Ich drehte meinen Schlüssel einige Male im silbernen Schloss herum, bis sich unsere Tür geöffnet hat. Immer noch nachdenklich durch die Worte Aurelias schlendere ich unaufmerksam in mein Zimmer. Ihr Vorschlag sitzt in meinem Kopf fest und wird zigmal in meinem Gehirn durchgespielt. Wie konnte ich dem nur zustimmen?
Unentschlossen und zerrissen, ob es die richtige Entscheidung ist, diesem Ratschlag gefolgt zu sein, bemerke ich durch meine mangelnde Konzentration nicht, dass meine Mutter auf meiner Bettkante sitzt.
Anscheinend wartet sie seit einiger Zeit auf meinen Empfang. Ihr müsst wissen, dass seit unserem unfriedlichem Konflikt vor vielen Wochen die Lage sehr gereizt ist. Distanz und Anspannung beschreiben unsere jetziges Verhältnis exakt. Mein erwartungsvoller Blick reicht, um meine Fragen über ihr Dasein zu symbolisieren.„Wir müssen reden, d/N. So geht das nicht weiter." ,sprach sie und klopfte auf die freie Fläche neben sich.
Zum ersten Mal machte meine Mutter einen Schritt auf mich zu. Nach zahlreichen Vertrauensbrüchen und nachdem sie mich mit meinen Ängsten, Tränen und meiner Hoffnungslosigkeit in Stich ließ, ohne ein einziges Mal den höllischen Schmerz in meinen Augen zu sehen, will sie sprechen. Ein Stich in meine Seele trifft mich bei diesen Gedanken über ihre Blindheit. Wie von ihr gefordert, nahm ich neben ihr Platz. Mit ihren kalten Händen strich sie sanftmütig über meinen Rücken, sodass ich erschaudere.
Keine wohlige Wärme, keine Beruhigung macht sich bei ihrer mütterlichen Berührung in meinem Körper breit. Sie kommt verspätet. Viel zu spät. Wie oft ich früher diese Hand annahm, aber enttäuscht wurde. Wie oft ich mich ihr anvertraut habe, aber letztendlich verraten wurde. Weil ihre Unvorsichtigkeit und Unbeherrschtheit sie immer dazu brachte, mich mit meinen eigenen Schwächen zu verletzen. Und somit hat es sich entwickelt: meine Angst vor ihrer Nähe. Die Angst vor der Nähe meiner Mutter. Mein Fleisch und Blut. Ich spanne meine Rückenmuskulatur an, weil diese Berührung keineswegs angenehm war.Ihre streichelnde Hand steht für mich nicht für eine Stütze und Liebe, sondern für Enttäuschung und Verrat.„d/N, wenn ein Mann all deine Aufmerksamkeit einnimmt und du deshalb so oft nicht zuhause sichtbar bist, dann müssen wir das umgehend ändern. Du hast ein Haus und eine Familie, die genauso ein Anrecht auf deine Zeit haben." ,predigte sie mir.
Gekränkt von ihrem Egoismus, schüttele ich mit meinem Oberkörper ihre Hand weg, welche sich auf meiner Wirbelsäule befindet.
„Keine Sorge, es gibt keinen Mann in meinem Leben." , beruhigte ich sie und erhob mich, wie in bekannten Filmszenen, um ihr den Rücken zuzuwenden.
Doch dann kam mir das Geschehen mit meiner besten Freundin in den Sinn. Meine Einsamkeit wird nicht mehr lange weilen, denn sie hat eine Verabredung zum Kennenlernen mit Mar vereinbart.
Nach dem morgigen ersten Schultag werden wir den Nachmittag zusammen verbringen. Und ich gab ihr mein Einverständnis, während mein Herz ein anderen brennenden Wunsch mit sich trägt. Während mein Herz von seiner Sehnsucht nach ihm wie in blutigen Kriegszeiten gefoltert wird.