• Vittorius •
Ein Vakuum zu erschaffen gehört zu einem der herausforderndsten Disziplinen der Luftmagie. Yara hat meine vollste Hochachtung, dass sie so etwas überhaupt kennt. Zu gerne würde ich die Welt aus der sie kommt bereisen. Das Wissen von dort würde uns vermutlich um Jahrhunderte voran bringen.
Kurz blicke ich zu Lucan rüber. Als einziges Vampirkind mit Luftaffinität und der nötigen Erfahrung muss ich mich auf seine Fähigkeit verlassen können. Mit überzeugender Ausstrahlung nickt er mir zu.
„Ja, das Vakuum können wir erschaffen und eine Weile halten", entgegne ich Mikul.
„Vielleicht sollten wir uns darauf vorbereiten was auch immer dort drin ist, schnell zu bergen, bevor der Mechanismus doch hochgeht", merkt Yara ihren exzellenten Gedankengang an.
Anerkennend nickt auch Mikul. Und dann beginnen auch schon die Vorbereitungen.
Lucan und ich gehen den Teil des Plans mit dem Vakuum durch. Jaron schließt sich dem Erdarbeiten Trupp an, gemeinsam trifft er mit der Einheit Vorbereitungen und passt den Weg zwischen Geheimkammer und Außenlager an. Isajah schließt sich Mikuls Erörterung der Bergung an. Und Yara steht friedlich an der Seite und beobachtet alles.
Während die letzten Vorkehrungen getroffen werden, nehme ich Mikul und Yara zur Seite.
„Also. Yara du kommst mit hoch und betrittst auch direkt nach dem Bergungstrupp mit uns die Geheimkammer. Wenn dir etwas auffällt oder irgendwas passiert, sag Bescheid. Sollte eine ernste Gefahr abzusehen sein, hat Mikul die Anweisung dich aus der Höhle zu schaffen. Ich versuche immer direkt bei dir zu sein, kann aber natürlich nichts versprechen", kläre ich meinen Vampirschützling auf. Sowohl Mikul als auch Yara nicken.
„Der Hang ist fertig und wir können Position beziehen", höre ich Jarons Stimme.
„Wir ebenfalls", gesellt sich Isajah dazu.
„Na dann kann's ja losgehen", sagt Lucan mit einem Lächeln.
• Yara •
Oben am Felsen vor der Geheimkammer sind alle startbereit. Der König gibt das Zeichen.
Und schon arbeiten sich die Erdmagie Krieger aus Mikuls Einheit unter der Anleitung von Jaron bis zum Mechanismus vor.
Nervös stellt sich Vittorius vor mich um so im Ernstfall die Explosion einzustecken. Mit einem Mal kommt mir unser Plan nicht mehr so endgeil vor.
„Das wird schon, der Plan ist sehr gut", flüstert mir Vittorius zu während er sanft meine Schulter berührt. Und dann kommt der Umriss des Mechanismus auch schon zum Vorschein. Eigentlich sieht er aus wie eine gigantische Tür zu einem Bunker. So etwas habe ich noch nie gesehen und doch kommt es mir äußerst vertraut vor.
Mikul übernimmt die Stelle, an der Vittorius steht. Zusammen mit Lucan macht sich der König nun an die Vakuum Luftmagie. Erstaunt und gespannt schauen alle dabei zu. Gekonnt formt sich eine Art Luftkugel und umschließt beide Seiten des Mechanismus. Anschließend legen die Erdmagier den restlichen Rahmen frei. Auf den ersten Blick sieht der Mechanismus unscheinbar aus, wenn man aber genauer hinsieht, sieht er irgendwie instabil aus.
Sichtbar wird ein dunkler Raum, das Sonnenlicht fällt durch die dicke Staubschicht und Partikel glänzen in der Luft.
Isajah geht vorsichtig zuerst in den Raum. Der König und Lucan halten das Vakuum aufrecht. So entspannt wie sie dabei stehen, können sie das sicher eine Weile so machen.
Mit großen Augen folgen wir langsam Isajah. Mikuls Einheit bringt einige Fackeln in Position und der dunkle Raum wird restlos erhellt.
Ich blicke auf sowas wie eine spartanisch eingerichtete kleine Höhlenwohnung. Eine Schlafecke, zwei Tische stehen aneinander, zwei Stühle, ein großer Schrank, ein kleiner Schrank, ein Beistelltischchen, ein Sofa und ein Couchtisch. Überall liegen alltagspraktische Sachen herum. Aber auch einige Schriftstücke und die Wände sind fast vollständig bemalt. Ins Auge fällt mir ein besonderes gebundenes alt aussehendes Buch.
Die Einheit von Mikul ist bereits dabei die ersten Möbel zu bergen und die Schrift von den Wänden mit Hilfe der Erdmagie in kleinen Schrifttafeln abzutragen. Intuitiv strecke ich meine Hand nach dem Buch aus und schlage es auf. Eine Reihe handgeschriebener Notizen auf Latein und einige Zeichnungen fallen mir direkt ins Auge.
„Welch merkwürdiges Buch", stellt Isajah fest, der sich zu mir gesellt hat. Außerdem spüre ich den Blick von Vittorius und Lucan im Rücken.
Ich lese den ersten Satz des Buches auf Latein laut vor. Fragend sieht mein jüngster Vampirbruder mich an.
„Hast du das verstanden?", frage ich ihn.
„Nein, die Sprache ist mir neu", entgegnet er. Auch der König und Lucan gucken sparsam.
„Dann bin ich nicht die erste Person, die aus meiner Welt hier her gekommen ist", sage ich nachdenklich. „Latein ist eine alte Sprache aus meiner Welt. Zum Glück war ich früher sehr interessiert beim Latein Unterricht dabei", erkläre ich.
Vorsicht nimmt Mikul mir das Buch ab und sichert es.
Nach etwa einer halben Stunde sieht man die Anstrengung auf Vittorius und Lucans Gesicht.
„Zehn Minuten ... Maximal ...", presst Lucan angestrengt zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Sämtliche Möbel und Kleinkram sind bereits geborgen, allerdings hat die Einheit erst die Hälfte der Wand abgetragen. Jede verfügbare Person hilft gerade noch so viel wie möglich von den Wänden zu bergen. Naja, und ich stehe dekorativ daneben und schaue zu. Verdammt, würde ich doch nur die Erdmagie beherrschen!
„Yara präg dir alles ein und wir rekonstruieren es in unserer Visionszwischenwelt. Ich tue dasselbe", kommt Jaron mit der Idee des Jahrhunderts um die Ecke.
„Von meinem Vampirsohn habe ich auch nichts anderes erwartet", ertönt Vittorius Stimme mit einem milden Lächeln.
Hochkonzentriert starre ich die Teile der Wand an, die die Einheit definitiv nicht mehr abzubauen schafft.
„Rückzug", höre ich Lucan sagen, der meinen Fokus damit unterbricht. Ehe ich reagieren kann, spüre ich Mikuls Arme um mich und keine Sekunde später entfernt er uns aus der Höhle.
Wir sind nichtmal am Fuß des Berges angekommen, da ertönt ein ohrenbetäubender Knall und Mikul wäre beinahe aus dem Gleichgewicht gekommen. Ich höre alles nur noch gedämpft durch ein dumpfen Piepton im Ohr.
„Mein König!", höre ich eine laute besorgte Stimme zwischen allen anderen Geräuschen. Wer von meinen Brüdern geschrien hat, kann ich allerdings nicht differenzieren.
Sanft nimmt Mikul mein Gesicht in seine Hände. So viel Behutsamkeit hätte ich diesem stahlharten Muskelberg gar nicht zugetraut. Sachte überprüft er, ob ich mich verletzt habe. Schnell bemerkt er, dass mein Gehör noch etwas geschädigt ist. Beruhigend deutet er mir, dass das bei ihm auch so ist und dass das normal ist.
Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, dann kommt mein Gehör wieder zu sich.
„Geht's?", höre ich Mikuls Stimme in dem Getümmel nah bei mir. Ich nicke.
Dann nehme ich überhaupt erst wahr, was gerade passiert ist.
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Vampirkind Yara
FantasyVon einem abenteuerlichen Leben hat die 29-Jährige Yara schon immer geträumt. Es geht nichts über ein gutes Vampirbuch, etwas Schokolade und ein schönes warmes Getränk dazu. In ihren Büchern kann sie in diese wunderbaren Welten abtauchen und den nah...