Kapitel 24 (Auf der Suche nach Andreas)

163 12 0
                                    

Die Fahrt war von der ersten Sekunde an ein Pulverfass. Die Sicht war gleich Null, während die heftigen Sturmböen, den Wagen entweder auf die Gegenfahrbahn oder zum Straßengraben trieben. Kleine und große Äste lagen auf der Straße, während kleine Äste und Laub vorüber geweht wurden.
"Oh man Andreas! Du hast mir etwas versprochen. Das Euch nichts passiert und ihr in Sicherheit seid. Das ist hier das komplette Gegenteil von in Sicherheit sein".
Ich wischte mir das Blut aus dem Gesicht.
Nach ein paar Kilometern erreichte ich den Friedhof. Ich parkte den Wagen, nahm die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und machte mich auf den Weg. Die Tannen, die überall auf dem Friedhof standen, rauschten laut. Starke Sturmböen zerrten an meiner Jacke und ließen mich frösteln. Dann erreichte ich den Platz. Ein paar Meter weiter, sah ich Andreas, der vor der Grabstelle saß und bitterlich weinte. Sein ganzer Körper bebte und zitterte. Es zerriss mir das Herz, ihn so am Boden zu sehen.
Langsam näherte ich mich ihm, um ihn nicht zu erschrecken.
"Andreas? Alles gut. Ich bin es, Charlie".
Andreas zuckte zusammen und sah mich mit nassen verheulten Augen an.
"Charlie? Wie siehst du denn aus und was machst du hier?" schniefte er, während er sich über die Augen wischte.
Den ersten Teil seiner Frage ignorierte ich.
"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Bei diesem Wetter solltest du auch nicht draußen sein".
Ich hielt ihm meine Hand hin und half ihm aufzustehen. Als er stand, fiel er mir schluchzend um den Hals und krallte sich an mir fest.
"Papa wusste, dass du auf mich aufpasst" sagte er.
Ich streichelte sanft sein Gesicht.
"Natürlich passe ich auf dich auf. Komm ich habe dir deine Kapuzenjacke mitgebracht. Es ist zu kalt um im T-Shirt unterwegs zu sein".
Ich zog mir meine Jacke aus, danach die Jacke von Andreas und reichte sie ihm.
Mit zitternden Händen nahm er die Jacke und zog sie sich an.
"Was ist dir passiert?" fragte Andreas und sah mich fragend.
"Ich bin gerade nicht wichtig. Was hat dich hier raus getrieben?" fragte ich ihn sanft.
"Ich habe mich mit Chris gezofft und bin dann einfach nur noch weggelaufen. Papa hatte immer eine Idee für mich parat" flüsterte er und sah mit Tränen in den Augen auf den Grabstein.
Ich legte meine Arme wieder um ihn und strich sanft über seinen Rücken.
"Komm lass uns wieder nach Hause fahren. Der Sturm wird immer gefährlicher".
Andreas nickte, legte seinen Arm um mich und ging mit mir mit zum Auto.
Auf der Rückfahrt schwieg er zunächst. Ich versuchte es zu reduzieren aber weder meine Nase noch die Wunde über dem Auge wollte aufhören zu bluten.
"Charlie bitte sag es mir. Was ist passiert?"
Ich setzte den Blinker und hielt am Straßenrand.
"Andreas, ich wurde von der Tür ausgeknocked, die du aufgestoßen hast. Ich habe vermutlich eine gebrochene Nase und diese nette Platzwunde, die mich in den Wahnsinn treibt" raunzte ich, während ich mir erneut das Blut wegwischte, das mir fast ins Auge lief.
"Ich habe mir Sorgen gemacht, dass dir was passiert ist, dein Bruder macht sich auch Sorgen".
Andreas senkte seinen Blick.
"Kannst du hier wenden!" fragte er kleinlaut.
Ich sah ihn fragend an.
"Ja aber war..."
"Ich begleite dich zum Krankenhaus. Schließlich bin ich Schuld daran, dass du verletzt wurdest".
Ich sah ihn einen Moment einfach nur an. Es tat ihm richtig weh, dass er mich verletzt hatte.
"Du bist nicht alleine Schuld Andreas. Ich war draußen, weil es auf einer Kamera so aussah, als wenn jemand von euch draußen wäre. Da musste ich nachsehen. Auf dem Rückweg wollte ich kurz nach Euch sehen. Naja und jetzt sitzen wir beide hier" seufzte ich.
"Ich muss mich ebenfalls entschuldigen, dass ich mich nicht an die Abmachung gehalten habe".
"Dann sind wir ja schon zu zweit" meinte Andreas mit rauer Stimme.
"Ich hatte dir mein Wort gegeben, dass uns nichts geschieht und habe es provoziert".
"Wir haben beide Fehler gemacht aber das ist menschlich" sagte ich und legte meine Hand auf seine. Dann holte ich mein Handy raus.
"Ruf deinen Bruder an, damit er weiß, dass es dir gut geht und du mit mir zum Krankenhaus fährst".
Andreas nickte. Am Telefon wusch ihm Chris auch noch mal den Kopf.
Andreas war ungewohnt kleinlaut und ließ das Donnerwetter seines jüngeren Bruders über sich ergehen während ich den Wagen Richtung Krankenhaus lenkte.

Träume sind da, um gelebt zu werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt