiß umgeben. Vielleicht dachte er zuvor, ich wäre eine leblose Leiche. Seine motorischen Probleme zeigten sich in seinen zittrigen Bewegungen, als er mir das Gerät an mein Ohr hielt.
„Dankeschön." , nuschelte ich lächelnd.
Wir warteten beide hilflos, dass eine Stimme ertönt.
„d/N?" , sprach Elias.
Erleichtert prustete ich die Luft aus meiner Lunge.
„Danke, dass du rangegangen bist." war das Erste, was mir zu diesem Augenblick einfiel.
„Lass es mich nicht bereuen." , antwortete er mit seiner strenge Tonlage, die mich wieder auf den Boden der Tatsachen drückt.
„Ich bin auf offener Straße umgekippt. Du musst mich abholen." , informierte ich ihn.
„Bitte." , fügte ich hinzu, denn ich war auf ihn angewiesen.
„Wo bist du?"Verwirrt blicke ich um mich herum, in der Hoffnung ich würde ein Strassenschild erkennen.
„Wir sind in der Hofstraße, mein Mädchen." , schritt der in Falten gebadete Herr ein, als würde er Gedanken lesen können.
„In der Hofstraße bin ich." , antwortete ich meinem ungeduldigen Bruder, der seine Besorgnis nicht zugeben kann.
„Okay. Bin gleich da."Er legte auf. Mit einem unvollständigen Lächeln schaue ich zu dem hockenden Mann.
„Mein Bruder kommt. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe. Das werde ich niemals vergessen. Ich hoffe, ich kann mich irgendwann revanchieren."
Der Senior legt seine kalten Finger um mein Gesicht.
Die Spitzen waren gelb vom Alter, vielleicht hatte er auch zu viel geraucht.„Iss genug und stärke deinen zierlichen Körper, Fräulein. Dann ist unsere nächste Begegnung nicht unter diesen Umständen. Erstmal, warte ich aber hier, bis Ihr Bruder eintrifft. Oder wollen Sie mich loswerden?" , schmunzelte er.
Sein liebevolles Wesen erwärmte mein Herz.
Er gab mir ein sicheres Gefühl und lenkte mich von dem erschütternden Ereignis ab.
[...]
„..Und dann verstarb meine Frau. Ganz plötzlich. Sie war eine Heldin. Auf der Erde hatte sie schließlich genug gekämpft. Nicht wahr Fräulein?"Ich nickte ihm zustimmend zu. Er erzählte von seinem Leben. So abenteuerlich und tiefgründig. Es war seine Geschichte, die er mit mir teilte.
„Das tut mir schrecklich leid!" , sprach ich bezüglich dem Todesfall seiner Lebensgefährtin.
„Ach, was. So ist das Leben, mein Mädchen. Sie hätte meinen Tod nicht verkraften können. Eine empfindliche Seele versteckte sie hinte ihrem Heldenmut. Sie war so verletzlich und sensibel, wie dein liegender Körper gerade. Das wusste ich schon immer."Er stemmte sich hoch und klopfte seine staubigen Hände an seinem senfgelbkarierten Hemd ab. Die Farbe war schon längst verwaschen und das Material war von kleinen Löchern bedeckt. Es passte Ihm dennoch wie angegossen.
„Können Sie langsam wieder aufstehen?" , fragte er und bot mir seinen Arm zum Einhacken an.
Mit kleinschrittigem und vorsichtigem Handeln kam ich auf die Füße.
„Ist dieser junge Herr dein Bruder?"
Er blickte auf ein Auto welches an der Kreuzung geparkt hatte.
„Ja, in der Tat!" , sprach ich.
Mit seiner Unterstützung bewegten wir uns auf ihn zu. Er öffnete mir die Autotür, sodass ich ohne Mühe einsteigen konnte.
„Guten Abend!" , begrüßte er durch das Fenster meinen Bruder, der über meine Begleitung sichtlich verwundert war.
Nach einer langen Pause, kam er zu Wort: „Guten Abend. Danke, dass Sie meiner Schwester Gesellschaft geleistet haben."
Der alte Herr winkte mir noch zu und verschwand nach einer Zeit humpelnd in der Ferne. Er verschwomm mit seiner nächtlichen Umgebung und ich wünschte mir, ihm irgendwann noch einmal über den Weg zu laufen.
„Wohin soll ich dich fahren?"
Er fragte mich nicht nach meinem Wohlergehen.
Meine alleinige Anwesenheit beruhigte ihn und seine Wut mir gegenüber triumphierte.„Nach Hause!" , murmelte ich und starre aus dem Fenster.
Der Schock vor meinem Fall, saß tief. Die Stille füllte den Autoinnenraum.
„Warum bist du rangegangen?" , hakte ich letzlich nach.
Seit unserem Vorfall vermied er nämlich jeglichen Kontakt mit mir. Es war reines Schicksal, dass er seine Enttäuschung diesmal überwunden hat.
Mattia schrieb ich während der gesprächslosen Fahrt: „Hat sie mich gesehen?"
Ohne Verzögerung erscheint seine Antwort: „Nein. Wir sind jetzt bei mir. Sie schläft oben im Zimmer und ich schaue gerade irgendeinen Film. Ich hätte dich nicht so anschreien dürfen, doch hatte ich Angst um dich."Mit voller Erleichterung tippte ich die passende Erwiderung in mein Gerät ein, denn mittlerweile waren wir Heim angekommen. Es war ein nervenaufreibender Tag gegwesen, der mich viel zu viel Energie und Tränen gekostet hat. Ich bettete mich in meine weiche Decke ein und war bereit mich dem Schlaf zu übergeben, bis eine überraschende Nachricht meiner besten Freundin dieses Vorhaben verhinderte.
|| übernächster Kapitel ist schon Finale, dann gibt's noch einen Epilog, wie geht's es euch?