Die passende Kleidung hatte ich nicht parat. In mein altes Kleid zu schlüpfen schien mir, als würde ich mit dem Zeichen meines Verrats herumwedeln. Ich entschied mich also die weiten und in dem Anlass leider geschmackslosen Anziehsachen von Mattia beizubehalten. Auf dem braunen Ledersofa sitzend verfolgte ich eine uninteressante Nachrichtensendung. Ich brauchte ununterbrochen eine Ablenkung, um meine quälende Stimme zu übertönen, die so unfassbar schmerzt. Die hasserfüllte Verachtung und der Ekel in dieser schreienden Stimme war unerträglich. Konzentriert blicke ich pausenlos auf den hellen Bildschirm, bis eine gutgebaute Gestalt mir die Sicht versperrt. Mattia warf sich, im Gegensatz zu mir, deutlich in Schale. Er trug eine blaumelierte Jeans und ein klassisches weißes Poloshirt, welches seine braungebrannte Hautfarbe akzentuierte. Es ließ mich schmunzeln, ihn so zappelig und aufgeregt zu sehen. Es war gerade mittags, dennoch stürmte er nach unserem Frühstück eilig zu seinem Kleiderschrank.
Er fragte: „Wie sehe ich aus?"
Er breitet die Arme aus, damit ich ihn wie eine Schaufensterfigur betrachten kann. Im Kreis drehte er sich um seine eigene Achse.
„Du bist der schönste Mann auf dieser Erde. Weißt du das, Mattia?" , antwortete ich und blieb mit meinem schwenkenden Blick an seinen haselnussbraunen Augen stehen.
Geschmeichelt kommt er auf mich zu.
„Das sagt sie mir auch immer." , grinste er mit humorvoller Absicht.
Er realisiert schnell, was er angerichtet hat. Entrüstet wende ich mein Augenpaar von ihm ab. Das war der Tritt in die offene Wunde. Ich hatte mich darauf verlassen, dass die Erwähnung meiner besten Freundin ein ungeschriebener Verbot ist. Ich hatte mein Gewissen betäubt und mich selbst belogen, in dem ich die Präsenz seiner Freundin verdrängt habe. Doch die Realität holt mich ein und zwingt mich ständig zu der Konfrontation.
„Es war nicht so gemeint." , gesteht er und setzt sich neben mich.
Er strich mit seinen federweichen Händen über mein von ihm abgewendetes Gesicht.
„Ich weiß." , sprach ich.
Es wäre ein arglistiger Zug, ihn für diese Aussage in irgend einer Weise zu beschuldigen, denn ich bin mit aller Freiwilligkeit hier.
„Es tut mir leid." , entschuldigt er sich geplagt von Reue, weil er seiner Meinung so viele Narben geöffnet hat.
Dabei waren sie nie geschlossen - ich denke jede Minute an Sie.
Ich wende mich zu ihm: „Mir tut es leid, Mattia. Mir sollte es leid tun. Aber das tut es nicht. Denn ich bin hier - bei dir."
Stumm blickt er in meine bedrückten und glasigen Augen. Wie soll er darauf eine Antwort finden? Bedrückt und entkräftet war ich von meinem geistigen Kampf, der trotz des endgültigen Sieges meines Herzens nicht enden wil. Während mein Verstand, Besitzer meiner Inneren Stimme, jeglichen Respekt und Stolz mir gegenüber verlor und mich mit dunklen Hass überflutet, verteidigt sich mein Herz mit seiner unsterblichen Liebe zu Mattia. Das Klingeln meines Handys erlangt nach Sekunden der Totenstille meine Aufmerksamkeit. Der Name von meines beinahe inoffiziellen Partners erscheint auf dem Bildschirm.
„Hey Mar." , begrüßte ich ihn.
Als Mattia diese Worte zu hören bekam, stand er genervt auf und verschwand aus dem Wohnzimmer.
„Hey, Engel." , erwidert er breit grinsend.
Ohne ihn zu Gesicht zu bekommen, war ich mir sicher, dass ein Lächeln seine Lippen verziert.
„Wie geht es dir? Bist du zuhause?" , ergänzt er.
„Ja, mir geht es gut, dir? Und ich bin gerade zuhause." , antwortete ich unehrlich, denn keines der beiden Aussagen entspricht der Wahrheit.
„Wollen wir etwas unternehmen? Ich hole dich ab, wenn du möchtest." , schlug er begeistert vor.
„Heute ist Familientag - hat meine Mutter gerade beschlossen. Sie möchte Zeit mit uns verbringen." ,erklärte ich ihm die heutige Lage.
„Du hast etwas gut bei mir. Tut mir leid!"
Er seufzte enttäuscht in den Hörer: „Alles gut, habt viel Spaß! Genieß es, Engel. Wir sehen uns noch diese Woche. Versprochen?"In diesem Moment war ich dankbar, dass Mattia das Weite gesucht hat.
„Versprochen." , versicherte ich ihm.
Nach einer knappen Verabschiedung, schließten wir das Telefonat ab. Ich tapste die Treppen hinauf, um nach Mattia zu sehen. Durch den schmalen Türschlitz sah ich, dass Er auf seinem Bett liegt und Löcher in die Decke starrt. Seine Finger verkreuzte er an seinem Hinterkopf. Ich schlich in das Zimmer und aufgrund seiner Geistesabwesenheit, nahm er mich nicht wahr. Ich sprang mit einem Mal auf seinen muskulösen Körper. Er riss er seine Augen auf und richtet sich auf. Erschrocken blinzelt er einige Male, um wieder zu sich zu kommen.Ich hatte mich auf seinen Schoß hingepflanzt und lachte herzhaft: „Weißt du, dass man deine Eifersucht an deinen Augen ablesen kann?"
Er versucht uninteressiert seine starre Mimik zu bewahren. Dabei sah er so unglaublich anziehend aus. Die bunten Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten umher. Er schien nachzugeben und positioniert seine Hände auf meinen Hüften. Ich lehne mich nach vorne, weil ich mein Verlangen nicht im Zaum halten konnte.Mattias voluminöse und butterweiche Lippen küssen meine. Die Vorsichtigkeit bei seiner Berührung ließen einen glauben, dass meine Lippen die Zerbrechlichkeit eines Kristalls besitzen.
„Wann müssen wir nochmal zu deinen Eltern?" ,scherzte er flüsternd und rutscht mit seiner Hand unter meinen Pullover.
Und dieses Mal hat mich seine Anmerkung tatsächlich zum Lachen gebracht. Mit Sicherheit: Es war alles andere als gesund, einen Menschen so sehr zu lieben, wie ich es tat.