Kapitel 47 - Lesenacht

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„d/N. Nicht mal ich habe es gewagt, dich zu berühren. Glaubst du ich kann den Gedanken ertragen, dass jemand anderes es tut?" , fragt er mich niedergeschlagen.

Und nicht weil wir keinen Körperkontakt hatten, sondern, weil jemand anderes meine warme Nähe gespürt hat. Der Gedanke ist so erschütternd traurig und so wunderschön zugleich. Ich schenke ihm ein schmerzliches Lächeln, während meine Blicke so viel mehr aussagten. Wir schauen uns tief in die Augen und wollen unsere kraftvollen Worte nicht nutzen, um den Gegenüber zu verletzen oder diesen unbeschreiblich Moment zu zerstören. Der schallende Lärm der ungeordneten Menschenansammlung war nur noch schwach. Dumpf und beinahe klanglos. Und jede Rangelei die mein Körper zu spüren bekam, fühlte sich an wie eine federleichte Berührung. Ich blicke in seine gefühlskalten Augen und auch ohne die Barmherzigkeit, die sie sonst verstreuten, fühlte ich mich in Sicherheit. Das beängstigende Durcheinander dieses Ortes, das mir so viel Sorge bereitete, nahm ich kaum wahr.

„Du brauchst dich nicht mehr nach vorne kämpfen. Wir sind zusammen im Geschichtsprofil." ,unterbrach er diese Stille und nahm mir die Antworten, für die ich hier bin, vorweg.

Verdutzt wiederhole ich diesen Satz in meinem Kopf und die vorherige Erleichterung, keine Klasse mit ihm zu besuchen, war verflogen.

„Kennen wir wen, der mit auf der Liste steht?" ,erkundigte ich mich über die weiteren Mitglieder unseres Profils.
„Nein, kein Name kommt mir bekannt vor." ,beantwortete er schlicht und unverziert meine Frage.

Ich nickte und lasse mir seine Desinteresse durch den Kopf gehen. Sein kühler Frost in den Blicken, war nicht gewöhnlich. Und ich sehe, dass nicht unsere Trennung der Grund ist. Er ist beklemmt und trägt eine Last auf der Brust. Doch vor mir kann er seine bedrückte Seele nicht verstecken.

„Wollen wir nicht weg von diesem anstrengendem Platz?" , hakte er nach, nachdem wir schweigend in diesem Gedrängel verweilten.
„Ja, unbedingt." , sagte ich bittend.

Er nahm meine Hand, um mich hinaus zu führen.
Meine gesamte Konzentration lag auf diese unerwartete Berührung. Er verkreuzte unsere Finger ineinander, während er voraus ging, sodass ich mühelos in dem von ihm geschafften Freiraum hinterherlaufen kann. Wie eine Kettenreaktion, verteilte sich eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper. Ein Dejavú, denn dieser Vorgang wiederholte sich zum zweiten Mal: vor unserem ersten Kuss. Jetzt ließ ich mich von ihm ziehen, weil ich wie in Trance war. Meine Haut war am Kribbeln und mein Herz am beben. Meine Beine machten keine eigenständigen Schritte und überließen Mattia die Aufgabe, mich fortzubewegen. Die Luft wird immer frischer und er lässt mich los, denn wir waren aus dem Tumult befreit. Er drehte sich zu mir um und lachte: „Ich wollte dich hinausbegleiten und nicht hinaustragen. Hättest ruhig selbst gehen können."

Er sieht, wie unruhig er mich gemacht hat und möchte mich ärgern. Am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst, denn ich laufe rot an.

Ich ignoriere meine peinliche Situation und begebe mich der deutlich wichtigeren Tatsache: „Irgendwas ist mit dir." , stelle ich fest, weil sein Lachen so aufgesetzt wirkte.
„Ich glaube du weißt am besten, was mit mir ist." ,antwortete er todernst und weicht einer ehrlichen Bemerkung aus.

Verwirrung und Nervosität machten sich in ihm breit, denn ich wäre die Letzte, die unser gebrochenes Verhältnis wieder anspricht. Doch das meine ich gar nicht: „Mattia ich rede nicht von Uns. Du hast was anderes."

Er kratzt sich klischeehaft am Hinterkopf und meidet Augenkontakt.

„d/N, Sie. Du weißt schon, wen ich meine.." , beginnt er mit aufgeregter Stimmlage.

Unregelmäßig atmete er und zuckte mit seinen Augenlidern. Der nervöse Klang, der sich seinem Satzanfang anschließt, beunruhigte mich. Ich wusste, dass eine Beklemmung ihn plagt, aber nicht im Zusammenhang mit meiner besten Freundin.

„Wir sind wieder zusammen." , brummte er emotionslos.

Mein Herz blieb für einen Moment stehen. Meine Gliedmaßen waren wie betäubt. Ich spürte ein feuriges Brennen, welches mein Seele in Schutt und Asche legt. Gott zeigte mir erneut mein Schicksal, weil ich ihn vergaß: Diesem ewigen Teufelskreis wirst du nicht entkommen.

𝑯𝒆𝒓𝒛 𝒐𝒅𝒆𝒓 𝑽𝒆𝒓𝒔𝒕𝒂𝒏𝒅 // 𝑴. 𝑷.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt