Kapitel 2: Die ersten Worte

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• Yara •

Sein durchdringender Blick ... Sollte ich vielleicht etwas sagen?

Keinen Augenblick später hat dieser erhabene, eindrucksvolle Mann die paar Meter Entfernung zwischen uns zurück gelegt und steht eine Armlänge von mir entfernt. Ich hätte schwören können, seine Bewegung in dieser wahnsinnig übermenschlichen Geschwindigkeit FAST verfolgen zu können. Mich beschleicht aber ein Gefühl, dass er sich mit Absicht langsamer bewegt hat, warum auch immer. Durch seine schnelle Bewegung weht mir der Geruch dieses Mannes wie ein laues Lüftchen entgegen. Es ist derselbe Geruch, wie ich auch auf dem Umhang wahrgenommen habe, der in der Kutsche behutsam um mich gewickelt war. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, diesen Geruch auf einem überfüllten Markttag sofort wieder zu erkennen und verfolgen zu können.

„Die Umgebung muss dir sehr laut und sehr hell vorkommen", beginnt er das Gespräch zwischen uns, als wüsste er genau was mit mir los ist und als wüsste er, WARUM das mit mir los ist. Was für eine unglaublich tiefe Stimme er hat ...

„Ist alles in Ordnung? Wie fühlst du dich?", hängt er diese Fragen an seine Feststellung zu meinem Zustand an. In seinem Blick verzieht er keine Miene, während ich seine Augen aber mustere bilde ich mir ein, eine Spur von Besorgnis in ihnen zu erkennen.

Warum habe ich das Bedürfnis, bei ihm Zuflucht zu suchen? Ich kenne ihn doch gar nicht. Sogar kleinen Kindern bringt man schon bei, nicht mit Fremden mitzugehen. Was ist nur los mit mir?

Meine Aufmerksamkeit wird von dem Zwitschern der Vögel um uns herum kurzzeitig unterbrochen.

Können diese Vögel nicht endlich mal den Schnabel halten? Seit wann sind die so laut?

„Geht das wieder weg?", ist die erste Frage, die mir durch den Kopf schießt und die ich ohne darüber nachzudenken auch laut ausspreche.

Ist seine starre Mimik gerade um einen Millimeter weicher geworden?

„Mit der Zeit solltest du dich daran gewöhnen, vermutlich wird das aber noch ein wenig dauern", beantwortet er meine Frage. Sein Blick ruht auf mir.

Ein lautes Tröpfeln und Plätschern unterbricht erneut meine Aufmerksamkeit dem fremden Mann gegenüber.

Wenn das Wasser im naheliegenden Bach ein bisschen leiser fließen würde, könnte ich mich echt besser auf diese Konversation konzentrieren.

„Ich würde vorschlagen, wir setzen uns zurück in meine Kutsche und reden dort weiter. Die Wände sind gegen den Lärm gedämmt und die Scheiben gegen die Sonne getönt", unterbreitet er den Vorschlag, bei dem ich fast das Gefühl habe, ihn nur mit Ja beantworten zu dürfen. Ich erinnere mich an die gedämpfte Akustik, bevor ich blindlings aus der Kutsche gestiegen bin und finde das Angebot dann doch zu verlockend.

Ich nicke leicht.

JETZT umspielt ein Lächeln ganz offensichtlich seine Lippen.

• Vittorius •

Sie nickt! Diese Erleichterung in meiner Brust ist unbeschreiblich!

Ich komme ihr ein Stück näher, um meine Hand auf ihre Schulter legen zu können. Was ich natürlich äußerst langsam und behutsam mache, um mein kleines frisches Vampirkind auf keinen Fall zu verschrecken. Zum ersten Mal nehme ich nun auch ihren Geruch wahr. Er ist so intensiv ... Den würde ich ab jetzt zwei Kilometer gegen den Wind wittern und egal wo sie ist und in welche Gefahr sie sich begibt, ich würde sie finden. Und zu mir in meine schützende Obhut zurück holen.

Das Band zwischen Vampirmeister und Vampirschützling ist zu meinem großem Glück schon sehr ausgeprägt, sonst würde sie nun einen Schritt zurück weichen. Ich spüre die Ehrfurcht, die sie mir gegenüber als Meister unterbewusst empfindet.

Vampirkind YaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt