Kapitel 72

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Wie von meiner besten Freundin gewünscht, warte ich auf der braun lackierten Parkbank auf ihre Ankunft. Sie hat sich verspätet und meine Nervosität überschreitet alle Grenzen. Ängstlich zappele ich mit meinen tauben Beinen, welche über der Erdoberfläche taumeln. Paranoide Gedanken verfolgen mich und setzen sich in meinen Kopf fest wie Parasiten. Die zerreißende Vorstellung, dass sie über meinen Verrat weiß, lässt mich nicht los. Die Straßen sind leergefegt und mit jeder vergangenen Minute verdunkeln sich die schweren Wolken am nachtblauen Himmel. Meine Blicke umkreisen diesen großflächigen Park. Keine Sterne sind in Sicht, die diese griesgraue und nebelige Umgebung erhellen können und die angsteinflößende Stimmung dämpfen. Doch mit einem Mal glühen die schwarzen Strassenlaternen auf und die gelben Lichtquellen umzingeln den Ort, wie ein Zaun. Die plötzliche Kettenreaktion ließ mich fürchtend aufzucken, doch verbessert meine verschwommene Sicht. Nach weiteren Sekunden der Totenstille, lassen die bedachenden Wolken den Regen nieder und die kalten Tropfen prasseln auf mein Gesicht. Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper wie ein Schleier und wird bei jedem kräftigen Windschlag, der mich trifft, intensiver. Das Rascheln der Blätter und die undefinierbaren Geräusche aus den dunklen Gebüschen sind, neben meinem lautstarken Herzschlag und das leise Aufprallen der Regentropfen, die einzigen Laute die in dieser trostlosen Anlage zu hören sind. Um diesen Park habe ich immer Umwege gemacht, denn er ähnelt einem düsteren Friedhof. Doch nun sitze ich hier.
Im Zentrum dieses verunsichernden Ortes. Der Rasen auf diesem Boden war so kärglich, wie das jetzige Klima, was mich prägt. Er ist dürre und gelb und löst sich aufgrund seiner überheblichen Trockenheit in Sekundenschnelle in Staub auf. Um mich herum ragen zemente Häuserblöcke in die Höhe und nehmen die Besucher dieses Parks gefangen, sodass meine beengte Stimmung zunimmt. Mein mulmiges Gefühl führt zu kribbligen Bauchschmerzen und mein unruhiges Augenpaar gleitet durch die Gegend. Mein feindseliger Verstand will mir stets fürchterliche Gedanken in die Sinne rufen und übernimmt meine Gefühlslage. Das Unwohlsein in mir wächst stetig und mein Magen verkrampft sich und schnürt sich zu, als hätte man mir ein dickes Seil um den Bauch gewickelt. Ich spürte so verheerende Angstgefühle noch nie zuvor. In dieser trüben Sicht, sehe ich eine schattige Gestalt auf mich zukommen. Mein Gedanken so laut, dass ich beginne zu halluzinieren und meine Nerven zu verlieren. Ich erhebe mich, um falls nötig davonzulaufen. Doch meine Freundin kommt mir entgegen und das Erste, was mich erreicht, ist ihre steife Handfläche und das feurige Brennen auf meiner Wange. Nicht bei klarer Verfassung halte ich meine heiße Gesichtshälfte mit meinen erfrorenen Finger fest. Mit aufgerissenen Augen realisiere, dass mein schrecklichster Albtraum Realität ist. Der Tag, an den ich vor lauter Furcht, kaum denken konnte, tritt ein. Gegenüber von mir steht sie, umgeben von der gefährlichen Schwärze dieser Nacht. Ihre Blicke hasserfüllt an und würden töten, wenn sie könnten.
Ihre Augäpfel sind feuerrot und ihre Wimpern vor lauter Weinen ausgefallen, sodass sie auf ihren tiefen Augenringen liegen. Ich schwitze Blut und Wasser. Die Angst in mir pochte auf meiner Haut, sodass ich spürte wie meine kleinen Härchen sich Hin und Her bewegten. Mein Puls steigt und mein Körper zittert.
Ich bin kreidebleich wie eine Leiche und meinem Hals ist jede Feuchtigkeit entzogen. Die bitteren Tränen fließen in Strömen ihre Gesichtshälften entlang. Ihre verheulte Erscheinung war vor dem Pochen ihrer Wangen angeschwollen und so prall wie ein Ballon. Die Wut, die sie trägt, lässt ihre blaugefärbten Lippen kaum unbeweglich ruhen.
Mein Herz rast wie verrückt und der Kloß in meinem Hals fühlt sich an wie ein tonnenschwerer Betonziegel.

„Schlag mich nochmal, bitte." , forderte ich sie auf, weil sie stillschweigend mein Inneres mit ihren Blicken zerstochert.

Meine Stimme ist leise wie noch nie, weil mir vor lauter Erschütterung die Luft zum Atmen fehlt. Ein lauter Donner erschlägt mein Gehör, sodass ich schreckerfüllt meine Ohrmuscheln festhalte. Der Regen so unvergleichbar stürmisch, doch für mich kaum wahrnehmbar. Mein Herz springt beinahe aus meinem Brustkorb und brennt wie heiße Glut.

„Keinen Menschen auf dieser Erde hasse ich so wie dich." , knurrt sie und schubst mich hemmungslos nach hinten.

Die pitschnasse Bank fängt mich auf, doch wässert meine gesamte Kleidung.Ihre Atmung so unkontrolliert und laut, sodass sie meine eigene aus der Bahn wirft. Ihre zitternde Hand landet erneut auf meiner roten Wange. Meine salzigen Tränen werden von ihrem Schlag tiefer in mein Gesicht geprellt und hinterlassen schmerzliche Spuren.

„Ich habe es verdient. Schlag mich nochmal. Es tut mir leid. Es tut mir leid, für jeden Elend, den ich verursacht habe. Ich hasse mich für jede Sekunde, die ich auf dieser Welt verbracht habe." , schrei ich mir die Seele aus dem Leib.

So viele Schmerzen zerschlagen meinen Körper. Ich verzerre mein Gesicht, weil meine Lunge sich zusammenzieht, als hätte sie vergessen wie der Stoffwechsel funktioniert.

„Nein ich werde dich nicht mehr schlagen. All die Gewissensbisse sollen deine Psyche zerfleischen wie ein erbarmungsloses Raubtier. Meine Schläge wären die Erlösung. Es soll dich töten, weil ich auch gestorben bin." , brüllt sie.

Ihre Stimme bringt den Park zum Beben. So viel Enttäuschung und Wut. Sie ist am Ende. Verzweifelt schreit sie durch die Leere und zieht an ihren zerzausten Haaren, weil mein Verrat ihr jegliche Vernunft raubt. Sie kratzt sich ihre Gesichtshaut auf und schlägt sich gegen ihr Dekolleté. Ihr Gebrüll so schrill und ohrenbetäubend, dass die Bewohner der Wohngebäude die Lichter anschalten und aus den Fenstern tatenlos zuschauen. Die Tiere rennen orientierungslos und panisch umher. Ihr Anblick zerstückelt mein Herz. Ich laufe auf sie zu, um nach ihrer Hand zu greifen, damit sie wieder auf mich zugeht. Ich will diesen Schmerz nicht mehr spüren.
Dieses Stechen in meiner Brust, welches so qualvoll mein Inneres auseinanderreißt.

„Fass mich nicht an. Diese ekelhaften Finger, die auch Mattia berührt haben, will ich nicht spüren. Du widerst mich an." , zischt sie.
„Wie kannst du so unfassbar dreckig sein? Wir waren Familie. Wie konntest du mich so verraten? Und all das vergessen, was uns verband?" , fragt sie mich.
„Wie lange geht das schon?" , stellte sie mich außer Atem zu Rede.

Sie greift brutal nach meinem Haaransatz und zerrt meinen Schädel auf ihre Augenhöhe. Meine Tränen gefüllt mit Schuldgefühle und ihre gefüllt mit Hass.
Sie durchbohrt mit ihren blutigen Augen meine Seele.

„Du warst mein einziger Halt. Hätte Mattia mich mir einer fremden Person betrogen, hätte ich mich bei dir ausgeheult. Du hättest mir gesagt, dass Gott mir etwas Besseres bereithält. Du hättest mich in den Arm genommen und mich in den Schlaf gestreichelt. Dein Duft würde mir Geborgenheit verleihen, denn ich würde wissen, dass solange ich dich habe, keine Menschenseele mehr eine Rolle spielt. Bei wem soll ich jetzt mein Herzschmerz ausschütten? Wo soll ich hin? Ich habe nur euch. Du hast mir alles genommen, was ich besitze." , flüstert sie.
„Wo soll ich jetzt hin?" , wiederholt sie schreiend und bohrt mit ihren Fingernägeln in ihre rot gefärbte Brust.
„Soll ich jetzt zu dir?" , lacht sie, schon lange nicht mehr bei reinem Verstand.

Sie versteht Gott und die Welt nicht mehr.

„Hör auf, bitte. Ich ertrage es nicht." , flehe ich sie an.
„Und wie soll ich das ertragen? Sag es mir!"

Ich ersticke beinahe an meinen Tränen und keuche laut. Mein Geist an seiner Grenzen der Kraft und mein Schmerz so gewaltig, dass mein Körper zusammenfällt. In dieser schlammigen Erde vertieft, blicke ich auf ihre wackligen Knie.

„Wie konntest du mir all die Zeit in die Augen sehen? Wie konntest du mich in die Arme schließen, nachdem du auf seiner Brust schliefst? Wie hat es sich angefühlt, als du ein 'Ich liebe dich' gehört hast, während du wusstest, wie sehr ich darunter leide, diese Worte nicht zu Ohren zu bekommen? Sag mir, wie seine Nähe war, weil ich sie nie spüren konnte. Wie war es, seine Wärme zu genießen, während dir klar war, dass seine Kälte mich zerbrochen hat? Du bist ein Teufel. Wer dich hat, braucht keine Feinde."

Es war ihr Todestag gewesen.

|| es ist mein aufwendigstes Kapitel bisher. noch nie habe ich so viele Stunden an einem einzigen Kapitel gearbeitet, ich habe seit einer Nächten an diesem Kapitel gearbeitet, da das vorherige Kapitel schon von mir geschrieben war und ich hoffe ihr erkennt die Mühe, auch wenn ich das Gefühl habe, ich könnte die Situation besser darstellen. ich hoffe, das Kapitel wird euch gefallen und passt auf euch auf! <3

𝑯𝒆𝒓𝒛 𝒐𝒅𝒆𝒓 𝑽𝒆𝒓𝒔𝒕𝒂𝒏𝒅 // 𝑴. 𝑷.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt