Kapitel 53

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„Du kannst mir auch in die Augen sehen." , schlägt meine Mutter empört vor.
Ich fasse all meine Geduld, welche dem Ende naht, zusammen und drehe mich um. Ich schaue ihre strengen Blicke an warte. Ihr markantes Gesicht befindet sich durch ihre Sitzposition auf meiner Brusthöhe, sodass ich herabschauen muss.

„Dein Bruder Elias erzählt mir aber was anderes." ,wirft sie in den kalten Raum und widerspricht meiner Aussage, keinen Partner zu besitzen.
„Ich weiß doch wohl am besten, wie mein Liebesleben aussieht." , sprach ich verwirrt und genervt zugleich.

Zum einen aufgrund der seltsamen Behauptungen meines Bruders und zum anderen wegen des Misstrauens meiner Mutter, denn dieses ist äußerst Fehl am Platz.

„Was erzählt er denn?" , fragte ich sie, weil meine Neugier stieg.
„Auf deinem Klassenfest vor den Ferien, hat er dich abgeholt, d/N. Glaubst du er sieht nicht, dass du weinend mit einem Jungen standest, bevor ihr losgefahren seid?" , fragte sie spöttisch und runzelt ihre faltige Stirn.

Überrascht von ihren Worten, beschleunigte sich mein Herzschlag, denn meinem Bruder war zu jenem Zeitpunkt nicht anzumerken, dass er solche Beobachtungen gemacht hat. Wieso spricht sie mich nach all den vergangenen Wochen darauf an?

„Das Klassenfest ist länger als einen Monat her. Warum möchtest du jetzt darüber reden?" ,erkundigte ich mich und verschleierte meine angestaute Nervosität.

Ich versuche die Fäden zusammenzuhängen, doch komme nicht zu einem logischen Entschluss, warum die Konfrontation meiner Mutter genau jetzt stattfindet.

„Ich habe gewartet, d/N. Gewartet bis du auf mich zukommst, um von deinen ersten Erfahrungen zu sprechen. Du hast immer weniger Zeit zuhause verbracht, doch meine Hoffnung, dass du dich mir öffnen wirst, führte zu meiner langwierigen Geduld. Aber ich merke, dass ich falsch lag." , gesteht sie mir wütend und enttäuscht von meinem verschlossen Verhalten.
„Soll das ein Witz sein?" , fragte ich sie ungläubig.

Bei unserem eskalierten Streit, habe ich ihr wutentbrannt vor Augen geführt, wie unmöglich es sei, dass ich eine ehrliche Beziehung zu ihr aufbaue, weil sie jede Faser Vertrauen selbstständig zerstört hat. Hatte sie selbst diese Worte nicht ernst genommen und respektiert? Wie hat sie den Mut, genau das zu fordern?

„Ein Witz?" , wiederholte sie erzürnt und wutgeladen meine Formulierung.
„d/N, bist du noch ganz dicht? Wie stellst du dir das vor, wenn unsere Bekannte dich mit einem jungen Mann auf der Straße sehen? Soll ich wie eine ahnungslose Mutter da stehen, die es nicht auf die Reihe gekriegt hat, über die Beziehungen ihrer Tochter aufgeklärt zu sein? Weißt du eigentlich, in was für ein schlechtes Licht ich stehen würde, wenn diese Situation wirklich passiert wäre? Nur weil du nicht in der Lage bist, deiner eigenen Familie zu erzählen, was in deinem Leben passiert! Und wenn du mir jetzt genau wie bei unserer letzten Diskussion vorwirfst, ich wäre nicht der Halt, den du brauchst, dann habe ich keinen blassen Schimmer, was du möchtest. Ich bitte dich doch hiermit, dass du sprechen sollst!" , beklagte sie sich aufgebracht.

Sie tippt mit ihren Fingerkuppen erregt auf meiner Brust herum, um mir die Schuld zuzuweisen. Ich merke in ihren funkelnden Augen, dass sie kurz davor ist handgreiflich zu werden, weil ich alle ihre Nerven kostete. Mal wieder geht es an der eigentlichen Problematik vorbei. Es geht um Alles, nur nicht um meine mentales Ende. Wie Bekannte, die keine Rolle in meinem Leben spielen, reagieren könnten, weckt ihr alleiniges Interesse. Geblendet von all dem Unwesentlichen im Leben, wie ihr Status und dem Ansehen, spielt sie selbst mit dem Gedanken, ihre Hand zu erheben. Meine Erfahrungen lehren mich, dass ich gegen eine Wand reden würde, wenn ich versuche schlagfertig zu antworten.

„Ist gut, Mama." , entgegnete ich.
„Du wirst schon wissen, wenn ich jemanden kennenlerne. Aber ich bin in keiner Beziehung, ich schwöre es dir." , setzte ich fort, während ich kalt blieb.

Sie schüttelte entsetzt den Kopf, doch nahm meine Worte zu Kenntnis. Unaufgefordert verließ sie mein Zimmer. Laut prustete ich die Luft aus meiner Lunge und entlastete meine Brust. Ich fühlte mich wie das pechschwarze Schaf. Als würden alle Probleme und alles Leid dieser teuflischen Welt mich jagen wollen.
Es scheint so, als würde Nichts passen. Ich bin gefesselt in einem falschen Leben. Alle Konstellationen gehören sich nicht. Ich liebe die verkehrte Person und verbrenne mich an dieser höllisch schmerzvollen Liebe. Meine Familie und ich leben in verschiedenen Welten und finden keine Brücke, die uns verbinden könnte. Ist bei all diesen schmerzlichen Umständen noch Freiraum, eine neue Person, wie Mar kennenzulernen? Der morgige Tag wird mir die Antworten bieten.
[...]
Ich laufe erschöpft durch die Straßen, um zur Schule zu gelangen. Die Müdigkeit kommt aus meiner schlaflosen Nacht. Wie immer waren meine Gedanken bei ihm. Seine raue Stimme beschäftige meinen Kopf und ließ mir nicht die Möglichkeit, ein Auge zuzudrücken. Es war zu groß - das Verlangen, seine Anwesenheit zu spüren. Ob ich mir ebenfalls über die Verabredung mit Mar Gedanken mache? Ich habe mit mir selbst zu kämpfen. Versteht ihr mich, wenn ich sage, dass die eine Hälfte von mir sich wünscht, dass er es schafft mich von Mattia wegzubringen und die Andere möchte, dass dieses Treffen schief läuft, damit kein Anderer außer Mattia in meine Nähe kommt?

„Liebe Schüler und Schülerinnen - lch begrüße Sie herzlich zu diesem neuen Schuljahr. Ich bin mir sicher, dass euch einige Gesichter dieses Kurses bekannt sind. Mein Name ist Herr Heinze. Ich bin euer Klassenlehrer und Tutor, der euch bei diesem Weg des Abiturs tatkräftig unterstützen wird." ,höre ich die angenehme Stimme meines neuen Lehrers, da ich mittlerweile in dem Klassenraum angekommen bin.

Die Tatsache, dass heute der erste Schultag ist, war für Mattia nicht überzeugend genug, um pünktlich zu kommen. Alle meine Mitschüler sind mir fremd, weswegen ich hoffe, dass Er baldmöglichst hereinplatzt, damit ich mich nicht mehr so verloren fühle. Und dieser Wunsch erfüllte sich: Ein überaus Wunsch erfüllte sich: Ein überaus reizender Mattia, mit grauer Jogginghose und weißem Shirt betritt das Klassenzimmer, während seine Hände die Träger seines schwarzen Rucksackes umklammern. Seine männliche Parfümwolke zieht sich durch diesen ungewohnten Raum und sofort erlebe ich das Gefühl von Geborgenheit. Unsere Blicke treffen sich, sodass das Adrenalin durch meinen Körper fließt. Meine Hände zittern unter dem Tisch, als hätte ich ihn seit Jahrzehnten nicht gesehen. Dabei war gestern unsere letzte Begegnung. Er nutzt die Gelegenheit, dass Herr Heinze mit dem Papierkram beschäftigt ist, und setzt sich unbemerkt in die Reihe gegenüber von mir. Meine weiblichen Mitschüler können sich nicht satt sehen. Wie denn auch, bei dieser menschlichen Perfektion?
[...]
Mittlerweile stehe ich vor unserem Schulgebäude und warte auf das Abholen von Mar. Der Schultag verlief entspannt, denn nur das Organisatorische wurde geklärt, sodass Mattia und ich und nicht in die Quere kommen mussten. Aus weiter Ferne sehe ich, das Auto, welches meine Freundin mir beschrieben hatte. Er hält gegenüber von mir an und meine Aufregung steigt in das Unermessliche. Nervös steige ich ein und setzte mich auf den Beifahrersitz. Ich möchte nicht, dass er aussteigt, um mit dir Tür aufzuhalten. Diese Situation wäre mir äußerst unangenehm. Deshalb ergriff ich selbst die Initiative.

„Hey. Ich bin Mar." , stellte er sich selbstbewusst vor, als ich die Autotür schloss und möchte mich mit einer Umarmung begrüßen.

Sein Aussehen ähnelte dem meiner besten Freundin.
Dunkle Augen und Haare und eine gebräunte Haut.
Seine auffällige schwarze Lederjacke rundete sein teures Outfit ab.

„Hey. d/N mein Name." , erwiderte ich und hielt diese peinliche Umarmung knapp.

Die lauten Motorgeräusche begleiten unseren beklemmten Smalltalk, während der Fahrt. Er informierte mich, dass er ein Restauranttisch reserviert hatte und anschließend eine Überraschung für mich geplant hat.

„Ich hoffe mein Vorhaben wird dir gefallen." ,äußerte er lächelnd und zwinkerte mir zu.
„Das hoffe ich auch." , antworte ich und lachte unsicher, weil ich nicht die geringste Ahnung hatte, was mich danach erwarten wird.

𝑯𝒆𝒓𝒛 𝒐𝒅𝒆𝒓 𝑽𝒆𝒓𝒔𝒕𝒂𝒏𝒅 // 𝑴. 𝑷.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt